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Wie können wir der Klimakrise entgegentreten?

11.11.2021 | Planet research | FoE Sustainable Systems

Von Birgit Baustädter

Die eindeutige Antwort an der TU Graz: mit vielfältiger Forschung und grünen Innovationen. Und genau damit wird an der Universität für eine nachhaltigere Zukunft gearbeitet.

Forschende der TU Graz arbeiten intensiv an neuen Möglichkeiten, der Klimakrise zu begegnen. © Lunghammer – TU Graz

Immer extremere Wetterereignisse wie Regenfluten, Wirbelstürme, Dürreperioden oder intensive Schneefälle, zeigen deutlich, dass sich unsere Welt mitten in der Klimakrise befindet. Grund dafür ist der Treibhauseffekt: Treibhausgase wie CO2 werden in die Atmosphäre gepustet, absorbieren dort Lichtenergie und erwärmen so von innen heraus die Erde. Und auch wenn es in puncto Klimaschutz bereits „fünf nach 12 ist“, wie es TU Graz-Forscher Martin Wilkening formuliert, arbeiten er und andere Wissenschafter*innen an der TU Graz intensiv an neuen Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele.

Mobilität

Ob nun Wasserstoff, Strom oder doch ein völlig anderer Energieträger die Zukunft in der Mobilität darstellt – es gibt bereits jetzt viele Lösungsansätze, an denen unter anderem an der TU Graz gearbeitet wird.

Für Wilkening, Leiter des Instituts für Chemische Technologie von Materialien, ist eindeutig der Strom in Kombination mit effizienten Batteriespeichern das Mittel der Wahl. „Wir brauchen umsetzbare Möglichkeiten – weil wir den Klimawandel verschlafen haben. Das Stromnetz existiert schon und wir haben längst viele funktionierende Batteriespeicher im Einsatz. Das sollten wir nutzen.“ Außerdem sei eine Batterie mit einer Effektivität von 90 Prozent immer noch der effizienteste aller derzeit im Gespräch befindliche Energiespeicher. Mit seinem Team forscht Wilkening an den Grundlagen von Batterien: an effizienten Materialien. „Wir stellen uns die ganz einfachen Fragen. Etwa, warum das eine Material besser geeignet ist, um Ionen zu leiten, als das andere? Mit den Antworten auf diese Fragen wird es erst interessant.“ Grundsätzlich lädt und entlädt sich eine Festkörperbatterie, indem Teilchen in einer ionenleitenden Kristallstruktur hin und her hüpfen und dabei den Ladungstransport ermöglichen. Je nach Temperatur sind diese atomaren Bewegungen schneller oder langsamer. „Wir untersuchen genau diese diffuse Bewegung mit spektroskopischen Methoden, wie z.B. der magnetischen Kernspinresonanz. Sie sagt uns, wie viele Platzwechsel es in einer bestimmten Zeiteinheit gibt. Und wir studieren, was passiert, wenn wir das Material modifizieren.“

Wir stellen uns die ganz einfachen Fragen. Und dann wird es interessant.

Gregor Trimmel. © Lunghammer – TU Graz

Gemeinsam mit Instituts-Kollegen Gregor Trimmel arbeitet Wilkening an einer Kombination aus Batteriespeicher und organischer Solarzelle. Organische Solarzellen können in extrem dünnen Schichten aufgetragen werden, sind flexibel rollbar und einfach bedruckbar. Wegen ihrer Flexibilität eignen sie sich besonders gut zum Beispiel für Balkonbeschattungen und Jalousien. „Organische Solarzellen sind derzeit nur etwas weniger effektiv als ihre anorganischen Pendants“, erklärt Trimmel. „Aber besonders in Innenräumen und anderen Bereichen mit wenig Sonneneinstrahlung haben unsere organischen Materialien eine besonders gute Energieausbeute.“ Deshalb könnten sie zum Beispiel auch dazu genutzt werden, um die Lebenslauer von Batterien in Haushaltsgeräten zu verlängern.

Viktor Hacker, Leiter der Arbeitsgruppe Fuel Cell and Hydrogen Systems am Institut für Chemische Verfahrenstechnik und Umwelttechnik, ist dementgegen von Wasserstoff als Energieträger überzeugt. Sein Spezialgebiet sind Niedertemperaturbrennstoffzellen, die im Gegensatz zu Hochtemperaturbrennstoffzellen schon bei Raumtemperatur betrieben werden können. Sie nutzen hochreinen Wasserstoff, hergestellt aus erneuerbaren Energiequellen und setzen wieder Energie frei. „Der große Vorteil von Wasserstoff ist seine große Reichweite und die kurzen Betankungszeiten. Ist die notwendige Infrastruktur aufgebaut, unterscheidet sich ein Wasserstofffahrzeug in der Handhabung kaum von den derzeitigen Verbrennungsmotorfahrzeugen“, so Hacker. „Derzeit spricht vor allem noch der Preis gegen den Wasserstoff – er ist sehr teuer. Aber auch das wird sich mittel- bis langfristig ändern.“ Vor allem brauche es nun Unterstützung von politischer und wirtschaftlicher Seite, um den Wasserstoff in die Breite unseres Verkehrssystems zu bringen.

Viktor Hacker. © Lunghammer – TU Graz

Dem Wasserstoff als Energieträger der Zukunft widmete sich das Forschungsmagazin TU Graz research in seiner Winterausgabe 2020. Lesen Sie den Beitrag zur Forschung an der TU Graz im E-Paper.

Helmut Eichlseder wiederum plädiert für einen technologieoffenen Zugang, um die Mobilität der Zukunft zu gestalten. „Zum Beispiel sind elektrisch betriebene Fahrzeuge für Innenstädte wunderbar geeignet. Im Schwer- und Schiffsverkehr stoßen sie aber an ihre Grenzen – in diesem Bereich ist Wasserstoff wesentlich besser geeignet“, erklärt der Leiter des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik und fügt an: „Ich bin der Meinung, dass nicht eine Lösung dogmatisch forciert werden, sondern jede in dem für sie geeigneten Umfeld umgesetzt werden sollte.“ Neben diesen neuen Antriebsformen sieht er vor allem großes Potential in E-Fuels. „Selbst, wenn wir in einigen Jahren die letzten Fahrzeuge Verbrennungsmotor zulassen, werden sie noch jahrzehntelang auf der Straße sein. E-Fuels sind eine einfache und effektive Möglichkeit, um die existierende Flotte rückwärtskompatibel umweltfreundlicher zu machen.“ E-Fuels sind Kraftstoffe, die mittels erneuerbarer Energie durch Elektrolyse mit anschließender Synthese mit CO2 produziert werden – damit sind sie unabhängig von fossilen Energieträgern. Der große Vorteil von E-Fuels: Sie können in herkömmlichen Verbrennungsmotoren eingesetzt und über die bestehende Tankstelleninfrastruktur verteilt werden.

Helmut Eichlseder erklärt in einem Planet research-Beitrag, warum der Verbrennungsmotor immer noch wichtig ist – auch in einem nachhaltigen Mobilitätsmix.

Bau

Die Bauwirtschaft ist ein ressourcenintensiver Sektor, der maßgeblich zu den globalen CO2-Emissionen beiträgt. In der Europäischen Union sind beispielsweise Gebäude für bis zu 36% der CO2-Emissionen verantwortlich. Es ist also immens wichtig, auch in diesem Bereich umweltfreundlicher zu werden.

Mit dem Zentrum für Nachhaltiges Bauen, das sich gerade im Aufbau befindet, setzt die TU Graz zukünftig einen neuen Akzent. Mit dem Untertitel „für eine klimaneutral gebaute Umwelt“ wird sich das Zentrum in Zukunft der vom Menschen gestalteten, gebauten Umwelt widmen. „Zur gebauten Umwelt zählen alle Arten von Bauwerken und Infrastrukturen – von Gebäuden, in denen wir Leben und Arbeiten, über Straßen und Eisenbahnen, bis hin zu Infrastrukturen sowie zur Energie- und Wasserversorgung. Dementsprechend vielschichtig sind die im Zentrum adressierten Themen, die von städtebaulichen Fragestellungen bis hin zu Forschungsaktivitäten im Bereich Baumaterialien reichen“ erklärt Michael Monsberger, Forscher am Institut für Bauphysik, Gebäudetechnik und Hochbau. Als Teil eines Teams von über 30 Wissenschaftler*innen der TU Graz arbeitet er derzeit an der Entwicklung einer Roadmap für das Zentrum. Vor allem in Europa ist beispielsweise auch das Thema Bestandsbauten ein sehr wichtiges, erklärt Monsberger weiter. Durch geeignete Sanierungsmaßnahmen können und müssen auch bestehende Bauten klimafit gemacht werden.

„Es ist gerade eine extrem spannende Zeit. Aufgrund des dringenden Handlungsbedarfs im Bereich des Klimaschutzes und neuer technologischer Möglichkeiten aufgrund der voranschreitenden Digitalisierung, erleben wir eine Transformation des Bausektors und können als Forschende mitgestalten.“ Das Thema Mitgestalten gehört für ihn zu einem der zentralsten. „Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Überführung entwickelter Lösungskonzepte aus der Forschung in die Praxis - wie schaffen wir es, dass unsere Ideen rasch aufgegriffen werden? Auch dieser Aspekt soll zukünftig im Zentrum adressiert werden.“

Es ist gerade eine extrem spannende Zeit.

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Der Wissenschaftstag TU Graz Science for Future beschäftigte sich in diesem Jahr ebenfalls mit den Themen Klima und Energie - hier zum Nachschauen.

Energieversorgung

Sonja Wogrin, Leiterin des Instituts für Elektrizitätswirtschaft und Energieinnovation, beschäftigt sich mit unserer Energieversorgung. Sie simuliert mit ihrem Team Elektrizitätssysteme, bewertet sie, sucht Optimierungspotential und testet Innovationen im „Trockenbetrieb“. „Es gibt sehr viele technische und wirtschaftliche Herausforderungen, die in aktuellen Elektrizitätssystemen und in heutigen Märkten noch nicht gelöst sind“, weiß die Forscherin. Und auch Policy-Fragen seien extrem relevant: „Es ist eine noch unbeantwortete Frage der Klimaneutralität: Wer trägt die Infrastrukturkosten, wenn Energiequellen wie die Sonne oder der Wind quasi kostenlos zur Verfügung stehen?“

Es ist eine noch unbeantwortete Frage der Klimaneutralität: Wer soll die Infrastrukturkosten tragen, wenn Energiequellen wie die Sonne oder der Wind quasi kostenlos zur Verfügung stehen?

Klimaneutrale TU Graz

Bis 2030 hat sich die TU Graz zum Ziel gesetzt, klimaneutral zu arbeiten und zu forschen. Basierend auf einer umfassenden Treibhausgas-Bilanz entwickelte der neu gegründete Nachhaltigkeitsbeirat der TU Graz eine Roadmap, die den einzuschlagenden Weg zur Klimaneutralität vorgibt. Konkret wird auf Änderungen im Mobilitätsmanagement gesetzt, und auf Korrekturen im Energiemanagement, bei Dienstreisen und Neubauten. Unumgängliche Treibhausgas-Emissionen werden zukünftig mit einem Förderbeitrag abgegolten, der wiederrum Klimaschutzforschungsprojekten zu Gute kommt. Alle Informationen zum umfassenden Projekt Klimaneutrale TU Graz finden Sie online auf der Projekt-Website.

Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise „Sustainable Systems“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
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