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Forscher beobachten kürzestes magnetisches Ereignis

26.06.2019 | TU Graz news | Forschung

Von Christoph Pelzl

Physiker haben erstmals das magnetische Moment eines Materials innerhalb einer Femtosekunde direkt mit einer Lichtwelle ändern können - das schnellste magnetische Ereignis das bisher beobachtet wurde.

Aufzeichnung des schnellen Schaltens von magnetischen Momenten durch ultraschnelle Lichtimpulse: Die roten Pfeile markieren das geordnete magnetische Moment eines Schichtstapels aus Nickel (Ferromagnet) und Platin (Metall), bevor ein ultrakurzer Laserpuls die Magnetisierung der beiden Schichten invertiert © J.K. Dewhurst

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Elektronische Eigenschaften von Materialien lassen sich mittels Lichtabsorption direkt und unmittelbar innerhalb von weniger als einer Femtosekunde (10-15 Sekunden) beeinflussen, was als die Grenze für die maximal erreichbare Geschwindigkeit elektronischer Schaltkreise gilt. Das magnetische Moment von Materie hingegen ließ sich bis dato nur über einen Licht und Magnetismus verknüpfenden Prozess und den Umweg über Magnetfelder beeinflussen, weshalb magnetisches Schalten bisher ungleich länger und wenigstens einige hundert Femtosekunden dauert. Ein Konsortium aus Forschenden der Max-Planck-Institute für Quantenoptik und Mikrostrukturphysik, des Max-Born Instituts, der Universität Greifswald und der Technischen Universität Graz konnte nun erstmals die magnetischen Eigenschaften eines ferromagnetischen Materials auf der Zeitskala von elektrischen Feldschwingungen des Lichts – und somit synchron zu den elektrischen Eigenschaften – mittels Laserblitzen manipulieren. Die Beeinflussung konnte um den Faktor 200 beschleunigt werden und wurde mittels Attosekunden-Spektroskopie gemessen sowie zeitaufgelöst dargestellt. In der Zeitschrift Nature beschreiben die Forschenden ihr Experiment.

Zusammensetzung des Materials als entscheidendes Kriterium

Bei der Attosekunden-Spektroskopie werden magnetische Materialien mit ultrakurzen Laserpulsen beleuchtet und elektronisch beeinflusst. „Die Lichtblitze setzen im Material einen intrinsischen und üblicherweise verzögernden Prozess in Gang. Dieser übersetzt die elektronische Anregung in eine Änderung der magnetischen Eigenschaften“, erklärt Martin Schultze, bis vor kurzem am Münchner Max-Planck-Institut für Quantenoptik tätig und nun Universitätsprofessor am Institut für Experimentalphysik der TU Graz. Aufgrund der Kombination eines Ferromagnets mit einem nicht-magnetischen Metall ließ sich die magnetische Reaktion im beschriebenen Experiment jedoch genauso schnell herbeiführen, wie die elektronische. „Durch die spezielle Konstellation konnten wir optisch eine räumliche Umverteilung der Ladungsträger bewirken, die eine direkt damit verknüpfte Änderung der magnetischen Eigenschaften zur Folge hatte“, so Markus Münzenberg. Er hat mit seinem Team in Greifswald die speziellen Materialsysteme entwickelt und hergestellt.

Schultze zeigt sich begeistert von der Dimension des Forschungserfolges: „Noch nie wurde ein so schnelles magnetisches Phänomen beobachtet. Ultrafast Magnetism bekommt dadurch eine völlig neue Bedeutung.“ Auch Sangeeta Sharma, Forscherin am Max-Born-Institut Berlin, die den zugrundeliegenden Prozess mittels Computermodellen vorhergesagt hat, ist beeindruckt: „Wir erwarten uns dadurch einen signifikanten Entwicklungsschub für sämtliche Anwendungen, bei denen Magnetismus und Elektronenspin eine Rolle spielen.“

Erster Schritt in Richtung eines kohärenten Magnetismus

Darüber hinaus konnten die Forschenden im Rahmen ihrer Messungen zeigen, dass der beobachtete Prozess kohärent verläuft, die quantenmechanische Wellennatur der bewegten Ladungsträger also erhalten bleibt. Diese Bedingungen erlauben es Forschenden, anstatt größerer Materieeinheiten einzelne Atome als Informationsträger zu nutzen oder die geänderten magnetischen Eigenschaften mit einem weiteren, zeitverzögerten Laserblitz gezielt zu beeinflussen und so die technologische Miniaturisierung weiter voranzutreiben. „Perspektivisch könnte das im Bereich des Magnetismus zu ähnlich fantastischen Entwicklungen führen, wie elektronische Kohärenzen in Richtung Quantencomputing“, hofft Schultze, der am Institut für Experimentalphysik nun eine Arbeitsgruppe mit Schwerpunkt auf die Attosekundenphysik leitet.

Ausbau der Spitzenforschung an der TU Graz

Gemeinsam mit seinen Grazer Kolleginnen und Kollegen will Schultze das Institut zu einem Zentrum für ultrazeitaufgelöste Spektroskopie elektronischer und magnetischer Phänomene ausbauen. Am Campus Neue Technik der TU Graz wird hierfür gerade ein modernes Laserlabor eingerichtet, das – angelehnt an die schon bestehenden Aktivitäten – die Forschung im Field of Expertise "Advanced Materials Science" an der TU Graz weiter stärkt.

Die Forschung von Martin Schultze ist im Field of Expertise „Advanced Materials Science“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.

Information

Die Originalpublikation 'Light-wave dynamic control of magnetism' ist online in Nature abzurufen.
(DOI: 10.1038/s41586-019-1333-x)

Kontakt

Univ.-Prof. Martin SCHULTZE
TU Graz | Institut für Experimentalphysik
Petersgasse 16, 8010 Graz, Österreich
Tel. +43 316 873 8142
schultzenoSpam@tugraz.at
iep.tugraz.at

Nach den Beobachtungen der Forschernden ist die Beeinflussung der magnetischen Eigenschaften durch einen ultrakurzen Lichtpuls etwa 200 mal schneller möglich als bisher bekannt © J.K. Dewhurst
Martin Schultze ist seit 1. März Universitätsprofessor für Experimentalphysik mit Schwerpunkt Optik und Physik des Lichts am Institut für Experimentalphysik der TU Graz © TU Graz