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Prüfstelle für Medizinprodukte: Sicherheit für Patient*innen

15.09.2021 | Planet research | FoE Human & Biotechnology | Forschungsinfrastruktur

Von Birgit Baustädter

An der TU Graz werden seit 45 Jahren Medizinprodukte geprüft und zertifiziert. Wichtig vor allem für Patient*innen, die sich so auf Sicherheit und Nutzen von Medizinprodukten verlassen können.

Das Team der Europaprüfstelle für Medizinprodukte. © Lunghammer – TU Graz

Bevor ein Herzschrittmacher oder ein EKG-Gerät auf dem Markt erhältlich ist und im medizinischen Alltag zum Einsatz kommt, müssen Medizinprodukte umfassende Prüfungen und ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen. Der Sinn dahinter ist einleuchtend: Patientinnen und Patienten müssen sich uneingeschränkt auf den Nutzen und insbesondere die Sicherheit des Produkts verlassen können.

Europas einzige staatlich akkreditierte Prüfstelle für Medizinprodukte an einer Universität befindet sich in Graz. Genauer: am Institut für Health Care Engineering an der TU Graz. Bereits seit 45 Jahren werden dort Medizinprodukte auf Herz und Nieren geprüft, 20 Jahre davon arbeitete die Stelle sogar als Notifizierte Stelle. Diese „Notified Bodies“ entscheiden über eine europäische Makrtzulassung und damit über das Anbringen des CE-Kennzeichens.

„2016 haben wir die Notifizierung jedoch aus wirtschaftlichen Gründen bezüglich der neuen regulatorischen Anforderungen für Benannte Stellen durch die EU zurückgelegt. Wir arbeiten aber weiterhin mit einem Team aus insgesamt sieben Personen als staatlich akkreditierte, eigenfinanzierte Prüf- und Zertifizierstelle“, erläutert Jörg Schröttner, Leiter der Europaprüfstelle für Medizinprodukte an der TU Graz. Die Grazer Prüfstelle darf Produkte entsprechend ihres Akkreditierungsumfangs nach unterschiedlichsten Normen prüfen und Zertifikate ausstellen. „Aufgrund der neuen Medizinprodukteverordnung werden auch viele Unternehmen, die Medizinprodukte entwickeln oder herstellen bezüglich des Zulassungsprozesses beraten. Ein Bonus ist dabei natürlich die Eingliederung der Prüfstelle als Arbeitsgruppe ins Institut für Health Care Engineering der TU Graz, wo an den Medizinprodukten der Zukunft geforscht wird.“

Die Europaprüfstelle für Medizinprodukte führt umfangreiche sicherheitstechnische Prüfungen zum Bediener*innen- und Anwender*innenschutz durch. © Lunghammer – TU Graz

In der Prüfstelle stehen neben Typprüfungen, die einem Produkt bescheinigen, die jeweilig angegebenen Anforderungen von Normen zu erfüllen, auch sicherheitstechnische Basisprüfungen an der Tagesordnung. Ebenfalls möglich sind entwicklungsbegleitende Einzelprüfungen wie Feuchtigkeitsschutzprüfungen im Spritzwasserlabor, Eindringschutzprüfungen mit Prüfsonden oder in der Staubkammer, Messungen mit Infrarot-Wärmekameras oder zerstörungsfreie Untersuchungen mit dem Röntgengerät. Neben klassischen Hardware-Produkten testet und zertifiziert die Europaprüfstelle auch medizinische Software inklusive Gesundheits-Apps. „Das ist ein ganz aktuelles Thema. Gerade die Entscheidung ob es sich bei einer Software um ein Medizinprodukt handelt und falls ja, in welche Konformitätsklasse es einzuteilen ist, spielt eine wesentliche Rolle für die Produktzulassung. Die PMG wird derzeit sehr häufig betreffend solcher Klassifizierungsanfragen kontaktiert“, erklärt Schröttner.

Zusätzlich ist das Team befugt, Qualitätsmanagementsysteme nach EN 13485 zu auditieren und zu zertifizieren. Jeder Hersteller von Medizinprodukten  ist laut der neuen Medizinprodukteverordnung dazu verpflichtet ein QM-System einzuführen und aufrecht zu halten.

Jörg Schröttner leitet die Europaprüfstelle für Medizinprodukte an der TU Graz. © Lunghammer – TU Graz

Fokus auf aktive Medizinprodukte

„Wir haben grundsätzlich einen sehr breiten Akkreditierungsrahmen und können neben Medizinprodukten auch andere Produkte, wie zum Beispiel Laborgeräte oder Krankenhausausstattung testen und zertifizieren“, erklärt Schröttner. „Wir haben uns aber ganz bewusst auf aktive Medizinprodukte spezialisiert, da wir hier seit vielen Jahrzehnten Know-how aufgebaut haben und somit bestmöglich unterstützen können.“

Die Grazer Prüfstelle kann Hersteller*innen von Medizinprodukten der Konformitätsklasse I (geringes Patientenrisiko) bis zum Marktzugang begleiten, da diese keine Zulassung durch eine Notifizierte Stelle benötigen. „Diesen Hersteller*innen können wir ein Komplettpaket anbieten, das von sicherheitstechnischen Prüfungen bis hin zur Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems reicht“, erläutert Jörg Schröttner.

In der Staubkammer können widrige Umwelteinflüsse simuliert werden. © Lunghammer – TU Graz

Überprüfung der Prüfstelle

Die Prüfstelle selbst wird regelmäßig (bis zu drei Mal pro Jahr) vom Wirtschaftsministerium überprüft und eingehenden Audits unterzogen. „So wird unsere Akkreditierung regelmäßig erneuert. Es gab in den vergangenen Jahren keinen einzigen Rückruf oder einen Zwischenfall mit einem Produkt, das bei uns getestet und freigegeben wurde“, ergänzt Schröttner.

Komplexer Wissensschatz

Jörg Schröttner sieht neben den Testungen vor allem die umfassende Begleitung von Hersteller*innen in Forschung und Entwicklung als eine der wichtigsten Aufgaben der Prüfstelle. „Die Zulassung eines Medizinproduktes ist ein sehr komplexes Verfahren. Es gibt supranationale Bestimmungen, nationale Gesetze, Standards und Empfehlungen der Notifizierten Stellen.“ Das diesbezügliche Wissen sei an der TU Graz vorhanden und könne für TU Graz interne Entwicklungen sowie von externen Unternehmen und Start-Ups angefragt werden.

Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise „Human & Biotechnology“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
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Information

Zwei Mal pro Jahr bietet die Europaprüfstelle unterschiedliche Kurse für Medizinproduktehersteller*innen an, die sicherheitstechnischen Aspekte, regulatorische Anforderungen und ergänzende Aspekte des Zulassungsprozesses in theoretischen und praktischen Kurseinheiten vermitteln.

Kontakt

Jörg SCHRÖTTNER
Institut für Health Care Engineering mit Europaprüfstelle für Medizinprodukte
Stremayrgasse 16/II
8010 Graz
Tel.: +43 316 873 7395
schroettnernoSpam@tugraz.at
www.pmg.tugraz.at