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Umweltsensorik: Einmal tief Luftholen für die Wissenschaft

08.02.2018 | Planet research | FoE Advanced Materials Science | FoE Information, Communication & Computing

Von Birgit Baustädter

Alexander Bergmann und sein Team am Institut für Elektronische Sensorsysteme der TU Graz haben sich zum Ziel gesetzt, unsere Luft- und Lebensqualität mittels ausgeklügelter Sensorik zu verbessern.

Am Institut für Elektronische Sensorsysteme entwickelt man kleine, aber leistungsstarke Sensoren für Messungen der Luftzusammensetzung. © Lunghammer – TU Graz

Es ist ein strahlend schöner Tag, als Alexander Bergmann in seinem lichtdurchfluteten Büro in der Grazer Inffeldgasse über sein Forschungsgebiet spricht. Die Luft ist klar, die Sonnenstrahlen warm und es riecht gut in dem 10 qm2 großen Raum mit den strahlend weißen Wänden – alles auch landläufig Zeichen für eine gute Luftqualität. Und genau die Luftqualität und deren Messbarkeit steht im Mittelpunkt des Forschungsinteresses von Alexander Bergmann, der seit fast zwei Jahren an der TU Graz das neu gegründete Institut für Elektronische Sensorsysteme aufbaut und leitet. Seine Forschung ist im Bereich Umweltsensorik beheimatet – er entwickelt in erster Linie Sensoren, die Partikel und Gase in unserer Umgebungsluft messen. Dabei geht es unter anderem um Feinstaub, Stickoxide und Autoabgase im Allgemeinen. „Mich hat schon immer die Quantifizierung von Dingen interessiert, die wir sonst mit menschlichen Sinnen nicht fassen können. Was wovon in welcher Menge wo drinnen ist“, erzählt er über sein Interesse am Thema Sensorik, das sich bereits in der Studienzeit intensiv festgesetzt hat und für das er heute auch sein junges Team von mittlerweile zehn Dissertantinnen und Dissertanten begeistern kann.

Eine Gruppe von Forschern steht um einen Arbeitstisch in einem bunten und vollgeräumten Labor

Alexander Bergmann (Mitte) und sein Team am Institut für Elektronische Sensorsysteme.

Die Vision einer grüneren Welt

Heute treibt die Forschung am Institut vor allem eine Vision: Einen öffentlich zugänglichen Airquality-Index möglich zu machen, der punktgenau die Luftqualität an bestimmten Orten darstellt und damit zum Beispiel die gesundheitlich unbedenklichsten Radrouten herausfiltern könnte, die Schadstoffbelastung zu Hause oder am Arbeitsplatz nachvollziehbar macht und somit auch effiziente Verbesserungsmaßnahmen erlaubt. „Das hätte natürlich massive Auswirkungen“, weiß Bergmann. „Zum Beispiel auf Immobilienpreise und ähnliches.“ Aber gibt es solche Luftgüte-Karten nicht bereits? „Ja, die gibt es. Aber die Datenbasis wird dabei von einigen wenigen öffentlichen Messstationen mit entsprechend geringer räumlicher Auflösung erstellt und dann mit entsprechenden Modellen hochgerechnet. Bis dato ist eine flächendeckende Messung nicht möglich, da kostengünstige und ausreichend genaue Sensoren fehlen“, erklärt Bergmann.

Mich hat schon immer die Quantifizierung von Dingen interessiert, die wir sonst mit menschlichen Sinnen nicht fassen können.

Am Institut arbeiten die Forschenden an besonders kleinen Sensoren, die dann zum Beispiel in smarten Geräten, wie vernetzten Klimaanlagen in Häusern, Mobiltelefonen oder Wearables integriert sein könnten. „Damit könnten wir ein engmaschiges Netzwerk an Sensorknoten erstellen, das wirklich zielgenaue Aussagen möglich macht“, erklärt er. Natürlich müssten diese Sensoren bei allem Wunsch nach immer kleineren Dimensionen auch vollkommen zuverlässig sein und eine hohe Datenqualität garantieren, denn: „Die besten Auswertungen sind nur so gut wie die Daten, die die Sensoren liefern.“

Problematischer Prozess

Für die Verwendung in Häusern, Mobiltelefonen oder Wearables müssen die Sensoren natürlich entsprechend klein gestaltet und kostengünstig sein, ohne dabei ungenauer zu messen als ihre Schuhkarton-großen und teuren Verwandten. Was die Entwickelnden vor Herausforderungen stellt, wie Bergmann weiß: „Wir müssen auf der einen Seite darauf achten, dass auch bei kleinsten Architekturen ausreichend Luft eingesaugt wird, dass repräsentative Aussagen über ihre Zusammensetzung gemacht werden können. Auf der anderen Seite müssen vor allem die Staubpartikel auch wieder vollständig abtransportiert werden, damit sie die Sensoroberfläche nicht verschmutzen und unbrauchbar machen.“ Den Sensoren geht es also gleich wie den Menschen, denen sie helfen sollen: Das Ein- und Ausatmen fällt Mensch wie Maschine in belasteter Luft nicht leicht.

Ein Forscher leuchtet mit einer Taschenlampe auf einen Sensor, der an einem Gestell befestigt ist.

Ein Dissertant am Institut demonstriert, wie winzig die neu entwickelten Sensoren wirklich sind. Der Sensor ist unter dem schwarzen Röhrchen zu erahnen.

Weiters beteiligen sich Alexander Bergmann und sein Team an dem groß angelegten EU-Projekt DownToTen, das über die Förderschiene Horizon2020 finanziert wird. Hierbei haben Forschende aus Finnland, Griechenland, Deutschland, Italien, Großbritannien und Österreich das gemeinsame Ziel, die Konzentration von Automobilabgaspartikeln ab einer Größe von zehn Nanometern korrekt zu erfassen, um den Weg für zukünftige strengere, EU-weite Regulierungen zu ebnen.

Die Natur als Vorbild

In Zukunft will sich Alexander Bergmann zusätzlich die Natur zum Vorbild für seine Forschung nehmen. Und untersuchen, mit welchen Sensoren zum Beispiel Pflanzen ihre Umgebung wahrnehmen. „Leider haben wir Menschen ja zum Beispiel keine Sensoren, die Feinstaub messen können.“ Ein Anwendungsgebiet könnte in einem nächsten Schritt die Gesundheit sein. Am Institut denkt man zum Beispiel auch intensiv über Sensoren nach, die verschiedenste Verfahren nutzen, um ohne lästige Nadelstiche zum Beispiel Glucose- oder Laktatwerte zu messen. „Die Technologisierung der Biologie wird in Zukunft einen sehr großen Impact haben“, sagt Bergmann voraus.

Der perfekte Zeitpunkt

Der Zeitpunkt scheint jedenfalls perfekt, um sich mit Sensorik auseinanderzusetzen. Immer mehr Daten werden gesammelt, in die digitale Welt übertragen und dort nach Big Data-Ansätzen analysiert. Und auch in der Automatisierung der Produktion in zum Beispiel hochtechnologisierten Fabriken braucht es immer bessere Sensoren um effizient und verlässlich arbeiten zu können. Denkt man weiters an den aktuellen Hype um das autonome Fahren, liegt die Notwenigkeit nach umfangreicher Sensorik auf der Hand. Weitere Anwendungen reichen vom Backofen bis hin zur Schneekanone, oder, wie es Alexander Bergmann ausdrückt: „Einen guten Sensor kann man immer brauchen.“

Dieses Forschungsgebiet ist in den FoE „Information, Communication & Computing“ und „Advanced Materials Science“ verankert, einem der fünf Stärkefelder der TU Graz.
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Information

Das Institut für Elektronische Sensorsysteme ist neben der Umwelt- und Biosensorik auch in anderen sensorischen Themen hoch aktiv und in mehrere Projekte unterschiedlichster TU Graz-Institute eingebunden. Zum Beispiel arbeitet man intensiv an Sensorik für Verbrennungsmotoren, mit deren Daten man schlussendlich die Motoren über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg umweltschonender und effizienter machen will.

Kontakt

Alexander BERGMANN
Univ.-Prof. Mag.rer.nat. Dr.rer.nat
Institut für Elektronische Sensorsysteme
Inffeldgasse 10/II | 8010 Graz
Tel.: +43 316 873 3340
alexander.bergmannnoSpam@tugraz.at