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TU Graz-Forschende im Katastropheneinsatz

14.02.2022 | Planet research | FoE Information, Communication & Computing | FoE Mobility & Production | FoE Sustainable Systems

Von Birgit Baustädter

Waldbrände, Hochwasser, Steinschläge und andere Naturkatastrophen sorgen immer öfter für Schaden an Bauwerken und im schlimmsten Fall an Menschen. TU Graz-Forschende versuchen zu helfen.

Vor allem der Klimawandel ist Treiber für unzählige Naturkatastrophen auch in Österreich. © Sakedon/Adobe Stock

Ob mit Rettungsrobotern, autonomen Drohnen oder in der Sicherung von Bauwerken – TU Graz-Forschende engagieren sich auf vielfältige Weise im Katastrophenschutz und in der Katastrophenhilfe. Neben zahlreichen Forschungsprojekten geschieht dies auch in der österreichweit ersten Freiwilligen Universitätsfeuerwehr, oder im Rahmen des Disaster Competence Network Austria (DCNA), einem Kompetenznetzwerk für Sicherheits- und Katastrophenforschung, das von der TU Graz gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur Wien ins Leben gerufen wurde und dem sich mittlerweile Einsatzorganisationen sowie universitäre und außeruniversitäre Forschungsinstitutionen angeschlossen haben.

Die freiwillige Forschungs-Feuerwehr der TU Graz

2018 gründete sich an der TU Graz die erste freiwillige Forschungs-Feuerwehr. Bei den Mitgliedern handelt es sich um Bedienstete, Studierende, Lehrende und Alumni der TU Graz, die sich mit innovativen Methoden zur Unterstützung von Rettungskräften und dem Wissenstransfer beschäftigen. „Löschfahrzeuge oder Brandeinsätze gibt es bei uns nicht. Bei uns steht die Forschung und deren praktische Anwendung im Feuerwehrwesen im Fokus“, erläutert Harald Kainz, Rektor der TU Graz und gleichzeitig Kommandant der FF TU Graz. So agiert die Feuerwehr als Mittler zwischen Feuerwehr und Forschung. Erste Forschungsprojekte wurden bereits umgesetzt.

Im Beisein politischer Prominenz wurde an der TU Graz das neue FF-Fahrzeug gesegnet. © Lunghammer – TU Graz

Disaster Competence Network Austria

Das an der TU Graz angesiedelte, österreichweite Netzwerk im Bereich Katastrophenforschung versteht sich grundsätzlich vor allem als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis, wie DCNA-Leiter Christian Resch erklärt: „Unsere Mitarbeitenden – so wie ich auch – sind in der Regel selbst in einer Einsatzorganisation tätig und kennen daher deren Bedarf sehr gut.“ Diverse interuniversitäre Projekte widmen sich in unterschiedlichen Arbeitsgruppen etwa der Hochwasserprävention, Drohnen im Rettungseinsatz und autonomen Robotern, die Transport-, Rettungs- oder Löscharbeiten übernehmen können.

Roboter im Rettungseinsatz

In verschiedene Projekte am DCNA eingebunden ist TU Graz-Forscher Gerald Steinbauer-Wagner, Robotik-Forscheram Institut für Softwaretechnologie. Mit seinem Team arbeitet er an einer autonomen Transportplattform, die selbstständig diverse Transportaufgaben übernehmen kann und schon mehrfach erfolgreich getestet wurde – unter anderem am Truppenübungsplatz Seetaler Alpen oder bei den Analog-Marsmissionen des Österreichischen Weltraum Forums, zuletzt etwa in der Wüste Negev in Israel. „Sehr interessant ist derzeit die Kooperation mit dem Institut für Geodäsie der TU Graz. Das Team unterstützt uns bei der satellitengestützten Navigation des Roboters. Diese ist essentiell für die Navigation der Transportplattform – neben der genauen Analyse der Umgebung durch unterschiedliche Sensoren und vorab eingespeistem Datenmaterial.“

Gemeinsam mit der Montan Uni Leoben und Feuerwehrverbänden testet das Institut außerdem Roboter, die nach einem Tunnelunfall beispielsweise Gefahrengut abtransportieren oder Informationen sammeln können, wenn der Einsatz für menschliche Hilfe zu zeitkritisch oder zu gefährlich ist. Im Projekt Easier wiederum arbeitet das Team mit dem namhaften Feuerwehrausstatter Rosenbauer und mit Psycholog*innen der Uni Graz an der Zusammenarbeit zwischen Menschen und Robotern. Ziel ist die Vertrauensbildung zwischen beiden Polen, denn „Vertrauen ist essentiell für eine effektive Zusammenarbeit“, so Steinbauer-Wagner, der neben dem DCNA auch bei der freiwilligen Feuerwehr der TU Graz seine Finger im Spiel hat: Gemeinsam mit Studierenden konzipiert er Schulungsmöglichkeiten für Feuerwehrleute, die sich auf die Handhabung von Rettungsrobotern spezialisieren wollen.

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Video: Wie fährt ein autonomes Transportfahrzeug?

Fliegend gegen Katastrophen aller Art

Neben bodengebundenen Robotern können auch Drohnen für Rettungseinsätze genutzt werden. Am Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen der TU Graz verbessern Forschende rund um Professor Friedrich Fraundorfer unter anderem deren Algorithmen und Sensorik. Vor allem, um die Handhabung der Drohnen einfacher zu gestalten, wie Fraundorfer erzählt: „Wir haben in einigen Projekten gesehen, dass Drohnen sehr gut geeignet sind für den gemeinsamen Einsatz mit Feuerwehren. Aber es braucht sehr gut ausgebildete Piloten bzw. Pilotinnen, die solche aufwändigen Einsätze fliegen können. Wenn wir mehr automatisieren, dann finden Drohnen sicherlich häufiger Gebrauch und können entscheidende Hilfe leisten.“

Beispielsweise statteten die Forschenden eine Drohne mit Wärmebildkameras aus, die Menschen in vollkommen verrauchten und nicht von außen einsehbaren Räumlichkeiten aufspüren konnten. In einem weiteren Projekt gewann das Team Daten aus Drohnenaufnahmen, die Rückschlüsse auf die weitere Brandentwicklung in Waldgebieten zuließen.

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Video: Wie können Drohnen sehen?

Vorsorge, damit es erst gar nicht zu Katastrophen kommt

Neben Technologien, die im Katastrophenfall zur Rettung eingesetzt werden, interessieren sich Forschende an der TU Graz für das Verhindern von Katastrophen.

„Im Bauingenieurswesen arbeiten wir natürlich immer daran, unsere Gebäude so zu planen und zu errichten, dass sie Katastrophen standhalten können“, erklärt Gerald Zenz, Leiter des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft. „Beispielsweise testen wir neue Gebäude auf ihre Reaktion bei Starkregen, Erdbeben und anderen Naturkatastrophen. Und wir simulieren, wie bereits bestehende Bauwerke im Ernstfall reagieren.“ Die Versuche werden im Wasserbaulabor der TU Graz durchgeführt. Dort werden verschiedene Wasserbauwerke im Modellmaßstab unter realistischen Bedingungen nachgebaut. „Unter anderem untersuchen wir bei uns im Labor Wasserkraftanlagen hinsichtlich ihrer hydraulischen Funktion. DAbei werden die Bauwerke auch auf Katastrophen-Hochwasser-Ereignisse ausgelegt. Die höchsten Sicherheitsstandards werden auch für extreme Erdbebenereignisse nachgewiesen und erfüllt.“

Auf der anderen Seite ist das Institut darum engagiert, Hochwasservorhersagen zu verbessern –durch Nutzung von Satellitendaten für die Niederschlagsprognose und Forschung im Bereich Flächenmanagement zur Reduktion des Oberflächenabflusses. Wesentlicher Aspekt ist auch die Bewusstsseinsbildung in der Bevölkerung. „Noch immer sterben Menschen, weil sie bei Hochwasser doch noch rasch Besitztümer aus Kellerräumen retten wollen“, macht Zenz klar, warum gezielte Information so wichtig ist. Im Projekt EFFORS möchte das Forschungsteam gemeinsam mit der Zentralanstalt für Meterologie und Geodynamik (ZAMG) die Hochwasserprognosen, die in großen Gebieten wunderbar funktionieren, für kleinere Einzugsgebiete verbessern. „In kleineren Gebieten kommt es immer noch zu vielen Fehlalarmen. Das untergräbt das Vertrauen in Vorhersagen, die aber für kurzfristige Schutzmaßnahmen sehr wichtig sind“, so Zenz. „Wir konnten hier im Großraum Graz und für Pilotprojekte an der Mürz, Kainach und Saalach schon sehr gute Ergebnisse erzielen.

Wenn Hänge rutschen

Am Institut für Bodenmechanik, Grundbau und Numerischer Geotechnik ist Hochwasser ebenfalls ein Thema. Allerdings aus einer anderen Perspektive, wie Institutsleiter Roman Marte erklärt: „Wir untersuchen zum Beispiel, ob Hänge rund um Rückhalte- oder Staubecken instabil sind und eine mögliche Hangrutschung zu Überflutungen führen könnte.“ Neben Hängen im Bereich von Kraftwerksspeichern sind auch Siedlungsgebiete und Infrastrukturanlagen auf oder im Einflussbereich von Rutschungen Objekte der Betrachtung.

Das Steinschlagrisiko minimieren

Am Institut für Felsmechanik und Tunnelbau interessiert man sich in erster Linie für den sicheren Bau und die Langlebigkeit von Tunnelbauten. Zum Beispiel arbeiten die Forschenden mittels Machine Learning und Data Mining daran, im Tunnelvortrieb den Übergang von subjektiven Entscheidungen und mehrheitlich manuellen Tätigkeiten zu datengestützer Entscheidungsfindung und automatisierten Prozessen zu erleichtern. „Immer weniger Menschen wollen im gefährlichen Untertagebau arbeiten“, erklärt Institutsleiter Thomas Marcher. „Hier sind autonom agierende Maschinen eine wertvolle Lösung.“

Neben Tunnelbauten ist man im Projekt STEIRIS vor allem am Steinschlagrisiko auf kommunalen Wegen (zum Beispiel Wanderwegen) interessiert. Beziehungsweise daran, eben dieses zu verringern. „Erst kürzlich haben wir uns einen Felsen angesehen, an dem es ein Steinschlagereignis gegeben hat. Wir wussten, dass es relativ sicher ist. Aber hinter uns kamen Wanderer nach, die ebenfalls an dieser, für sie nicht offensichtlich sicheren Stelle stehen geblieben sind“, erzählt Marchers Institutskollege Alexander Kluckner von seiner Forschung. Kluckner möchte mit dem instituts- und universitätsübergreifenden Team vor allem Gemeinden mit dem notwendigen Wissen um Steinschläge am Wanderweg versorgen, um ihnen eine wissenschaftlich fundierte und selbstständige Einschätzung der Situation und dementsprechendes Verhalten zu ermöglichen. „Wir arbeiten auch mit einer regionalen Entwicklungsagentur zusammen, um Aufklärungsmaßnahmen setzen und Informationskampagnen für Freizeitsportler*innen starten zu können. Und wir schauen uns den ganz wichtigen rechtlichen Aspekt an, damit eine klare Auftrennung der Eigenverantwortung von Benutzerinnen und Zuständigkeit der Gebietskörperschaften möglich wird.“

Thomas Marcher im Labor des Instituts für Felsmechanik und Tunnelbau. © Lunghammer – TU Graz

Vorsorgen und Helfen

Das Institut für Geodäsie widmet sich im Bereich Katastrophenschutz sowohl der Prävention als auch der Unterstützung von Rettungseinsätzen.

Zur Prävention tragen unter anderem Beobachtungen der Permafrost-Böden bzw. ihrer Veränderungen aufgrund des Klimawandels bei. „Permafrost ist gefrorener Boden. Wenn er taut, dann wird der Boden instabil und es kann zu Massebewegungen kommen“, erklärt Institutsleiter Mathias Schardt, was im Ernstfall zu schwerwiegenden Problemen führen kann. Denn das Forschendenteam liefert die aussagekräftigen Grunddaten für Muren- und Erdrutsch-Beurteilungen, die die Behörden übernehmen müssen. „Am Institut läuft bereits seit den 1990er-Jahren unter der Leitung von Viktor Kaufmann eine Langzeitbeobachtung, die die Veränderungen über die Jahre exakt mitdokumentiert und Prognosen möglich macht.“

Neben der wichtigen Präventionsarbeit unterstützt das Institut Einsatzkräfte im Katastrophenfall – mit maßgeschneiderten Navigationslösungen. „Wir nutzen Satellitenbilder, um das Terrain zu klassifizieren und Rettungskräften in alpinen Gebieten die schnellsten und am besten überquerbaren Routen zu verunfallten Personen zu liefern“, erklärt Schardt. Über die Bilder wird ein gleichmäßiger Raster gelegt und jedes Quadrat beurteilt. „Wir haben Klassen von 1 bis 5. Mit 1 werden Gegenden bewertet, die gut überquert werden können – also zum Beispiel eine Wiese. 5 ist ein Gebiet, das für Rettungsteams unüberwindbar ist – etwa eine Felswand.“ So simuliert das Team einen gut begehbaren, aber schnellen und kurzen Weg im Gelände.

Mit ihrer Arbeit machen die Forschenden an der TU Graz so unser Leben Schritt für Schritt und Projekt für Projekt etwas sicherer.

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