Ein Glücksfall mit Feinsinn

TU Graz-Mitarbeiter Mark Hochrein nimmt Reize deutlicher wahr als andere. „Mein Körper schüttet zu viel Dopamin aus und mir fehlt der natürliche Filter für Reize im Gehirn. Ich muss daher vieles manuell ausfiltern, das bedeutet eine erhöhte Leistung für das Gehirn.“ Der 38-Jährige benötigt ein reizarmes und stressfreies Arbeitsumfeld, ein strukturierter und ruhiger Arbeitsplatz ist daher für ihn wichtig.
Diesen Arbeitsplatz hat er mithilfe des Projekts „Fakultät Inklusiv“ am Institut für Elektronik sowie am Institut für Hochfrequenztechnik gefunden. Thomas Wallner von der Servicestelle Barrierefrei Arbeiten vermittelte den Kontakt zu Bernd Deutschmann und Wolfgang Bösch. Die beiden Institutsleiter luden Mark Hochrein zu einem Vorstellungsgespräch, an dem auch Helmut Paulitsch teilnahm: „Mir war sofort klar, dass Mark gut in unser Team passen würde. Er ist sehr interessiert an unseren Themen und unglaublich engagiert“, erklärt Hochreins Vorgesetzter. Das Projekt „Fakultät Inklusiv“ kannte Paulitsch vorher nicht, „aber Mark ist ein echter Glücksfall für uns. Ohne das Projekt wäre er wohl nicht zu uns gekommen.“
Barrieren überwinden, Chancen gestalten
Das Rektorat finanziert mit dem Projekt „Fakultät Inklusiv“ an jeder Fakultät Personalkosten für Menschen mit begünstigter Behinderung im Ausmaß einer Vollzeitstelle. Der Bewerbungsprozess wird von der Servicestelle Barrierefrei Arbeiten begleitet. „Ziel des Projekts ist es, Barrieren abzubauen und eine gleichberechtigte berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu ermöglichen“, erklärt Thomas Wallner.

Mark Hochrein war als technischer Angestellter bei verschiedenen Unternehmen in der Privatwirtschaft tätig. Seit September letzten Jahres arbeitet er in Teilzeit an der TU Graz, eine Woche am Institut für Elektronik, eine Woche am Institut für Hochfrequenztechnik. „Die Arbeit hier ist ein Traum!“, betont er. Vorab wird mit seinen Vorgesetzten eine To-do-Liste erstellt, diese wird prioritär abgearbeitet. „Ich war ja schon immer ein Techniker“, schmunzelt er, „für mich ist das Basteln auf höherem Niveau. Meine Chefs und Kolleg*innen unterstützen mich bestmöglich, und mir war es von Anfang an wichtig, offen mit meiner Erkrankung umzugehen.“ Am Institut für Hochfrequenztechnik arbeitet Hochrein selbstständig am Aufbau eines Forschungsradars. Und auch am Institut für Elektronik ist er in den alltäglichen Institutsbetrieb eingebunden, fertigt beispielsweise Bauteile, arbeitet im EMV-Labor an der Überprüfung der elektromagnetischen Verträglichkeit von elektronischen Komponenten oder unterstützt die hauseigene Werkstatt mit diversen Tätigkeiten. „Mark ist für uns perfekt“, unterstreicht Bernd Deutschmann, „wir haben einen hohen Bedarf an technischen Mitarbeitenden, und Mark ist menschlich und fachlich einfach super. Es sollte selbstverständlich sein, Personen mit einer Behinderung einzustellen“, so der Leiter des Instituts für Elektronik.
Leben auf der Überholspur
„Wenn man an einen Prozessor zu viele Informationen schickt, wird der Prozessor irgendwann heiß – und wenn er dann nicht abgekühlt wird, schaltet er auf Notbetrieb“, so beschreibt Mark Hochrein selbst seine Erkrankung, die 2016 mit einem Zusammenbruch das erste Mal in Erscheinung trat. Davor war sein Leben „immer am Zug, ich habe ständig unter Druck gearbeitet, mit vielen Überstunden. In meiner Freizeit war ich als Fahrer für die Rettung im Einsatz.“ Dann plötzlich ging nichts mehr, totale Erschöpfung und körperliche Schmerzen, Burn-out-ähnliche Zustände. Der Weg zur Erkenntnis, woran er leidet, dauerte viele Jahre. Hochrein musste lernen, sein Leben umzustellen und den Druck rauszunehmen. Mit den passenden Medikamenten und ärztlicher Unterstützung kann der Gleisdorfer nun gut mit seiner Erkrankung leben. „Das war ein langer Lernprozess und ich mache nun das, wo ich keinen Stress empfinde.“ Auch an seinen arbeitsfreien Tagen ist Mark Hochrein an der TU Graz umtriebig. Er studiert Elektrotechnik und lernt gegenwärtig für seine letzte Prüfung im Bachelorstudium. Denn „Lernen ist für mich kein Stress, sondern Entspannung“.
Mit dem Projekt „Fakultät Inklusiv“ werden an jeder Fakultät Personalkosten für Menschen mit begünstigter Behinderung – im Ausmaß einer Vollzeitkraft – zwei Jahre lang finanziert. Näheres im TU4U.
Diesen Beitrag und weitere Artikel zum Schmökern finden Sie in TU Graz people #93, dem Magazin für TU Graz-Mitarbeitende und Interessierte.