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10.08.2023 |

Von Birgit Baustädter

Wolfgang Richter liebt Wasser - schon immer. Heute beschäftigt er sich wissenschaftlich mit Pumpspeicherkraftwerken.

Wolfgang Richter. Bildquelle: Lunghammer - TU Graz

Der folgende Text ist ein wörtliches Transkript der Podcastfolge.

Talk Science to Me – der Wissenschaftspodcast der TU Graz

Herzlich Willkommen zurück bei Talk Science to Me, dem Wissenschaftspodcast der TU Graz. Ich bin Birgit Baustädter und mein Gast ist heute Wolfgang Richter, der sich am Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft mit Pumpspeicherkraftwerken befasst.

News+Stories: Lieber Wolfgang, herzlichen Dank, dass du heute mein Gast bist. Wir kennen uns schon aus mehreren Interviews. Deswegen würde ich gerne beim Du bleiben. Du forscht vor allem im Bereich Pumpspeicherkraftwerke. Die sind vor allem wegen der aktuellen Klimakrise und der Energiekosten-Krise sehr relevant. Könntest du mir als erstes als Einstieg erklären, was sind Pumpspeicherkraftwerke eigentlich?

Wolfgang Richter: Hallo Birgit, es freut mich sehr, dass ich heute hier sprechen darf über Pumpspeicherkraftwerke. Es sind leistungsstarke Leistungs- und Ausgleichskraftwerke, die wir seit über 100 Jahren insbesondere im Alpenraum gebaut haben. Und die für die Energiewende eine erneute Wichtigkeit aufweisen, um eben das Stromsystem stabil zu halten, um Energie speichern zu können. Weil wir ja gerade was die Sonne betrifft – Sonne- und Windkraft – da brauchen wir ein bisschen einen Ausgleich. Weil der Wind sehr fluktuiert, im Winter stärker wie im Sommer, wobei die Sonne im Sommer stärker ist, und wenn die Sonne untergegangen ist, dann sind wir meistens noch am Fernseher, am Abend wird gekocht, und dann braucht man sehr viel Strom. Und diesen Strom muss man dann durch Speicherkraftwerke hinzufügen und erzeugen. Und das passiert in Österreich hauptsächlich in Pumpspeicherkraftwerken.

Welche Vorteile haben da Pumpspeicherkraftwerke?

Richter: Die Pumpspeicherkraftwerke sind sehr effizient und sehr langlebig. Das sind die größten Vorteile. Sie haben eine Effizienz von circa 80 Prozent. Das heißt, man gibt Strom hinein, der wird dann hochgepumpt, über eine Pumpe, und dann über einen hydraulischen Weg, Wasserweg, in einen Speichersee, und umgekehrt aus dem Speichersee zurück über die Turbinen, wo Strom erzeugt wird. Und vor allem die Langlebigkeit, wenn die Anlagen über 100 Jahre in Betrieb sind, dann zeugt das davon, dass diese Betriebskosten sehr gering sind. Und vor allem gesellschaftlich einen großen Wert haben, da wir diese Anlagen einfach für immer haben.

Wie ist die Infrastruktur in Österreich, was die Pumpspeicherkraftwerke betrifft? Wie viele gibt es? Wie viel unseres Strombedarfs können wir abdecken momentan damit?

Richter: Also Österreich hat ungefähr 5.000 Megawatt installierte Pumpspeicherleistung. Wir haben circa 25 Anlagen. Die meisten sind sehr groß und sind eben im Alpenhauptkamm angeordnet.

Wie viel Potential haben wir da überhaupt noch?

Richter: Das Ausbaupotential der Pumpspeicherkraftwerke an sich ist sehr hoch. Man kann zu bestehenden Seen, Speicherseen, noch Leistung dazu bauen. Also das kann man auch machen, ohne dass man irgendetwas sieht. Ohne, dass irgendwelche Eingriffe sichtbar sind. Indem man neue Kavernen baut, indem man neue Triebwasserwege baut, um eben die Leistung zu erhöhen. Zusätzlich neue Speichermöglichkeit an Kilowatt-Stunden, an Arbeit, dazu werden auch derzeit neue Seen gebaut. Also es wird zum Beispiel in Tirol ein See mit 30 Millionen Kubikmetern neu gebaut, wo zusätzliche Energie gespeichert werden kann, aber auch Wasser. Das heißt, die Pumpspeicherkraftwerke, die in Österreich vorhanden sind, sind Kraftwerke, wo Wasser auch hinein fließt. Das sind keine geschlossenen Systeme, wie in anderen Ländern, wie in Deutschland zum Beispiel. Da sind das geschlossene Seen, wo kein Wasser, kein Bach zufließt. Während in Österreich in den meisten Anlagen eben Wasser zufließt. Und daher eben die Pumpspeicher auch für Primärenergieerzeugung genutzt werden können.

Du hast es schon kurz erwähnt: In Deutschland sind das geschlossene Systeme. Bei uns sind das Systeme, wo noch Wasser zufließt. Welche unterschiedlichen Arten von Pumpspeicherkraftwerken gibt es denn eigentlich?

Richter: Neben diesen Pumpspeicherkraftwerken mit und ohne Zufluss, also geschlossene Systeme und offene Systeme, gibt es große Unterschiede in der maschinellen Ausstattung der Anlage. Das heißt, das einfachste Prinzip, das alte Prinzip, ist die Pumpturbine. Das heißt, das sind reversible Francis-Turbinen, die auch in Pumpenrichtung betrieben werden können. Das ist eine Anlage, ein Gerät, das Pumpen und Turbinieren kann. Das ist grenzgenial. Dort kann auch der Generator einerseits als stromerzeugender Generator arbeiten, aber auch als Motor in die Pumpenrichtung. Das ist der Vorteil, dass diese eine Gerät sozusagen Strom speichern und Strom ausspeichern kann. Und man braucht sonst keine anderen Geräte dazu. Dann gibt es hier noch flexible Pumpturbinen, wo die Drehzahl geregelt werden kann, wo man die Pumpe sozusagen regeln kann. Das ist die Schwierigkeit, dass eine Pumpe meistens nur ein- oder ausgeschaltet werden kann. Während man Turbinen regeln kann. Turbinen kann man mit dem Leitapparat auf und zu machen. Da kann man den Durchfluss ändern. Allerdings bei den Pumpen ist das nicht so. Die macht man einfach ein, die haben keinen Regelapparat. Was man hier machen kann ist eben die Drehzahl zu ändern. Und dazu gibt es Frequenzumrichter, die die Drehzahl ändern können. Das sind sehr moderne Anlagen. Hier geschieht auch sehr viel Entwicklung. Da wird auch sehr viel Entwicklung an der TU Graz gemacht. Da gibt es verschiedene Institute, die daran beteiligt sind, an dieser Weiterentwicklung. Es gibt auch Pumpspeicherkraftwerke mit Kanehenmaschinensätzen, wo eben die Pumpe getrennt ist von der Turbine. Und der Generator, oder der Motorgenerator, der dazwischen sitzt oder darüber, diese Anlagen kommen zur Auswahl, wenn es sehr hohe Fallhöhen gibt. Weil diese Pumpturbine kann man nur maximal bis 650 Meter circa einbauen. Dann funktionieren die Francis-Maschinen einfach nicht mehr, dann muss man von der Fallhöhe wechseln in Pelton-Turbinen und kann Pelton-Turbinen aber nicht umgekehrt als Pumpen verwenden. Deswegen muss man hier eine Pumpe extra bauen, die eben diese Fallhöhe überwinden kann und das Wasser über 650 bis 1.200 /1.300 Meter und darüber pumpen kann.

So ein Pumpspeicherkraftwerk funktioniert ja jetzt so, dass ich Wasser, das auf einem tieferen Level liegt, hinauf pumpe in einen See, der höher liegt, dort speichere und bei Bedarf runter lasse und dadurch Strom generiere. Wie schnell kann das reagieren? Weil du gesagt hast, dass es die Unterschiede in der Sonneneinstrahlung, wie der Wind bläst und wie die Energieausbeute aus den sehr variablen Quellen ist, ausgleichen kann.

Richter: Die schnellsten Anlagen können in Österreich in bis zu 30 Sekunden zugeschaltet werden. Beziehungsweise sogar umgeschaltet werden von Turbinenbetrieb in Pumpbetrieb. Das sind sensationelle Geschwindigkeiten, die unerreicht mit anderen Kraftwerkstypen sind. Das heißt, die Netzfrequenz, die Black-Out-Sicherheit hängt sehr stark von dieser Leistung der Pumpspeicherkraftwerke ab. Und nebenbei auch diese schweren Generatoren, die dranhängen. Das ist eine sehr wichtige Schwungmasse im Energiesystem, um eben diese Frequenz von 50 Hertz, die wir haben, sehr stabil zu halten. Das ist eine der Hauptaufgaben der Pumpspeicherkraftwerke, neben der Speicherung von Energie an sich.

Ist der See irgendwann leer? Und ist das ganze Wasser irgendwann unten und dann muss ich wieder umschalten auf pumpen?

Richter: Es gibt große Seen, an denen Pumpspeicherkraftwerke hängen. Wie zum Beispiel der Lühner See in Vorarlberg. Der hat 80 Millionen Kubikmeter. Der wird dann auch als Jahresspeicher genutzt. Das heißt über die Saison, mit der Schneeschmelze wird diese Wassermenge natürlich auch zur Primärenergieerzeugung genutzt. Und dazwischen eben auch als Pumpspeicher, sodass die Wassermenge entleert wird, dann wieder befüllt wird, entleert wird, befüllt wird. Man kann sich das auch sensationell anschauen bei Webcams zum Beispiel beim Kaprun Speicher. Da sieht man beide Seen von der Webcam. Und kann sich hier auch in der Zeitreihe anschauen, wie funktioniert die Befüllung und Entleerung der beiden Seen. Aber es überlagert sich eben die saisonale Nutzung mit der täglichen Nutzung des Pumpspeicherbetriebs. Also ganz leer werden sie nicht. Es gibt einen Minimalpegel. Und der wird einmal im Jahr erreicht. Und bis dorthin wird eben die Energie verkauft. Das heißt, da gibt es Strategien, die intern der Energieversorger sich anschaut. Wann macht es am meisten Sinn, den Speicher zu entleeren, um eben die Energie zu verkaufen? Wann wird es am besten gebraucht? Das ist ein komplexer Mechanismus, der zwischen den Energieversorgern hier eine Rolle spielt.

Also nur weil die Pumpspeicher in Österreich sind heißt das nicht, dass alles, was bei uns aus der Stockdose kommt, nur aus der Wasserkraft kommt?

Richter: Das stimmt, ja. Strom hat kein Mascherl. Das wissen wir. Das Stromsystem ist so, dass das europäische Stromsystem eigentlich die größte und komplexeste Maschine ist, die die Menschheit je gebaut hat. Das heißt, wir haben zwischen Portugal und zwischen dem Nordkap bis in die Ukraine und UK ein gekoppeltes Stromsystem mit 50 Hertz. Und dazwischen fließt der Strom physikalisch, um eben in die Haushalte, in die Industrie jeden Tag zu jeder Sekunde sicher Energie liefern zu können.

Wir haben jetzt sehr viel darüber gesprochen, wie Pumpspeicherkraftwerke funktionieren. Ich würde gerne noch einmal einen Schritt zurückgehen und darüber reden, warum wir sie überhaupt brauchen. Wir haben schon über die Klimakrise und die Energiekosten-Krise erwähnt. Wie können Pumpspeicherkraftwerke bei der Lösung dieser Probleme unterstützen?

Richter: Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen, das wissen wir. Circa 73 Prozent aller CO2-equivalenten Emissionen sind auf Energie zurück zu führen. Das heißt, wenn wir die Energiesysteme-Transformation vorantreiben, indem man auf saubere, erneuerbare Energie umstellt, insbesondere zur eigenen Versorgung, das heißt, wenn Europa in diese Richtung geht, 100 Prozent erneuerbare Energien bereit zu stellen, um auch den gesamten Energiebedarf decken zu können, dann schaffen wir beide Dinge auf einmal. Das heißt, wir können die CO2-Emissionen aus der Verbrennung, auf das jetzt der Großteil der Energieversorgung beruht, minimieren, weil wir die Systeme elektrifizieren. Und durch die Elektrifizierung sparen wir die Energie. Das heißt, der größte Teil des Energieeinsparens, von dem immer die Rede ist, schaffen wir durch die Elektrifizierung. Zum Beispiel in Österreich werden derzeit jährlich circa 70 Terrawatt-Stunden Energie in den Autos verbrannt. Wenn wir die Autos elektrifizieren, dann brauchen wir nur noch 15 Terrawatt-Stunden. Anstatt die 70 Terrawatt-Stunden als fossile Brennstoffe zu importieren, müssten wir nur noch 15 Terrawattstunden erneuerbar erzeugen. Und sparen uns dadurch auch die Importkosten. Das heißt, wenn wir das aus Sonne und Wind herstellen, diese Energie, dann können wir die Mobilität gewährleisten und gleichzeitig dies sehr günstig bereitstellen. Und die Wertschöpfung bleibt dann im eigenen Land. Und, damit das eben auch funktioniert, durch Wind und Sonne, braucht es eben einen Ausgleich. Und dieser Ausgleich kann durch den Ausbau von Pumpspeicherkraftwerken gewährleistet werden, der dann auch als Asset hier in den Bergen, in Österreich zur Verfügung steht.

Welche geografischen Voraussetzungen braucht es denn eigentlich für ein Pumpspeicherkraftwerk? Also, müssen da Berge da sein?

Richter: Ja, üblicher Weise ist es schon so, dass sie große Fallhöhen, je größer, desto günstiger sind auch die spezifischen Kosten der Errichtung des Pumpspeicherkraftwerkes. Allerdings geht die Forschung schon auch in die Richtung, dass man vermehrt Kavernen nutzt. Das heißt, die Pumpspeicher sind nicht nur auf Berge angewiesen. Man kann sie auch im Flachland bauen, wenn man einen halbwegs guten Felsen hat, wo man eben Kavernen ausbricht. Es gibt schon ein Kavernenkraftwerk in Österreich, also eine Erweiterung eines Speichers im Nassfeld, dort wurden 200.000 Kubikmeter aus dem Fels gesprengt und konnten sehr günstig hier als Speicher errichtet werden. Das heißt, da sehe ich ein sehr großes Potential. Es gibt derzeit ein Projekt in Baden-Württemberg, das in den nächsten Jahren realisiert wird. Dort soll auch eine Pumpspeicherkraftwerkserweiterung durch Kavernen realisiert werden. Und ich sehe auch großes Potential, dass man in der Nähe von Städten Pumpspeicherkraftwerke bauen kann, die man dann komplett unterirdisch errichten kann. Das ist dann topografisch unabhängig.

An welchen Projekten arbeitest du gerade? Oder auch euer Institut? Die TU Graz?

Richter: Also die TU Graz arbeitet an sehr vielen Projekten. Vieles ist Auftragsforschung, was Projekte betrifft. Das ist bei uns auch so. Wir haben ein großes Wasserbaulabor, wo wir aus Plexiglas zum Beispiel große Modelle bauen. Die Modelle, die ich betreue und plane und durchführe sind jetzt Modelle für Wasserschlösser. Das heißt, man hat ja in den Triebwasserwegen große Wassermengen – 100, 200, 300 oder bis zu 800.000 Tonnen Wasser, die bewegt werden müssen. Man kann sich vorstellen, dass in 30 oder 90 Sekunden, in denen die Maschinen hochfahren, kann man nicht die 500.000 Tonnen Wasser bewegen. Und damit das aber funktioniert, alles was im Berg drinnen ist, braucht es eben zusätzlich hydraulische Anlagen, die wir auslegen, die wir testen. Das schaut von Anlage zu Anlage komplett unterschiedlich aus. Und dadurch, dass die auch nicht so oft gebaut werden, müssen sie im Laborversuch getestet werden, weil sie auch sicherheitsrelevant sind. Das heißt, da darf kein Wasser überschwappen, damit irgendwo Wasser auf eine Straße fließt oder irgendetwas gefährdet. Das muss gesichert funktionieren. Und das sind hydraulische Vorgänge, die sehr komplex sind. Die wir berechnen und auslegen. Und darin auch PhDs ausbilden, Studierende ausbilden und auch die Forschung vorantreiben. Also ich bin Bauingenieur. Wir forschen daran, wie Kavernenspeicher größer und besser gemacht werden können. Und vor allem auch an konkreten Projekten.

Wie schaut es denn aus im Wasserbaulabor?

Richter: Ja, wunderschön. Im Wasserbaulabor fließt das Wasser. Das ist sensationell. Wir haben da einen Wasserkreislauf und können da bis zu 1.000 Liter pro Sekunde fördern. Bauen Modelle auf. Das Labor, das wir in der Stremayrgasse haben, gibt es seit 1964. Also sehr lange. Und wurde auch für den Ausbau der Wasserkräfte in Österreich errichtet, um hier große Anlagen testen zu können. Damit man das eben sich im Versuch anschauen kann. Man kann in Flüssen schwer wieder etwas richten. Deshalb ist es wichtig, davor Modelle zu machen. Und dort bauen wir diese Modelle im Maßstab 1:25 bis 1:40 auf. 1:25 ist Playmobil-Größe, 1:40 ist Lego-Größe. Um dann auch mit Modellgesetzen die betreiben zu können, um eben auch den Durchfluss machen zu können und genau auf das zu schauen, was eben ausgelegt gehört, optimiert gehört und verbessert wird.

Aber ihr baut da nicht mit Lego?

Richter: Aber Lego-Männchen dazu zu stellen ist ganz gescheit, damit man sich den Größenunterschied vorstellen kann. Wir bauen mit Ziegeln, Plexiglas. Der Vorteil hier an der Universität ist, dass wir Werkstätten haben. Das heißt, es gibt eine Tischlerei. Wir haben eine sehr große Kompetenz in der Bearbeitung von Plexiglas, damit man das auch mit größeren Drücken beaufschlagen kann. Und auch komplexere, 3-dimensional gebogene Strukturen fertigen kann. Und die bei größeren Drücken gut bearbeiten und betreiben kann.

Wie war dein eigener Weg in diesen Forschungsbereich?

Richter: Ich bin ja aufgewachsen in den Tiroler Bergen und habe schon als kleiner Bub sehr gerne am Wasser gespielt. Das heißt, die Faszination des Wassers liegt mir sehr am Herzen. Und habe dann Bauingenieurswesen in Innsbruck studiert. Und bin hier dann in der Vertiefung zur Wasserkraft gekommen und habe ein Praktikum gemacht bei der Tiroler Wasserkraft, wo ich auch sehr inspiriert war, von der Herangehensweise der Bearbeitung der Projekte und vor allem Dingen, hier mit der Möglichkeit an der TU Graz, mich an den Hochdruckanlagen weiterbilden zu können und zu dürfen. Und sehr viele spannende Projekte bearbeiten zu dürfen.

Du hast schon erwähnt, die Verbindung zum Wasser war schon in deiner Kindheit gegeben. Ist da heute auch noch etwas in deiner Freizeit, das dich mit der Wasserkraft verbindet?

Richter: Ich habe zum Beispiel zu meiner Promotion ein großes Stand-Up-Paddel geschenkt bekommen und damit habe ich eine große Freude. Da hat die ganze Familie Platz. Auf dem kann man dann auf die Sobot, auf den Sobot-Stausee gehen und dort Runden paddeln. Und das ist zum Beispiel ein Oberbecken eines Pumpspeicherkraftwerkes. Und das freut mich jedes Mal, dass man sieht, dass man eben ein Pumpspeicherkraftwerk auch kombinieren kann mit Freizeitaktivitäten. Dass man ein Pumpspeicherkraftwerk nicht nur zur Energienutzung verwendet. Sondern, dass man sie zur Freizeitgestaltung nutzt, dass man Wasser speichert und, dass sie in die Landschaft integriert werden können, damit sie nicht nur den Zweck der Energieversorgung decken können, sondern letztlich für alle Leute da sind.

Kannst du es nachvollziehen, dass es immer wieder Gegenwehr gibt, gegen Kraftwerks- und Stauseeprojekte?

Richter: Ja, natürlich. In Tirol sagt man ja auch: Das ist unser Wasser! Da kommen Emotionen hoch beim Wasser. Das ist ganz verständlich. Deswegen ist es auch wichtig, dass man da sehr pragmatisch vorgeht und sehr bedachtvoll die Projekte plant, die Projekte durchführt. Und dann auch immer aufzeigt, dass niemand zu schaden kommt und, dass man bestmöglich auf die Natur achtet. Was mittlerweile Stand der Technik ist. Man kann hier nicht einfach drüber fahren, es ist notwendig, dass man die hochsensiblen Böden im hochalpinen Raum schützt, die werden auf die Seite gegeben und danach wieder aufgetragen. Klar, man verliert eine gewisse Fläche an den See an sich. Aber es gibt immer Ausgleichsmaßnahmen. Und die werden immer besser durchgeführt.

Wie verbringst du eigentlich deinen Forschungsalltag? Also, du hast schon übers Wasserbaulabor gesprochen? Verbringst du dort viel Zeit? Sitzt du mehr vor dem Computer? Am Papier? Wie tust du?

Richter: Also die Forschungsarbeit in erster Linie ist schon am Computer. Wir haben unsere Büros sehr nahe am Labor. Das heißt, wir müssen einfach durch die Türe durch. Man kann sehr schnell ins Labor gehen, wenn Modelle laufen kann man dann gleich die Messungen durchführen und die Planung am Computer machen, die Modelle beobachten, die Studierenden betreuen, die bei uns auch im Labor ihre Masterarbeiten durchführen können. Das ist ein großer Vorteil an der Ausbildung an der Technischen Universität Graz, dass die Studierenden direkt vor Ort an den Experimenten arbeiten können. Von dem her ist meine Arbeit hier sehr vielfältig. Es gibt internationale Kongresse, wo ich auch sehr gerne teilnehme und den Austausch suche, zu anderen Forschungsdisziplinen, um hier das Gesamtsystem zu verstehen, um hier die Forschung so voran zu treiben, dass wir diesen Teilaspekt der Pumpspeicherkraftwerke bestmöglich in das Energiesystem integrieren können.

Welche Potentiale siehst du an der TU Graz, die noch weiterentwickelt werden können?

Richter: Also das, was mir aufgefallen ist in den letzten 12 Jahren, die ich hier an der TU Graz, am Institut arbeite ist, dass hier sehr großes Potential in der Interdisziplinarität sehe. Und vor allen Dingen in der Goldader, dass die PhDs und Masterstudierenden auch fachübergreifend betreut werden können und sollten. Dazu gibt es jetzt auch das Research Center Energetic, interdisziplinär große Forschungsprojekte durchgeführt werden können.

Was sind denn für dich im Momente die drängendsten und zentralsten Forschungsfragen im Bereich Wasserkraft und Pumpspeicherkraftwerke?

Richter: Also die Forschung hat hier letztlich nie ein Ende, weil eine Verbesserung der Anlagen stets gegeben ist. Und dann gibt es letztlich auch die Alterung der Anlagen. Wie gesagt, die ältesten Pumpspeicheranlagen sind schon über 100 Jahre alt. In Österreich bald 100 Jahre. Das heißt, hier gibt es ständig Forschungsbedarf. Dann gibt es auch die interdisziplinäre Forschung, dass die Pumpspeicherkraftwerke womöglich auch kombiniert werden können mit Wärmespeicherung. Dass man die Untertage-Pumpspeicher mit den Kavernen kombinieren kann, dass man in den Kavernen, in dem geschlossenen Pumpspeichersystem das Wasser über die Saison auch aufwärmen kann, um hier einen kombinierten saisonalen Speicher zur Verfügung zu stellen auch. Das ist ein Forschungsbereich, mit dem wir uns beschäftigen. Und vor allem Dingen werden die Anlagen immer größer, leistungsfähiger und das birgt immer neue Herausforderungen, was die Kräfte betrifft und die Auslegung der Anlagen an sich.

Wenn du jetzt jegliche Möglichkeiten offen hättest, wenn Geld keine Rolle spielen würde, wenn du in der Forschung einfach drauflos forschen könntest und Themen bearbeiten, die für dich wirklich zentral und wichtig sind – was würdest du dann machen?

Richter: Ich könnte mir vorstellen, dass man eine große Halle baut. Und in diese Halle würde man dann ein Modell von ganz Europa aufstellen. Und in diesem Modell könnte es dann auch regnen, man hätte die Alpen geformt, könnte die Flüsse nachbilden, das gesamte Energiesystem nachbilden. Man könnte hier anschaulich darstellen, wie kann ein erneuerbares gesamteuropäisches Energiesystem aussehen? Wo man Wind erzeugen kann, wo man Sonne simulieren kann, wo man Stromkabel legen kann, wo man eben das gesamte System mit Freude anschaulich darstellen und wirklich an der Energiezukunft arbeiten kann. Jetzt sind wir auf Simulationen angewiesen. Das ist sehr gut und sehr wichtig. Aber eine Traumvorstellung wäre eben eine so große Halle mit ganz Europa drinnen.

Hast du eigentlich früher gerne mit Modellen und Lego gespielt?

Richter: Ja, auf jeden Fall. Sehr gerne in der Kindheit mit Lego und Playmobil. Und auch mitnehmen zum Bacherl und das reinschmeißen. Und am Bacherl spielen mit dem Playmobil war natürlich immer ein Highlight.

Danke für das Interview!

Richter: Danke Birgit! Hat mich sehr gefreut.

Vielen Dank, dass ihr uns heute zugehört habt. In der nächsten Folge wird Merit Bodner meine Fragen beantworten. Sie forscht vor allem an der Alterung von Brennstoffzellen.