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„Ein Tunnel ist kein Luftkurort“

24.01.2023 | Planet research | FoE Mobility & Production

Von Susanne Filzwieser

Daniel Fruhwirt von der TU Graz erklärt, was die schlechte Luft im Tunnel verursacht, wie Frischluft in Tunnelanlagen kommt und wie „Smoke Management“ sichere Fluchtwege im Brandfall ermöglicht.

Dass die Luft in Tunnelanlagen atembar ist und im Brandfall Fluchtwege rauchfrei bleiben, ist zentrales Forschungsziel von Daniel Fruhwirt. Bildquelle: Lunghammer - TU Graz.

News+Stories: Gleich vorweg: Kann ich im Tunnel guten Gewissens tief durchatmen?

Daniel Fruhwirt: Ja, die Luft im Tunnel erfüllt grundsätzlich alle Anforderungen zum tief durchatmen. Dennoch ist ein Tunnel natürlich kein Luftkurort! Wie bei fast allen Schadstoffen macht die Menge das Gift. Bei dauerhaftem Einatmen von schadstoffreicher Luft kommt es auch zu Langzeiteffekten. Das kennt man ja aus urbanen Gebieten, in denen die Luftqualität schlecht ist und dadurch die Lebenserwartung geringer ist als in anderen Regionen.

Tunnel haben ja Lüftungsanlagen. Warum genau braucht es die?

Fruhwirt: Es geht erstens um die Erhaltung einer ausreichenden Luftqualität, für eine möglichst geringe Schadstoffbelastung und auch für eine möglichst gute Sichtweite. Zweitens können wir mit der Lüftungsanlage die Rauchausbreitung im Tunnel im Brandfall beeinflussen und so möglichst günstige Fluchtbedingungen schaffen.

Also wenn es im Tunnel brennt, wird der Rauch gezielt aus den Fluchtbereichen weggepustet?

Fruhwirt: Bei einem Brand entstehen große Mengen an Rauchgasen. Deren Wirkung kann toxisch sein oder sie hemmen die Sauerstoffaufnahme über die Lunge. Wenn wir Menschen diesen Gasen zu lange bzw. in zu hohen Konzentrationen ausgesetzt sind, ist uns eine Flucht unmöglich. Es braucht also im Tunnel sichere, rauchfreie oder zumindest raucharme Bereiche. Das schaffen wir mit dem sogenannten Smoke Management mittels mechanischer Lüftungsanlagen.

Welche Schadstoffe entstehen in einem Tunnel? Und wie gefährlich sind die für den Menschen?

Fruhwirt: Die Schadstoffe entstehen ja nicht nur im Tunnel, sondern generell durch den Verkehr, das heißt durch die Verbrennung von Diesel oder Benzin in den Motoren. Da entstehen primär Kohlendioxid und Stickoxide, aber auch Nebenprodukte wie Kohlenmonoxid. Ins Spiel kommen dann noch Schadstoffe durch den Abrieb von Reifen oder Bremsen. Diese non-exhaust particel emissions beinhalten Schwermetalle, Gummiabrieb, also Mikroplastik, aber auch sogenannte volatile organische Verbindungen bzw. gasförmige Substanzen durch Abdampfungsprozesse. Da die Schadstoffe im Tunnel grundsätzlich ausreichend verdünnt werden, besteht keine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit und das Leben. Um das zu gewährleisten, wird die Luftgüte im Tunnel permanent überwacht und im Bedarfsfall werden Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte gesetzt.

Warum ist die Luft im Tunnel so viel schlechter als außerhalb?

Fruhwirt: Weil die Schadstoffe in Tunnelanlagen wesentlich weniger verdünnt werden, sodass im Allgemeinen höhere Schadstoffkonzentrationen auftreten als an Freistrecken. Überschreiten die Konzentrationen die gültigen Grenzwerte, muss entweder die Durchlüftungsrate erhöht werden, durch Aktivierung zusätzlicher Lüfter, oder im Extremfall der Tunnel vorübergehend gesperrt werden. Diese Problematik war früher deutlich markanter ausgeprägt, da die nun gültigen EU-Abgasnormen die Emissionen der Fahrzeugflotte doch deutlich reduziert haben. Dennoch kann es vor allem bei langen Straßentunneln, die im Gegenverkehr betrieben werden, also wo Verkehr in beide Richtungen in einer Tunnelröhre abgewickelt wird, nach wie vor je nach Verkehrsaufkommen zu unzulässigen Schadstoffkonzentrationen kommen.

Wie kommt frische Luft in den Tunnel? Und wie werden Schadstoffe entfernt?

Fruhwirt: Einerseits bringen die Fahrzeuge durch ihre Druck- und Sogwirkung bereits Frischluft mit in den Tunnel. Da sprechen wir von verkehrinduzierter Luftströmung. Bei viel Verkehr und langen Tunneln muss die eingebrachte Frischluftmenge aber mit mechanischen Lüftungssystemen erhöht werden. Dieser Luftstrom „entfernt“ die Schadstoffe. Hier unterscheidet man zwischen Zuluftsystemen – Frischluft wird eingebracht – und Abluftsystemen – Abluft wird abgesaugt. Schlussendlich haben beide Systeme das gleiche Ziel, nämlich gute Luftqualität und die Schaffung sicherer Bereiche.

Welche Funktion haben die großen Ventilatoren an der Tunneldecke?

Fruhwirt: Die Ventilatoren an der Tunneldecke wandeln elektrische Energie in Strömungsenergie. Die von diesen Strahlventilatoren angesaugte Luft wird massiv beschleunigt. Dies hat zur Folge, dass durch das Moment dieser Austrittsströmung auch die restliche Luft im Tunnel in Bewegung gesetzt wird. Die Tunnelluft strömt dann in die freie Umgebung. Wenn schadstoffreiche Luft aus dem Tunnel strömt, strömt an anderer Stelle Frischluft nach, zum Beispiel am Einfahrtsportal. Dadurch erreicht man die notwendige Verdünnung der Schadstoffe und im Brandfall das Austreiben der Rauchgase aus dem Tunnel.

Was passiert mit der Luft im Tunnel, wenn ein Stau entsteht?

Fruhwirt: In Stausituation befinden sich verhältnismäßig viele Fahrzeuge zur gleichen Zeit in einem Tunnel. Dadurch erhöht sich der Ausstoß von Schadstoffen. Das bedeutet, dass damit einhergehend auch der Frischluftbedarf steigt und mit großer Wahrscheinlichkeit die Tunnellüftung aktiviert oder deren Leistung erhöht werden muss.

Wo im Tunnel ist die Luft am schlechtesten?

Fruhwirt: Das hängt stark mit der Tunnelgeometrie sowie dem vorhandenen Lüftungssystem ab. Bei einer klassischen Längslüftung mit Strahlventilatoren liegt die höchste Schadstoffkonzentration am Ausfahrtportal vor. Bei Querlüftungssytemen hängt dies von vielen Faktoren ab und kann auch irgendwo im Tunnel sein. Durch die permanente Überprüfung der Luftqualität wird aber sichergestellt, dass es nirgends zu unzulässigen Bedingungen kommt.

Tunnelluft ist grundsätzlich atembar. Bei einer kurzen Durchfahrt durch den Tunnel ist neben dem vielleicht unangenehmen Geruch der Abgase mit keinen nennenswerten Beeinträchtigungen zu rechnen. Um den Geruch zu vermeiden, einfach die Fahrzeuglüftung für die Dauer der Durchfahrt auf Umluft schalten.

Wie schütze ich mich im Auto am besten vor schlechter Luft im Tunnel?

Fruhwirt: Wie gesagt, die Tunnelluft ist grundsätzlich atembar. Bei einer kurzen Durchfahrt durch den Tunnel ist neben dem vielleicht unangenehmen Geruch der Abgase mit keinen nennenswerten Beeinträchtigungen zu rechnen. Um den Geruch zu vermeiden, kann einfach die Fahrzeuglüftung für die Dauer der Durchfahrt auf Umluft geschalten werden. In städtischen Gebieten führt das Fahren im Verkehr jedoch ebenfalls zur erhöhten Exposition gegenüber den verkehrsbedingten Schadstoffen. Da gibt es aussagekräftige Studien zur Schadstoffbelastung, wenn man anderen Fahrzeugen hinterherfährt.

Wie hält das Tunnelbauwerk selbst die Luftschadstoffe aus?

Fruhwirt: Dem Tunnelbauwerk sind die Schadstoffe mehr oder weniger egal. Dennoch werden Tunnel regelmäßig gereinigt, um den an Tunnelwänden und Einbauten, etwa auch an den Beleuchtungskörpern angehafteten Schmutz zu entfernen.

Das Sicherheitsniveau der Tunnel in Österreich zählt auch bezogen auf die Luftqualität im Vergleich sicher zu den höchsten weltweit.

Jetzt haben wir in Österreich ja ziemlich gute Tunnelanlagen. Sind Tunnel weltweit so gut belüftet wie hier?

Fruhwirt: Es gibt weltweit unterschiedliche Strategien bezogen auf die Belüftung von Tunnelanlagen. Das Ziel einer ausreichenden Luftqualität im Tunnel existiert jedoch überall. In Europa gibt es minimale Anforderungen an die Belüftung von Tunnel, die in einer EU-Direktive aus dem Jahr 2004 festgehalten wurden. Alle Länder der EU sind verpflichtet diese Vorgaben einzuhalten, sodass generell davon ausgegangen werden kann, dass Tunnelanlagen der EU im höherrangigen Straßennetz über ein ansprechendes Lüftungssystem verfügen. Das Sicherheitsniveau der Tunnel in Österreich zählt auch bezogen auf die Luftqualität im Vergleich sicher zu den höchsten weltweit.

Wie ist das bei Tiefgaragen? Ähnlich wie bei Tunnelanlagen?

Fruhwirt: Tiefgaragen sind ein eigenes Kapitel. Viele werden natürlich, also ohne mechanische Belüftung entlüftet. Und wenn eine mechanische Lüftung vorhanden ist, ist diese deutlich weniger leistungsstark als in Tunnelanlagen. Aber auch in Tiefgaragen wird Sensorik verbaut, um unzulässige Schadstoffkonzentrationen zu detektieren. Ein Beispiel sind Kohlenmonoxid-Warner.

Wir arbeiten daran, die Sicherheit der Tunnelanlagen auch bei der vermehrten Nutzung durch Fahrzeuge mit alternativen Antrieben auf zumindest gleich hohem Niveau zu halten.

Woran arbeiten Sie in Sachen Luft im Tunnel?

Fruhwirt: Aktuell arbeiten wir im Fachbereich Verkehr und Umwelt am Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme daran, die Sicherheit der Tunnelanlagen auch bei der vermehrten Tunnelnutzung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben auf zumindest gleich hohem Niveau zu halten. Wir haben laufende Forschungsprojekte zur Evaluierung sicherheitskritischer Fragen bezogen auf Brennstoffzellen-Fahrzeuge, die auf Basis von Wasserstoff funktionieren. Zudem wollen wir unsere Aktivitäten zum Thema toxische Gase bei Bränden von Batterie-elektrisch betriebenen Fahrzeugen im Tunnel ausweiten (Brandversuche zeigen: Österreichs Tunnel sind fit für E-Autos). Das soll unter anderem auch innerhalb des universitären Unite! Netzwerks geschehen, dem die TU Graz nun angehört.

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Kontakt

Daniel FRUHWIRT
Dipl.-Ing. Dr.techn. BSc
Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme
Fachbereich Verkehr und Umwelt
Tel.: +43 316 873 30191
fruhwirtnoSpam@tugraz.at