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Das Herz auf einem Mikrochip

08.02.2024 | Planet research | FoE Human & Biotechnology

Von Birgit Baustädter

Das Herz kann nicht nur als Gesamtorgan, sondern auch auf Basis von gezüchteten Herzmuskelzellen mittels Mikroelektroden-Arrays untersucht werden. An der TU Graz widmet man sich mehreren Fragestellungen.

Forschende am Institut für Health Care Engineering mit Europaprüfstelle für Medizinprodukte der TU Graz widmen sich in ihrer Arbeit unter anderem dem menschlichen Herzen. Sie nutzen dabei eine spezielle Technologie, die eine nicht-invasive Untersuchung der Herzaktivität in einer Petrischale mittels Mikrochip zulässt:

Mikroelektroden-Arrays

Mikroelektroden-Arrays (MEAs) bestehen aus mehreren, nahe beieinander liegenden Mikroelektroden. Sie können auf der Oberfläche einer Petrischale angebracht und mit hochauflösender Messelektronik verbunden werden. Dabei sind dank unterschiedlicher Technologien mehrere hundert bis zu einigen tausend Elektroden auf nur einem Quadratmillimeter möglich. Diese Arrays können sowohl die Herzzellen stimulieren, als auch Messungen vornehmen.

Ein Mikroelektroden-Array mit darauf kultivierten Herzmuskelzellen (mit BioRender.com erstellt).
 

Um Herzaktivitäten zu simulieren, werden auf diesen Petrischalen Herzmuskelzellen kultiviert. Sie verbinden sich in wenigen Tagen zu einer dichten Zellschicht und bilden spezielle Schrittmacherzellen aus, die periodisch elektrische Signale an die Zellen in ihrer Umgebung aussenden. Diese als Aktionspotential genannten Signale verändern das Zellmembranpotential in mehreren Phasen: In der sehr schnellen Depolarisationsphase strömen positive Natriumionen in die Zelle – das Zellmembranpotential erhöht sich. In der Plateauphase strömen positiv geladene Kalziumionen aus der Zelle aus. Und während der abschließenden Repolarisationsphase strömen schließlich positiv geladene Kaliumionen aus der Zelle aus und das Potential kehrt zum ursprünglichen Ruhemembranpotential zurück. Dieses Signal wird üblicherweise mit Patch-Clamp-Messungen erfasst, bei denen spitze Pipetten in Zellen eingeführt und so die Potentialänderungen gemessen werden.

Phasen des Aktionspotentials einer Herzmuskelzelle (mit BioRender.com erstellt).

Messungen des Aktionspotentials mittels MEA-Elektroden

Im Gegensatz zu dieser invasiven Methode können MEA-Elektroden die Signale auch in Form eines extrazellulären Feldpotentiales an der Oberfläche der Zelle messen. Löst eine Herzmuskelzelle ein Aktionspotential aus, dann breitet es sich über die kultivierte Zellschicht in der Petrischale aus und aktiviert die benachbarten Zellen ebenfalls – sie ziehen sich ähnlich wie bei einem natürlichen Herzschlag zusammen. Das Elektrodenarray misst diese Ausbreitung der Aktivität über das Messfeld hinweg. Da die Zellen während der Messung nicht beschädigt werden, kann der Verlauf der Aktivität in der Zellkultur über mehrere Tage bis hin zu Wochen lang gemessen werden.

Vor allem für Untersuchungen im Bereich der Arrhythmie, für Medikamententests oder die Erforschung der Auswirkungen neuer Wirkstoffe ist die MEA-Technologie geeignet.

Untersuchungen bei Arrhythmie des Herzens

Herzschädigungen, Stress oder Ischämie können den periodischen Herzrhythmus stören und zu arrhythmischen Kontraktionen führen, die wiederrum schwere und sogar lebensbedrohliche Folgen haben können. Das Herz selbst verfügt über unterschiedliche Mechanismen, um den Herzrhythmus wieder zu stabilisieren. Einer davon ist die sogenannte Overdrive Suppression, die ausgelöst wird, wenn Herzzellen mit Frequenzen stimuliert werden, die höher als ihre intrinsische Schlagfrequenz sind. Weil die intra- und extrazellulären Ionenkonzentrationen zwischen den Stimuli wegen der hohen Frequenz nicht wieder auf ein normales Niveau zurückkehren können, kommt es zu einer vorrübergehenden Pause der elektrischen Aktivität. Diese Stimulation kann von MEAs simuliert und ihre Folgen erforscht werden. Unterschiedliche Stimulationsprotokolle beeinflussen dabei die Länge der Aktivitätspause, abhängig von Dauer, Intensität und Anzahl der Stimuli.

Messung des Overdrive Suppression-Effekts nach der Stimulation von Herzmuskelzellen. Die roten Linien markieren den Zeitpunkt der Stimulation und der rote Pfeil zeigt die charakteristische Pause nach der Stimulation.
 

Diese Forschungsaktivitäten werden gemeinsamen mit dem Institut für Health Care Engineering mit Europaprüfstelle für Medizinprodukte der TU Graz (Daniel Ziesel, Sonja Langthaler, Theresa Rienmüller, Christian Baumgartner), der Abteilung für Medizinische Physik und Biophysik (Brigitte Pelzmann, Klaus Zorn-Pauly) und der Klinischen Abteilung für Pädiatrische Kardiologie der Medizinischen Universität Graz (Daniela Baumgartner, Hannes Sallmon) durchgeführt.

Kontakt

Christian BAUMGARTNER
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn.
Institut für Health Care Engineering mit Europaprüfstelle für Medizinprodukte
Tel.: +43 316 873 7377
christian.baumgartnernoSpam@tugraz.at