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Die Entwicklung von Open Access – oder warum Open Access nicht gleich Open Access bedeutet

Von Michaela Zottler | 06.06.2025

Open Access bedeutet nicht immer dasselbe. Je nach verwendeter Definition gibt es kleine, aber relevante Unterschiede. Hier erklären wir, welche Open-Access-Deklarationen es gibt, und wie sie sich mit der Zeit entwickelt haben.

Das Konzept von Open Access erscheint auf den ersten Blick unkompliziert: freier Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen für alle. Dennoch bedeutet Open Access nicht immer exakt dasselbe. Je nach verwendeter Definition gibt es kleine, aber relevante Unterschiede. Die TU Graz beruft sich beispielweise – wie viele andere Institutionen – auf die sogenannte "Berlin Declaration on Open Access". Daneben existieren aber auch noch frühere Open-Access-Erklärungen. Wie Open Access in den einzelnen Deklarationen definiert ist und wie das Konzept dahinter sich entwickelt hat, klären wir in diesem Blogbeitrag.

Der Ursprung von Open Access

Für die wissenschaftliche Kommunikation wurden seit dem 17. Jahrhundert bekanntermaßen Zeitschriften genutzt. Durch die technologischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts kamen jedoch weitere Möglichkeiten zur Dissemination von Forschungsergebnissen hinzu. Zuerst begannen Forschende, sich wissenschaftliche Artikel per Mail zu schicken. Danach folgten die ersten Preprint-Server wie arXiv, über die auch heute noch Papers veröffentlicht werden, bevor sie in Zeitschriften erscheinen. Die Preprint-Kultur wird allgemeinhin als Grundlage oder Vorreiter von Open Access gesehen.

Die konkrete Entstehung von Open Access ist zwei etwa gleichzeitig stattfindenden Entwicklungen ab den 1990er Jahren zuzuschreiben: einerseits dem erleichterten Internetzugang, andererseits den für naturwissenschaftlich-technische Bibliotheken immer unerschwinglicheren Lizenzgebühren für wissenschaftliche Zeitschriften. Diese stellten den Ausgangspunkt für die sich formierende Open-Access-Bewegung dar, die nun einen freien Zugang zu Forschungsergebnissen für alle forderte. Diese Forderung wurde schließlich in unterschiedlichen Statements Anfang der 2000er Jahre formuliert: in der Budapest Open Access Initiative, dem Bethesda Statement of Open Access Publishing und der Berlin Declaration on Open Access.

Budapest Open Access Initiative

Die Budapest Open Access Initiative (kurz BOAI) war eine interdisziplinäre Initiative europäischer und amerikanischer Forschender im Jahr 2002. Darin ist Open Access folgendermaßen definiert:

"By "open access" to this literature, we mean its free availability on the public internet, permitting any users to read, download, copy, distribute, print, search, or link to the full texts of these articles, crawl them for indexing, pass them as data to software, or use them for any other lawful purpose, without financial, legal, or technical barriers other than those inseparable from gaining access to the internet itself. The only constraint on reproduction and distribution, and the only role for copyright in this domain, should be to give authors control over the integrity of their work and the right to be properly acknowledged and cited." (https://www.budapestopenaccessinitiative.org/read)

Zusätzlich empfahlen die Forschenden für die Umsetzung die Selbstarchivierung der Papers und den Aufbau von alternativen Fachzeitschriften, die zu Open Access verpflichtet sind. Eine Publikation in kostenpflichtigen Zeitschriften wird nach der BOAI ebenso als legitim angesehen, solange es eine frei zugängliche Online-Version gibt. Ein Artikel mit Embargo-Frist hingegen wird nicht als Open Access gewertet. Hinzu kommt, dass nur Open-Access-Literatur gefördert werden soll, die einen Peer-Review-Prozess durchlaufen hat, oder die vor einem geplanten Peer Review auf Preprint-Servern veröffentlicht wurde.

Bethesda Statement of Open Access Publishing

Die Urheber*innen des Bethesda Statements waren die 24 Teilnehmenden des Meetings des Howard Hughes Medical Institutes im Jahr 2003. Sie definieren Open Access folgendermaßen:

"An Open Access publication is one that meets the following two conditions:

  1. The author(s) and copyright holder(s) grant(s) to all users a free, irrevocable, worldwide, perpetual right of access to, and a license to copy, use, distribute, transmit and display the work publicly and to make and distribute derivative works, in any digital medium for any responsible purpose, subject to proper attribution of authorship, as well as the right to make small numbers of printed copies for their personal use.
  2. A complete version of the work and all supplemental materials, including a copy of the permission as stated above, in a suitable standard electronic format is deposited immediately upon initial publication in at least one online repository that is supported by an academic institution, scholarly society, government agency, or other well-established organization that seeks to enable open access, unrestricted distribution, interoperability, and long-term archiving (for the biomedical sciences, PubMed Central is such a repository)."

(https://legacy.earlham.edu/~peters/fos/bethesda.htm)

Das Bethesda-Statement baut auf der BOAI auf und geht darauf ein, wie Nutzer*innen Open Access praktisch umsetzen sollen. Außerdem fordert es – im Gegensatz zur BOAI – explizit einen unbegrenzten derivativen Gebrauch sowie Lizenzen für Open-Access-Publikationen. Einen weiteren wichtigen Unterschied zur BOAI stellt die Form des Zugangs zur Publikation dar: Veröffentlichungen – egal ob Gold oder Green Open Access – müssen in Repositorien abgelegt werden, um nach dem Bethesda Statement als Open Access zu gelten.

Berlin Declaration on Open Access

Die Berliner Deklaration wurde 2003 im Rahmen einer Konferenz in Berlin beschlossen und stand unter der Schirmherrschaft der Max-Plank-Gesellschaft. Die 19 Initiativmitglieder waren deutsche und internationale Forschungsorganisationen. Die Berlin Declaration on Open Access greift frühere Definitionen von Open Access – teils wörtlich – auf:

"Open access contributions must satisfy two conditions: The author(s) and right holder(s) of such contributions grant(s) to all users a free, irrevocable, worldwide, right of access to, and a license to copy, use, distribute, transmit and display the work publicly and to make and distribute derivative works, in any digital medium for any responsible purpose, subject to proper attribution of authorship (community standards, will continue to provide the mechanism for enforcement of proper attribution and responsible use of the published work, as they do now), as well as the right to make small numbers of printed copies for their personal use.

A complete version of the work and all supplemental materials, including a copy of the permission as stated above, in an appropriate standard electronic format is deposited (and thus published) in at least one online repository using suitable technical standards (such as the Open Archive definitions) that is supported and maintained by an academic institution, scholarly society, government agency, or other well-established organization that seeks to enable open access, unrestricted distribution, interoperability, and long-term archiving." (https://openaccess.mpg.de/Berliner-Erklaerung)

Im Unterschied zur BOAI und dem Bethesda Statement bezieht die Berliner Deklaration einerseits das kulturelle Erbe mit ein (in Archiven, Bibliotheken und Museen verwahrtes Kulturgut) und berücksichtigt zudem Forschungs- und Metadaten.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Die drei Definitionen unterscheiden sich leicht voneinander, dennoch weisen sie dieselben Grundzüge auf. Sie fordern einerseits einen kostenfreien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen für alle Personen mit Internetzugang, andererseits die Erlaubnis zur freien Nutzung für alle rechtlich und ethisch respektablen Zwecke.

Die Erklärungen unterscheiden sich jedoch dahingehend, welche Formen von Publikationen tatsächlich als Open Access gelten. Berlin bezieht hier Forschungs- und Metadaten mit ein, Budapest und Bethesda nur die wissenschaftlichen Publikationen selbst. Denn in den beiden Erklärungen wird nur von „literature“, „articles“ oder „work“ gesprochen. BOAI und das Bethesda Statement schließen zudem explizit Embargofristen aus: Bei einer Veröffentlichung in einem kostenpflichtigen Medium muss die Open-Access-Publikation zeitgleich erfolgen, um als solche anerkannt zu werden. BOAI schließt zudem auch Preprint-Versionen ohne Peer Review aus.

Fazit – Die Entwicklung von Open Access

Betrachtet man die drei Erklärungen chronologisch, ist eine Entwicklung der Open-Access-Definition zu erkennen. Der Begriff beginnt sich ausgehend von der Budapester Initiative über das Bethesda Statement bis zur Berliner Deklaration langsam auszuweiten.

Die erste der Erklärungen – BOAI – beschränkt Open Access Preprints noch, indem sie nur Artikel einschließt, die zukünftig einem Peer Review unterzogen werden. Bethesda und danach Berlin nehmen eine solche Einschränkung nicht mehr vor. Beide inkludieren einen unbegrenzten derivativen Gebrauch bei Open-Access-Publikationen, BOAI erwähnt einen solchen noch nicht. Die Berliner Deklaration als zeitlich letzte der drei erweitert den Begriff schließlich auf kulturelles Erbe und Metadaten von Forschungsergebnissen und sieht – im Gegensatz zur BOAI und dem Bethesda Statement – auch vom Ausschluss von Embargo-Fristen ab.

Die Berlin Declaration on Open Access kann daher als der (zumindest vorläufige) Endpunkt einer Entwicklung zu einer inklusiveren Definition von Open Access gesehen werden.

Links

Budapest Open Access Initiative: https://www.budapestopenaccessinitiative.org/read

Bethesda Statement of Open Access Publishing: https://legacy.earlham.edu/~peters/fos/bethesda.htm

Berlin Declaration on Open Access: https://openaccess.mpg.de/Berliner-Erklaerung

 

Michaela Zottler ist Bibliothekarin an der TU Graz. Sie unterstützt Forschende und Studierende bei Literaturrecherchen und Fragen zu wissenschaftlichen Publikationen.
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