„Ein konstruktives Miteinander, das ich sehr schätze“
TU Graz people: Sie befinden sich in der Halbzeit Ihrer laufenden Amtsperiode als Rektor. Wenn wir Bilanz ziehen wollen: Was ist bis dato gut gelungen? Was nicht?
Rektor Horst Bischof: Unsere Universität steht sehr gut da. Wir haben wieder eine neue Reihe an ERC Grantees, unsere Studierendenteams haben viele Preise eingefahren. Bei den Verhandlungen zur Leistungsvereinbarung (LV) konnten wir ein gutes Paket schnüren. Und im Bereich „Verwaltungsvereinfachung“ konnten wir die Anzahl, aber auch die Seitenanzahl der Richtlinien signifikant reduzieren. In der Lehre haben wir das neue Studium Artificial Intelligence Engineering eingeführt, die Anmeldezahlen schauen hier sehr vielversprechend aus. Was ist weniger gut gelungen? Natürlich könnte die Umsetzung bei vielem schneller gehen. Und in der LV hatten wir ein Zusatzpaket für Artificial Intelligence fertig verhandelt, das ist leider dem Sparwillen der neuen Regierung zum Opfer gefallen.
Sie waren vorher 12 Jahre lang Vizerektor für Forschung – kennen das Haus und seine Strukturen daher sehr gut. Gab es in den letzten beiden Jahren dennoch überraschende Momente für Sie?
Rektor: Als ich begonnen habe, glaubte ich, das Haus sehr gut zu kennen. Doch in den ersten zwei Monaten musste ich viel lernen. Es besteht ein Unterschied darin, zu wissen, dass es gewisse Prozesse gibt, oder diese auch exekutieren zu müssen. Aber ich kannte bereits alle handelnden Personen – das hat mir sehr geholfen und so konnte ich schnell meinen Rhythmus finden.
Im Antrittsinterview vor zwei Jahren haben Sie gesagt, wir sollen die KI als Chance nützen. Bleiben Sie dabei?
Rektor: Die KI ist kein Allheilmittel, und sie ist definitiv kein Ersatz für den menschlichen Kontakt. Aber ich bin davon überzeugt, dass der Mensch mit der KI ein gutes Duo bilden kann, um effizient weiterzukommen.
Wie unterstützt die KI Mitarbeitende an der TU Graz?
Rektor: In der Lehre haben wir gleich zu Beginn Leitlinien zum Umgang mit KI erlassen. In der Forschung verwenden unsere Wissenschafter*innen bereits sehr erfolgreich die KI, um schneller zu Ergebnissen zu kommen. Zum Beispiel im gerade zu Ende gehenden ERC-Projekt von Gustav Oberdorfer, der KI massiv für seine Berechnungen eingesetzt hat. Darüber hinaus wird demnächst der österreichische Hochleistungsrechner MUSICA in Betrieb gehen, der unseren Forschenden experimentelle Zugänge bietet. Mit einer ausgewählten Arbeitsgruppe haben wir Experimente im Bereich ChatGPT für interne Richtlinien gestartet, diese Experimente haben aber nicht gut genug funktioniert. Aber im Herbst wird es im Rahmen von Academic AI einen gesicherten Zugang für alle TU Graz-Mitarbeitenden zu ChatGPT geben. Mehr als 20 österreichische Hochschulen beteiligen sich an diesem Projekt:Academic AI bietet eine generische und skalierbare Cloud-Plattform, auf der KI-Tools ohne Sicherheitsbedenken genützt werden können.
Verschlankung der Richtlinien impliziert Verschlankung der Verwaltung. Sind davon auch Dienstposten betroffen?
Rektor: Wenn wir uns die Zahlen der letzten Jahre anschauen, sind wir in der Verwaltung etwas überproportional zu Lehre und Forschung gewachsen. Diesen Kurs können wir mit Blick auf die nächste LV-Periode nicht weiter fortsetzen. Wir schauen uns genau an, wo wir entsprechende Services brauchen, und hinterfragen das. Das heißt aber nicht, dass es Kündigungswellen geben wird, sondern es ist ein bewusstes Hinschauen.
Was steht in den nächsten zwei Jahren auf der Agenda?
Rektor: Wir wollen unser Forschungsprofil schärfen und die Research Centers und die Fields of Expertise klarer voneinander abgrenzen. Das Konzept der „4th Generation Universities“, die Wirkung auf das regionale Ökosystem, wollen wir weiterverfolgen. Der Campus Inffeldgasse wird weiterentwickelt, ebenso die Weiterbildung mit Microcredentials sowie das Cori-Institut im Bereich der medizintechnischen Forschung. Im Graz Center of Physics sind die organisatorischen Strukturen zu schaffen. Gemeinsam mit der Uni Graz und der Med Uni Graz planen wir, im Start-up-Bereich einen Hub zu bilden, der alle Entrepreneurship-Aktivitäten bündelt. Im Bereich Lehre wollen wir unsere Lehrveranstaltungen reduzieren, an der TU Graz werden momentan über 4.000 Lehrveranstaltungen angeboten (bei etwas mehr als 8.000 prüfungsaktiven Studierenden). Hier setzen wir auf Verschlankung, um Platz für Neues zu schaffen und unsere Lehrenden zu entlasten. Und in der europäischen Universitätenallianz Unite! wollen wir uns vermehrt auf Lehre und Forschung konzentrieren.
Müssen wir in einer Welt der Krisen (Klimawandel, Stresstest für Demokratien, geopolitischer Wandel) die Universitäten neu denken?
Rektor: Gerade mit der aktuellen Situation in Amerika müssen wir uns alle die Frage stellen: Wie resilient sind Universitäten, unsere Wissenschaftssysteme, gegenüber äußeren Einflüssen? Und hier meine ich nicht nur staatliche Einflüsse, Stichwort „foreign interference“ wie Fake News & Co. Sind Universitäten wirklich der Hort des unbeeinflussten Wissens oder haben wir dort und da auch unsere Schwächen?
Globale Sicherheitsfragen und Wirtschaftsfragen werden auf höchster Ebene diskutiert, aber was ist mit der Wissenschaft? Warum sitzt die Wissenschaft nicht am Tisch?
Rektor: Die einzige Chance, die Europa hat, ist Innovation. Aber woher soll diese Innovation kommen? Innovation kann nur von Universitäten und entsprechenden Einrichtungen kommen, von Studierenden und Forschenden, die diese Innovationen entwickeln. Also sitzen wir eigentlich immer am Tisch, gerade als technische Universität.
Gibt es noch etwas, das Ihnen besonders wichtig ist?
Rektor: Ich habe zu Beginn erzählt, dass es herausfordernd war, im neuen Amt anzukommen. Aber an unserer Universität haben wir fantastische Mitarbeitende, die mir das Ankommen leicht gemacht haben. In den vergangenen zwei Jahren habe ich an unserer TU Graz immer ein konstruktives Miteinander erlebt, trotz der Probleme, die man lösen muss. Die TU Graz-Mitarbeitenden sind stets sehr unterstützend, und das ist schon etwas Besonderes, das ich sehr schätze.
Diesen Beitrag und weitere Artikel zum Schmökern finden Sie in TU Graz people #94, dem Magazin für TU Graz-Mitarbeitende und Interessierte.

