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Super-flinke Elektronen sind sein Werkzeug

04.01.2019 | Planet research | FoE Advanced Materials Science | Young Talents

Von Birgit Baustädter

Max Burian schaut mit hellem Licht bis in den Kern von Materie. Sein Arbeitsplatz ist ein silberner Laborcontainer neben dem Teilchenbeschleuniger Elettra Synchrotron im italienischen Triest.

Max Burian steht im Herzstück des Laborcontainers in Triest. In der metallenen Röhre vor ihm ist derzeit nur Vakuum. Schaltet man die Beamline aber ein, schießt hochfrequentes Licht auf eine Materialprobe und es offenbart so die Materialstrukturen auf Nano-Ebene. © Baustädter – TU Graz

Im silbernen Bürocontainer traut sich noch nicht einmal der Bürosessel zu quietschen. Max Burian sitzt auf dem ängstlichen Sessel und hat seinen Blick auf zwei kleine Computerbildschirme fokussiert. Um ihn herum ist es still, die konzentrierte Hektik der vergangenen Minuten ist verflogen.

Spulen wir etwas zurück: Der Bürosessel hat noch Pause, denn Max Burian steht vornübergebeugt im Labor-Teil des Containers. Er bereitet an der Beamline eine Materialprobe vor, die wenig später intensives Licht durchleuchten wird. Die Beamline ist ein metallisches Rohr, in dem sich derzeit nur Vakuum breitmacht. Wenn Max Burian in wenigen Momenten den großen roten Knopf an der Wand gedrückt hat, muss alles sehr schnell gehen. Dann nämlich hat er noch genau 30 Sekunden Zeit, um die zwei Stufen zum Büro-Teil des Containers unfallfrei hinter sich zu lassen und die dicke Metalltür, die im Container die Beamline vom Schreibtisch trennt, zu schließen. Sind die 30 Sekunden abgelaufen, lässt sich die Verbindungsluke zum Speicherring öffnen, in dem Elektronen mit annähernd Lichtgeschwindigkeit im Kreis sausen und dabei sehr intensives Licht abstrahlen. Dieses Licht nutzt der Wissenschafter, um die Struktur der kleinen Materialprobe im silbernen Röhrchen zu untersuchen. „Gemächlich geht es bei uns selten zu“, sagt der junge Mann und zwinkert. Die Proben, die er untersucht, sind sehr unterschiedlich: organische Moleküle, salzige Kristalle oder gemischte Systeme – egal was, Hauptsache mit Nano-Struktur.

Hände halten ein silbernes Röhrchen

Max Burian hält ein Röhrchen in den Händen. Darin liegt das für den Versuch präparierte Material. In wenigen Minuten wird der Forscher es mit hochfrequentem Licht beschießen und durchleuchten.

Ein Synchrotron ist ein Teilchenbeschleuniger, in dem Elektronen auf annähernd Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und dadurch Licht emittieren. Dieses intensive Licht leiten Forschende in die sogenannten Beamlines, um dort Experimente mit unterschiedlichsten organischen oder anorganischen Materialien durchzuführen. Einen ausführlichen Artikel zur Funktionsweise eines Synchrotrons und zur Forschungseinrichtung Elettra Syncrotrone Trieste lesen Sie auf Planet research. Die TU Graz ist seit 2012 an der italienischen Forschungseinrichtung beteiligt und betreibt zwei Beamlines.

Das TU Graz-Team arbeitet zwischen Graz und Triest

Max Burian meistert die Stufen gekonnt und ist zurück am Schreibtisch. Einsatz Bürosessel. Um ihn herum steht auch der Rest des Teams. Es ist mucksmäuschenstill, als alle gemeinsam auf die ersten Daten warten.

Burian, 30, ist Teil eines vierköpfigen Teams des Instituts für Anorganische Chemie der TU Graz, das in der Labor-Außenstelle am Synchrotron in Triest arbeitet. Heinz Amenitsch leitet die Forschungsgruppe und arbeitet gemeinsam mit Max Burian an der SAXS-Beamline. Dort untersuchen sie vor allem Reaktionsprozesse in hoher zeitlicher Auflösung. Benedetta Marmiroli und Barbara Sartori arbeiten an der DXRL-Beamline und stellen dort Strukturen in kleinstem Maßstab selbst her. Neben der TU Graz betreiben noch 26 weitere Forschungsgruppen aus ganz Europa Beamlines, die auf unterschiedliche Untersuchungsmethoden spezialisiert sind. „Wir sind hier wie eine kleine Familie – die Stimmung ist gut“, erzählt Burian. Und das scheint auch nötig, denn die Wissenschafter/innen verbringen forschungsintensive Tage und oft sogar die dazugehörigen Nächte in dem mit Forschungsgeräten gespickten, kreisrunden Raum im Zentrum des Gebäudes.

Aus einem Versuch wurde eine jahrelange Berufsbeziehung

Seine wissenschaftliche Karriere startete der gebürtige Burgenländer an der Montanuni Leoben. Dort befasste er sich auch zum ersten Mal mit der Streuung als Untersuchungsmethode. „Für dieses Gebiet musste ich am meisten tun – es war für mich die größte Herausforderung“, erzählt Max Burian. „Also bin ich dabei geblieben.“ Bei einem gemeinsamen Versuch mit der TU Graz-Gruppe in Triest lernte der Student Burian dann den begnadeten Streuer Heinz Amenitsch kennen. Aus einem ersten gemeinsamen Versuch entwickelte sich eine jahrelange Zusammenarbeit. Heute hat Max Burian seine Dissertation in Triest abgeschlossen und arbeitet als Teammitglied der SAXS-Beamline.

Abends geht es vom Bürocontainer ins Fischlokal

Der Forscher wohnt heute in einer Eigentumswohnung nahe dem Zentrum der italienischen Hafenstadt. Triest sei eine tolle Stadt zum Leben – nach der Arbeit ist das Meer nicht weit. Wenn das Wetter passt, geht es auch mal am frühen Nachmittag an den Stadtstrand. Kräfte tanken wenn es der Zeitplan zulässt, denn die nächste Nachtschicht kommt bestimmt.

Am heutigen Abend treffen sich die Wissenschafter im Fischlokal: „Es gibt in Triest Lokale in unterschiedlichster Preisklasse“, erklärt Burian schmunzelnd. „Ein Menü für 30 Euro nennen wir ‚die Einstiegsdroge‘. Wer nicht regelmäßig Fisch isst, wird hier sehr zufrieden sein. Für 50 Euro isst man schon richtig gut. Und ab 70 Euro bekommt man ein Menü für Fortgeschrittene geboten.“ An diesem Abend wählen sie die „Einstiegsdroge“ für die Gäste. Und das Restaurant Montecarlo in der Via S. Marco. Antipasti vom Buffet, gefüllte Nudeln als Primo, gegrillter Lachs als Secondo. Tiramisu zur Nachspeise – alles unter einem Zeltdach serviert, das an dem kühlen Herbstabend ein elektrischer Strahler wärmt.

Nach dem Essen geht es wieder zurück auf den Hügel hinter Triest, auf dem das Synchrotron steht – der aktuelle Versuch verlangt es. „Wir müssen flexibel sein. Es geht nicht, dass wir die Messungen einfach abbrechen und am nächsten Tag weiterarbeiten“, erklärt Burian. Und vor allem müsse man sich nach den Zeitplänen und Forschungsbedürfnissen der Kundinnen und Kunden richten, die oft nur für wenige Tage Zeit für Versuche am Synchrotron haben. Sie kommen aus Forschungseinrichtungen aus ganz Europa, um die starke Lichtquelle zu nutzen und ihre eigenen Projekte weiterzubringen. „Ich wende gut 30 Prozent meiner Arbeitszeit für die Vorbereitung und Betreuung von Versuchen anderer, 30 Prozent für eigene Forschung und 40 Prozent für Instandhaltungsarbeiten und das Weiterentwickeln der Beamline auf“, so Burian, „wir investieren wirklich viel Zeit in die gute Betreuung der Gastforschenden – das ist unser Alleinstellungsmerkmal.“ Und schließt lachend an: „Dazu gehört dann natürlich auch das gemeinsame Abendessen wie heute.“

Dann ist wieder Zeit für Konzentration – die Daten des Versuchs sind da, die Auswertung kann beginnen. Max Burian betritt den Bürocontainer und wird heute bis in die Nacht hinein arbeitet. Und auch der Bürosessel wird gleich wieder ehrfürchtig verstummt.

Ein junger Mann in Jeans und weißem T-Shirt beugt sich über einen Tisch, auf dem eine silberen Röhre liegt.

Wenn keine Versuche am Tagesplan stehen, arbeitet Max Burian an der Beamline, hält sie in Stand und entwickelt das Equipment weiter.

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Kontakt

Max BURIAN
Dipl.-Ing. Dr.techn.
Institut für Anorganische Chemie
34149 Basovizza (TS)
Elettra-Sincrotrone Trieste
Italien
buriannoSpam@tugraz.at