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Niels Köster: Spaß an der Forschung

11.03.2022 | TU Graz news | Studium

Von Christoph Pelzl

Auf dem Weg von der praktischen Mathematik in die theoretische Elektrotechnik hat Niels Köster seine Fähigkeiten im wissenschaftlichen Schreiben verbessert und die Liebe zur (industrienahen) Forschung entdeckt.

Elektrotechniker Niels Köster von Virtual Vehicle Research (l.) mit seinem Dissertationsbetreuer Oszkar Biro vom Institut für Grundlagen und Theorie der Elektrotechnik. © Lunghammer – TU Graz

Niels Köster und die Forschung: Das war nicht gleich eine Liebesbeziehung, wie der 31-jährige Elektrotechniker beteuert: „Mein allererstes Paper wurde gnadenlos abgewiesen. Ich bekam drei Ablehnungen am Stück!“ Kurz war da der Gedanke, die wissenschaftliche Laufbahn aufzugeben, noch ehe sie begonnen hatte. Das Masterstudium Mathematik an der TU Graz sei schließlich „ein gutes Sprungbrett für eine Top-Karriere in der Industrie“, so Köster. Stattdessen führte ihn der Weg aber zu Virtual Vehicle Research, Europas größtem Forschungszentrum für virtuelle Fahrzeugentwicklung. Dort ist er Teil der Batterie-Arbeitsgruppe, die mithilfe numerischer Simulationen und Hardware-Tests unter anderem neue Leistungselektronik für E-Autos testet. Parallel dazu schreibt er seine Dissertation. Betreut wird er von TU Graz-Professor Oszkar Biro am Institut für Grundlagen und Theorie der Elektrotechnik. Ein nicht ungewöhnliches Konstrukt, zumal die TU Graz Mehrheitseigentümerin von Virtual Vehicle ist und beide Institutionen in vielen Forschungsprojekten gemeinsame Sache machen.

Gamechanger in der E-Mobilität…

Köster arbeitet konkret daran, komplexe langsame Modellierungsverfahren wie die Finite-Elemente-Methode (FEM) in kleine, aber umso schnellere Modelle zu verwandeln, ohne dass diese Modelle viel an Genauigkeit verlieren. Dazu nutzt er die sogenannte Modellordnungsreduktion (engl., Model order reduction – MOR). Diese Technik versucht, die essenziellen Merkmale eines Modells so früh wie möglich einzufangen. Das heißt, dass die Grundeigenschaften schon mit sehr wenig Variablen erkannt werden können. Anschließend lässt sich die Komplexität schrittweise erhöhen, um alle für den Anwendungsfall notwendigen Eigenschaften des Modells abzubilden.
 „Zeit ist Geld. Meine Modellbildung soll der Industrie dazu verhelfen, Leistungsbauteile für die e-mobility schneller zu entwickeln“, so Köster. Für Laien könnte man also davon sprechen, dass Kösters Arbeit der Gamechanger in der Elektromobilität ist.  

…und im wissenschaftlichen Publizieren

Gamechanger für das wissenschaftliche Publizieren war für Köster schließlich der Kurs „Effective Scientific Writing in English“. Dieser wird im TU Graz-internen Weiterbildungsprogramm angeboten. Dort lernte Köster Methoden kennen, die ihm das wissenschaftliche Schreiben für Fachjournals enorm erleichterten. „Writing a Paper“ von George Whitesides beispielsweise: „Zu Beginn eines jeden Forschungsprojekts schreibe ich einen Entwurf, der funktioniert wie ein Projektplan zur Publikation. Während des gesamten Forschungsprozesses wird dieser Entwurf regelmäßig überarbeitet, wenn es Veränderungen oder neue Ergebnisse gibt“, gewährt Köster Einblicke in seine Taktik.

Wissenschaftspreis zur Bestätigung

Diese Taktik geht voll auf: Bei der diesjährigen Compumag (eine der international wichtigsten Fachkonferenzen für die numerische Berechnung elektromagnetischer Felder, Anm.) erhielt Köster den Rita Trowbridge Award. Die Auszeichnung wird nur alle zwei Jahre an das Nachwuchstalent mit dem besten Konferenzbeitrag vergeben. Besonders bemerkenswert: Der Elektrotechniker setzte sich gegen mehr als 150 andere Teilnehmer*innen durch. Ein schöner Erfolg – auch für das Institut für Grundlagen und Theorie der Elektrotechnik, dem Köster den Preis widmet: „Ich bin zwar hauptberuflich am Virtual Vehicle angestellt, fühle mich zugleich aber als gleichwertiges Institutsmitglied.“ Köster ist voll integriert in die Fachdiskussionen und den alltäglichen Institutsablauf, hat wöchentliche Meetings mit seinem Betreuer Professor Biro, und „ich kann für meine Arbeit eine Simulationssoftware nutzen, die am Institut entwickelt wurde.“

Bremsklotz Corona

Dieses Teamgefüge half ihm auch über die letzten beiden Jahre hinweg, in der ihm die Corona-Pandemie das Forschen sehr erschwert hatte. Praktisch über Nacht fiel der persönliche Austausch mit anderen Jungforschenden weg, auch weil sich nahezu alle wissenschaftlichen Konferenzen und Meetings ins Netz verlagerten. Doch: „Virtuelle Interaktionen funktionieren nicht so gut – teils wegen der unterschiedlichen Zeitzonen, teils wegen der technischen Gegebenheiten. Ich verlagerte mich in dieser Zeit auf das Recherchieren und Lesen von Fachliteratur“, erzählt Köster, der die Öffnungsschritte heiß herbeigesehnt hat und die Compumag-Konferenz auch für den Aufbau einer internationalen Arbeitsgruppe mit Schwerpunkt auf die Modelordnungsreduktion für Elektromagnetische Felder genutzt hat. Die Zusammenarbeit soll unter der internationalen Compumag Society laufen.
Ein erstes Treffen hat bereits stattgefunden, an dem Kolleginnen und Kollegen von der RWTH Aachen, der University of Southhampton, der kanadischen McGill University sowie von der Universität Pavia teilnahmen. „Ich brauche den sozialen Kontakt. Der Austausch mit anderen Forschenden bringt mich weiter.“  

And the winner is…Graz

Wohin? Das weiß der gebürtige Hamburger noch nicht. Er kann sich gut vorstellen, auch nach Abschluss seiner Dissertation in Graz zu bleiben. Und das, obwohl er sich selbst erst spät für ein Studium an der TU Graz entschied, wie er erklärt: „Nach dem Abitur hatte ich vier Unis in der engeren Auswahl, die einen guten Ruf in technischer und angewandter Mathematik hatten.“ Schlussendlich entschied er sich für Graz und gegen Stuttgart, Bremen und Zürich. Auch der Liebe wegen, wie er gesteht. Doch die Stadt mit ihren Freizeit-Angeboten und der Nähe zur Natur ist ihm schnell ans Herz gewachsen. Derzeit schaut er sich nach Postdoc-Stellen um. Schließlich heißt es: Liebe passiert, Beziehung ist Arbeit – die sich augenscheinlich auch beruflich lohnt.  

Kontakt

Niels Sören KÖSTER
Dipl.-Ing.
Virtual Vehicle Research GmbH | Arbeitsgruppe Batterie, Department E
Tel.: +43 316 873 4034
niels.koesternoSpam@v2c2.at