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Überhaupt nicht diskret

21.03.2018 | Planet research | FoE Information, Communication & Computing | Cooperations

Von Michael Samec

Nomen ist nicht omen: Mit ihrer Exzellenz-Initiative in „Discrete Mathematics“ lassen TU Graz, Uni Graz und Montanuni Leoben aufhorchen – weil sie sich eben überhaupt nicht diskret verhalten.

Tafelbild, wie es für Lehrveranstaltungen im Bereich „Discrete Mathematics“ üblich ist. © Institut für Diskrete Mathematik

„Jeder, den Sie fragen, wird die Grenzen anders ziehen“, sagt Wolfgang Woess, spricht man ihn darauf an, was „Discrete Mathematics“ ist. Irgendwie tatsächlich diskret, weil eben nicht exakt abgrenzbar – und das in einem Bereich, der sonst der Inbegriff für Exaktheit ist: Mathematik. Und Woess muss es wissen, hat er doch eine der beiden Professuren auf dem entsprechenden Institut an der TU Graz inne. Als solcher ist er auch Leiter des Doktoratskollegs „Discrete Mathematics“, das die TU Graz gemeinsam mit der Karl-Franzens-Universitat Graz und der Montanuniversitat Leoben initiiert hat.

Discretus

Der Begriff für dieses Forschungsgebiet leitet sich ab vom lateinischen discretus, das Partizip Perfekt von discernere. Das Verb bedeutet „absondern, unterscheiden, trennen“. Discretus ist also das Gegenteil von „kontinuierlich“, von dessen Synonym „stetig“. Also „unstet“. Und auf dieser Unterscheidung beruht eben die diskrete Mathematik. Kombinatorik, Graphentheorie, Zahlentheorie, Wahrscheinlichkeit sind einige der Stichworte, mit denen sich diese Wissenschaft auseinandersetzt. Anwendungsgebiete: unter anderem die Kryptographie zur Absicherung von elektronischen Systemen.

Doktoratskolleg

Während die Kryptographie mit Diskretion ja eng verwoben ist, halten die drei steirischen Universitäten ihr Wirken hingegen nicht geheim: Sie haben gemeinsam das Doktoratskolleg gegründet, dessen Hauptgeldgeber der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) ist – mit tatkräftiger Unterstützung der drei Trägerinitiativen. Es ist eine Exzellenz-Initiative im Bereich der diskreten Mathematik und wird von Wolfgang Woess geleitet.

Wolfgang Woess (ganz links im Bild) bei der Eröffnung des Doktoratskollegs 2010.

Gemeinsam mit ursprünglich neun, mittlerweile zehn und ab 2019 elf weiteren Professorinnen und Professoren bildet er ein Kollegium, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Forschung in diesem Bereich auszuweiten und zugleich den Nachwuchs zu fordern. Mit Erfolg, wie sich zeigt – nicht zuletzt aufgrund der internationalen Vernetzung, auf die das Kollegium so großen Wert legt: Die Doktorandinnen und Doktoranden werden eingebunden in das weitreichende Netzwerk des Kollegiums und seiner Mitglieder, das sich von Deutschland, der Schweiz und Frankreich über Italien, Ungarn, Slowenien, Tschechien, Polen, Großbritannien sowie Island bis in die USA, nach Australien und Kanada spannt.

Dieser wissenschaftliche wie auch gesellschaftliche Austausch „ist ein ganz wichtiger Punkt“, erklärt Woess, gehe es doch darum, nachhaltig zu wirken. Ein Anspruch, den auch der FWF erhebt. Er fordert die Initiative bereits seit zwei Vierjahresperioden, derzeit arbeitet Woess mit seinen Kolleginnen und Kollegen gerade an der zeitintensiven Bewerbung zur die dritte Periode.

Alumni

Wirft man einen Blick auf die Werdegänge der bisherigen Absolventinnen und Absolventen – mehr als ein Drittel von ihnen sind Frauen –, dürfte der Verlängerung des Programms nichts im Wege stehen. Die Doktorandinnen und Doktoranden des ersten Turnus findet man mittlerweile auf der ganzen Welt in renommierten Positionen: auf namhaften Universitäten in den USA, in Kanada und Paris – Johns Hopkins University, Warwick, Birmingham und viele andere bedeutende Hochschulen finden sich auf der Liste.

Feier zum 75. Geburtstag von Wilfried Imrich (Montanuniversität Leoben), der als Emeritus und „senior associated scientist“ das Kolleg positiv beeinflusst.

Dieser Turnus ist eine der Stärken des Programms, und so trafen sich erst unlängst einige der derzeitigen Doktorandinnen und Doktoranden mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus Zürich und Berlin in Strobl, um sich dort auszutauschen. Für Woess zahlen solche Meetings zu den wichtigen Schlüsseln zum Erfolg. Das Teilen von Erfahrungen und Wissen bringt die Wissenschaft voran, und das funktioniert eben viel besser, wenn man einander auch persönlich kennt.

Berühmter Gast 2013: Endre Szemerédi, ungarischer Mathematiker am Rényi-Institut und Abel-Preisträger 2012.

Förderung

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die intensive Betreuung des Nachwuchses durch die im Kollegium zusammengeführten Professorinnen und Professoren. „Wir fördern sie, fordern sie aber auch. Wir legen Wert auf die Kreativität der Doktorandinnen und Doktoranden, vor allem, wenn es darum geht, neue Forschungsansätze zu entwickeln und innovative Ideen einzubringen, wie man zu neuen Resultaten gelangt“, betont Woess. „Wir verlangen schon ein gutes Maß an Klugheit!“ Die im besten Fall dazu führt, dass selbst die erfahrenen Professorinnen und Professoren einmal ins Staunen geraten. „Das ist natürlich das Optimum, unser Wunsch – und manchmal wird er auch erfüllt“, zollt er manch junger Mathematikerin bzw. manch jungem Mathematiker durchaus Respekt. Diese stammen übrigens fast zur Hälfte aus Österreich, die anderen kommen in erster Linie aus dem übrigen Europa in die Steiermark, aber auch aus China, Südkorea, Neuseeland, den USA und demnächst aus Afrika sind Vertreterinnen und Vertreter mit von der Partie.

Bis sie ins Doktoratskolleg aufgenommen werden, haben sie ein hartes Auswahlverfahren hinter sich. An die 150 Bewerberinnen und Bewerber mit einem Masterstudium in Mathematik oder einem Studium mit mathematischer Ausrichtung gab es bei den ersten Durchgängen. Nach der ersten Vorauswahl auf Basis der Bewerbungsunterlagen wurden an die 50 von ihnen zum Hearing geladen – jeweils 20 von ihnen kamen dann in das Programm.

Gemeinsame Aktivitäten: Ausflug des Doktoratskollegs in die Südsteiermark.

Dieses Forschungsgebiet ist im FoE „Information, Communication & Computing“ verankert, einem der fünf Stärkefelder der TU Graz.
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