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Barrierefreie Computerspiele: Game Lab der TU Graz stellt Accessibility Toolkit für Spiele-Engine Unity zur Verfügung

11.03.2024 | TU Graz news | Forschung | Planet research | FoE Information, Communication & Computing

Von Falko Schoklitsch

Spiele-Entwickler*innen können damit einfacher Spielhilfen für Menschen mit Beeinträchtigungen implementieren. Das Toolkit fokussiert sich auf Spieler*innen mit Sehschwächen.

Spieler*innen werden per Audiosignal auf einem vorberechneten Weg ans Ziel gesteuert. Bildquelle: Klemens Strasser

Die steigende Popularität von Videospielen rückt deren Zugänglichkeit für Menschen mit Beeinträchtigungen verstärkt in den Fokus. Während große Produktionen dies mit zuschaltbaren Accessibility Features zunehmend berücksichtigen, fällt dieser Aspekt aufgrund fehlender Ressourcen bei Indie-Produktionen meist ganz weg. Um die Implementierung von Zugänglichkeits-Features zu erleichtern, hat Klemens Strasser im Rahmen seiner Masterarbeit am Institute of Interactive Systems and Data Science der TU Graz ein frei zugängliches Toolkit für die Spiele-Engine Unity entwickelt, das auf GitHub kostenlos zur Verfügung steht. Damit lassen sich unterstützende Werkzeuge für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen einfach in ein Spiele-Projekt integrieren. Das Toolkit und einen Handlungsleitfaden für mehr Zugänglichkeit in Spielen hat Klemens Strasser gemeinsam mit seiner Masterarbeits-Betreuerin Johanna Pirker vor kurzem in einem Paper vorgestellt.

Hilfe bei der Orientierung

Bei der Erstellung des „Werkzeugkastens“ konzentrierte sich Klemens Strasser auf vier Punkte: (1) Unterstützung bei der Bedienung von Menüs, (2) bei der Wahrnehmung der Spiel-Umgebung sowie (3) bei der Steuerung auf einem fixen Raster und bei (4) der freien Navigation, falls die Spielfigur sich in alle Richtungen bewegen kann. Die ersten drei Punkte ließen sich mit einem Screenreader lösen, für die freie Navigation musste ein sogenannter Navigation Agent implementiert werden: Dieser steuert die Spieler*innen per Audiosignal zu einem von ihnen festgelegten Ziel, nachdem er den Weg dorthin berechnet hat.

Für die Screenreader-Lösung zur Umgebungswahrnehmung, erleichterten Menübedienung und Steuerung auf einem Raster war es zunächst notwendig, alle sichtbaren und nutzbaren Objekte sowie Charaktere auf dem Bildschirm zu erfassen. Dafür kam ein als Accessibility Signifier bezeichnetes Tool zum Einsatz, das die Elemente erkennt und ihnen eine Bezeichnung, Eigenschaften, einen Zustand und eine Beschreibung zuordnet. Diese Informationen übergibt das Spiel an den von den Spieler*innen genutzten Screenreader, der sie ihnen vorliest.

Entwickler*innen mit positivem Feedback

Die Evaluierung des Toolkits erfolgte in einem Test mit neun Spiele-Entwickler*innen, die alle einen universitären Hintergrund im Software Engineering haben. Sie sollten es in einem einfachen Match-3-Spiel implementieren, bei dem es gilt, drei gleiche Symbole oder Elemente durch Verschieben nebeneinander anzuordnen. Die Rückmeldungen der Entwickler*innen fielen durchwegs positiv aus. Die Implementierung wurde als einfach bezeichnet, die Aufgabe war leicht verständlich und sie fanden sich im Toolkit gut zurecht. Vor dem Test hatten erst drei der Entwickler*innen mit Accessibility Features gearbeitet, danach wollte ein Großteil sie für ihr nächstes Projekt einsetzen.

„Spiele sollen möglichst allen Menschen offenstehen, daher ist es so wichtig, sie auch für Menschen mit Beeinträchtigungen zugänglicher zu machen“, sagt Klemens Strasser. „Mit dem Accessibility Toolkit für Unity möchten wir die Implementierung dieser Möglichkeiten auch für Indie-Entwickler*innen möglichst einfach gestalten. Da weltweit laut WHO 253 Millionen Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung leben, ließe sich damit bereits eine sehr große Gruppe inkludieren. Dennoch ist hier noch viel zu tun, da es zahlreiche weitere Beeinträchtigungen gibt, für die einfach umsetzbare Lösungen bereitgestellt werden müssen.“ An derartigen Lösungen und weiteren Themen bezüglich Accessibility zu Computerspielen wird am Game Lab der TU Graz laufend geforscht.

Seit Jahren erfolgreich als selbstständiger Spielentwickler

Klemens Strasser selbst beschäftigt sich bereits seit einigen Jahren mit dem Thema Zugänglichkeit zu Spielen. Schon während des Studiums und auch nach seinem Masterabschluss in Computer Science an der TU Graz hat er selbstständig Spiele entwickelt, die den Aspekt der Barrierefreiheit berücksichtigen. 2015 gewann er mit seinem Spiel „Elementary Minute“ den Apple Design Award in der Kategorie Student, in der Kategorie Inclusivity war er 2022 mit „Letter Rooms“ und 2023 mit der „Ancient Board Game Collection“ für den Preis nominiert. Seine für iOS veröffentlichten Spiele sind bislang über 200.000-mal heruntergeladen worden.

Kontakt

Johanna PIRKER
Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. BSc
TU Graz | Institute of Interactive Systems and Data Science
Tel.: +43 316 873 5625
johanna.pirkernoSpam@tugraz.at


Klemens STRASSER
BSc MSc
klemensnoSpam@strasser.app
https://mastodon.social/@klemensstrasser
https://twitter.com/klemensstrasser

Johanna Pirker vom Institute of Interactive Systems and Data Science der TU Graz. Bildquelle: Lunghammer - TU Graz
Klemens Strasser. Bildquelle: Klemens Strasser
Demo-Benutzeroberfläche für das Anlegen von Zugänglichkeits-Features. Bildquelle: Klemens Strasser
Auf einem vorberechneten Weg steuert der Navigation Agent die Spieler*innen per Audiosignal ans Ziel. Bildquelle: Klemens Strasser
Sicht- und nutzbare Objekte werden markiert und deren Informationen per Screenreader ausgegeben. Bildquelle: Klemens Strasser