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Vom „Keuschler-Bub“ zum „Erfinder des Jahres“

16.12.2016 | Face to face

Von Birgit Baustädter

TU Graz-Professor Christian Moser ist „Erfinder des Jahres“ der Siemens AG Österreich. Für News+Stories erzählt er von seiner Jugend, der Leidenschaft für den Beruf und ungewöhnliche Berufswünsche.

Christian Moser ist "Erfinder des Jahres" der Siemens AG Österreich.

News+Stories: Erzählen Sie bitte von ihrem Werdegang – Sie haben schon an der TU Graz studiert?

Christian Moser: Ja. Zuerst habe ich mir in Graz aber sehr schwer getan, hatte ein ganz schreckliches Zimmer im Studierendenheim. Am damaligen Institut für Maschinenelemente, wo ich arbeiten durfte, waren die Kolleginnen und Kollegen wie eine kleine Familie. Mich hat es nicht mehr nach Hause nach Salzburg gezogen. Es ist zwar ein Klischee, ich bin aus Salzburg und dort regnet es wirklich immer (lacht). Ich bin also klassisch in Graz hängen geblieben und schätze vor allem die Beziehungen der TU Graz zu den umliegenden Firmen sehr.

Obwohl ich mir damals drei Berufe vorstellen hätte können: Entweder eben Maschinenbauer, oder Unfallchirurgie oder Modedesign.

Sie sind direkt aus der Stadt Salzburg?

Christian Moser: Ich bin ein „Keuschler-Bua“ – also der Sohn einer Kleinstbauern-Familie. Wir hatten drei Kühe und einen Hof ziemlich mitten in der Stadt. Mein Vater ist dann leider sehr früh gestorben und ich habe als Ältester begonnen Maschinen am Hof zu reparieren. In der Nachbarschaft habe ich zuerst Fahrräder und dann die ersten Mopeds repariert. Nach der HTL war der Weg irgendwie vorgezeichnet. Obwohl ich mir damals drei Berufe vorstellen hätte können: Entweder eben Maschinenbauer, oder Unfallchirurgie oder Modedesign. Es hat alles mit Design zu tun. Für die Mode haben mir dann aber der familiäre Background und das Geld gefehlt, für die Medizin das Latein. Also bin ich im Maschinenbau geblieben und heute wirklich froh darüber. 
Christian Moser in der Werkstatt am Campus Inffeldgasse.
Als ich nach Graz gekommen bin habe ich mich besonders für 2-Takt-Rennmotoren interessiert. Der Hintergrund ist, dass ich mich früher als Schrauber und Schmiermaxi bei jemandem verdient habe, der Go-Kart-Rennen gefahren ist.

Die Geschwindigkeit interessiert Sie also?

Christian Moser: Das nicht unbedingt. Mein Herz hängt an schönen Konstruktionen und einem interessanten Design. Ich lebe für Eisenteile, die schön designt sind und irgendwo herumfahren. Wenn ich so etwas sehe, dann freut es mich einfach. Sieht man eine Konstruktion oder eine Zeichnung, dann ist für mich auf den ersten Blick zu erkennen, ob es funktioniert oder nicht, ob der Kraftfluss organisch durchläuft und es einfach passt. Nur wenn der Kraftfluss harmonisch ist, dann funktioniert es. 

Ich lebe für Eisenteile, die schön designt sind und irgendwo herumfahren.

Maschinenbau ist eine Kunst für Sie?

Christian Moser: Ja, es ist wirklich eine Kunst. Ich bin ein technikverliebter Mensch. Das war ich schon immer. 

Ist es diese Sichtweise, die Sie zum Siemens Erfinder des Jahres gemacht hat?

Christian Moser: Absolut! Wenn man keinen Spaß an dem hat, was man tut, dann wird das Ergebnis eben nicht gut. Wenn man keinen Spaß am Konstruieren hat, keinen Spaß daran stundenlang am Zeichenbrett oder Computer zu sitzen, ein Stricherl nach dem anderen zu malen und zum Schluss alles wieder weg zu löschen, dann sollte man sich einen anderen Beruf suchen. Das hält man dann nicht aus. Meine Arbeit ist mein Hobby – und ich bekomme deswegen nicht selten zu Hause Ärger. (lacht)

Wenn man keinen Spaß am Konstruieren hat, keinen Spaß daran stundenlang am Zeichenbrett oder Computer zu sitzen, ein Stricherl nach dem anderen zu malen und zum Schluss alles wieder weg zu löschen, dann sollte man sich einen anderen Beruf suchen.

Für welches Projekt haben Sie diesen Titel bekommen?

Christian Moser: Bei der Firma Siemens wurde vor geraumer Zeit ein neues, sehr herausforderndes Projekt gestartet. Die Vorgabe war, eine Einsparung von 50 Prozent des Gewichtes bei Drehgestellrahmen zu schaffen. Wenn man sich so einer Herausforderung stellt, dann gibt es auch keine Erfahrungswerte mehr. Man muss die Konstruktion gänzlich anders angehen, alle bestehenden Strukturen und Prozesse prinzipiell vergessen. Schlussendlich haben wir eine Einsparung von 48 Prozent geschafft. Es ist weltweit der erste Rahmen, der dieses Gewicht hat und gleichzeitig die nötige Festigkeit und Robustheit. 
Christian Moser sitzt an seinem Schreibtisch im Büro des Instituts für Maschinenelemente und Entwicklungsmethodik.

Was macht den Reiz am Leichtbau für Sie aus?

Christian Moser: Bei schön durchdesignten Teilen, Komponenten und Fahrzeugen hat man schon beim Hinschauen eine Freude. Bei einer schlecht designten Konstruktion aber werden so viele Teile unnötig mit geschleppt, die zuerst gekauft werden müssen, dann viel Energie zum Bewegen brauchen und auch repariert werden müssen. Das wiederspricht mir im Herzen. 

Wie sieht es denn bei Ihnen zu Hause aus?

Christian Moser: Ich habe meine Möbel alle selbst designt und dann bauen lassen, bin lange Stunden durch Möbelhäuser gewandert und habe mir Inspirationen geholt. Sogar die Fliesen in meinem Bad habe ich selbst entwickelt. Ich habe kleine goldene Applikationen gefunden, mir die Fliesen genauso zurecht geschnitten, dass diese Applikationen hineinpassen und dann auch meinen Spiegel in dieser Form schneiden lassen. 

Und woher nehmen Sie Inspirationen für neue Dinge, die Sie in der Arbeit entwickeln?

Christian Moser: Die Firmen in der Umgebung haben viele kleine Probleme und kommen damit zu uns. Seit ich hier an der TU Graz bin hatte ich noch nie Geldprobleme in der Forschung – von unseren 21 wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeitenden werden 19 über Drittmittel finanziert. Man muss sich ein bisschen etwas trauen, laut und frech sein. Es gibt immer genug Menschen, die sagen „Das geht nicht“. Und denen muss man entgegentreten. 

Wie gehen Sie damit um, wenn etwas dann doch nicht klappt?

Christian Moser: Es gibt so viele Sachen, die nicht klappen. Das ist einfach so. Man muß offen damit umgehen. Wir sind sehr stark im Schienenfahrzeuggeschäft tätig, dort werden Massentransportmittel gebaut und sind von Natur aus extrem sicherheitskritisch. Mit Fehlern muss man leben, aber man darf es vom Ansatz her nie gefährlich werden lassen. Ich bin extrem genau und vorsichtig – ohne das geht es nicht.  

Information

TU Graz-Professor Christian Moser vom Institut für Maschinenelemente und Entwicklungsmethodik wurde gemeinsam mit den Siemens-Konstrukteuren Christian Karner und Radovan Seifried von der Siemens AG Österreich als „Erfinder des Jahres“ geehrt. Sie konnten das Gewicht des Fahrwerksrahmens für Personenzüge um 50 Prozent von 1,5 Tonnen auf 845 Kilogramm verringern. Der Fahrwerksrahmen hält gleichzeitig jahrzehntelange Belastungen aus. 

Kontakt

Christian MOSER
Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn.
Institut für Maschinenelemente und Entwicklungsmethodik
Inffeldgasse 21/B/II
8010 Graz
Tel.: +43 316 873 1363
christian.moser@tugraz.at