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Der experimentierfreudige Physiker

09.11.2016 | Face to face

Von Birgit Baustädter

Ein Gespräch mit Experimentalphysiker Gernot Pottlacher ist alles andere als eintönig – er malt Bilder mit Worten und unterstreicht das Gesagte mit Experimenten direkt am Schreibtisch.

Experimentalphysiker Gernot Pottlacher lehrt, experimentiert und sammelt mit Leidenschaft.
Ein Blick in die Welt der praktischen Physik. Und gleichzeitig ein erster Vorgeschmack auf die bereits traditionelle Weihnachtsvorlesung am 14. Dezember, in der Gernot Pottlacher dieses Mal 55 Experimente zur Levitation (Anm.: freies Schweben von Gegenständen) zeigen wird. 

News+Stories: Am 14. Dezember zeigen Sie 55 Experimente zur Levitation – worauf dürfen sich die Besucherinnen oder Besucher freuen?

Gernot Pottlacher: Wir werden es in diesem Jahr schweben lassen und einerseits mit echter Levitation arbeiten, andererseits auch Tricks von anderen Personen verraten. Natürlich wird wieder etwas explodieren und die Funken werden fliegen – wie man sich das eben erwartet. Wie jedes Jahr habe ich wieder einige Versuche extra für die Weihnachtsveranstaltung erarbeitet: Das Levitron zum Beispiel versuche ich gerade in Betrieb zu nehmen. (holt einen kreiselförmigen Gegenstand aus einer Schachtel). 
Für die diesjährige Weihnachtsvorlesung soll ein Levitron in den Schwebezustand versetzt werden.
Wenn man für gewöhnlich zwei Magnete übereinander legt, dann dreht sich einer sofort um, fällt herunter und die Sache ist vorbei. Hier wird aber der zweite Magnet in Drehung versetzt, diese Kreiselbewegung hält das ganze stabil und der Kreisel sollte durch Magnetkraft schweben. 
Und ich war gerade in Japan. Wussten Sie, dass eine Ein-Yen-Münze schwimmen kann? (geht zum Waschbecken und demonstriert)

Wie kommen Sie auf die Ideen für solche Experimente?

Gernot Pottlacher: Es steckt natürlich ein gewisser Spieltrieb dahinter (lacht). In diesem Beruf kann man ein Leben lang Kind bleiben. Und das tolle: Je älter man wird, desto einfacher kann man sich sein „Spielzeug“ kaufen“! Viele Gegenstände für meine Experimente kaufe ich in den USA oder bestelle sie über das Internet, das ich laufend nach Neuem durchforste. Aber ich bin auch Sammler und versuche, die Schätze unseres Instituts zu verwalten (steigt auf einen Sessel und holt ein altes Buch aus dem obersten Regal). Das ist zum Beispiel ein ganz altes Buch, in dem Experimente beschrieben werden, die früher hier an der TU Graz gemacht worden sind. Es ist aus dem Jahr 1893 und ich suche mir da sehr gerne Ideen heraus. Uralte Geschichten – wunderschöne Zeichnungen! 
Unter den Schätzen des Instituts für Experimentalphysik befindet sich auch ein Vorlesungs-Buch aus dem Jahr 1893.
Sehr wichtig sind mir auch alte Lehrmittel-Kataloge und Inventarlisten. Ich hatte zum Beispiel ein sehr altes Gerät, von dem ich über 20 Jahre lang nicht wusste, was es ist. Per Zufall habe ich herausgefunden, dass es sich dabei um ein so genanntes Hypsometer handelt, das auch im Film „Die Vermessung der Erde“ vorkommt. Mit ihm konnte man vor 100 Jahren die ungefähre Höhe von Bergen messen. Wasser kocht ja bei unterschiedlichen Temperaturen, je nachdem, auf welcher Seehöhe man sich befindet – auf Meeresspiegel kocht es bei 100 Grad, auf 5.400 Metern aber schon bei 82 Grad. 

Ist ihr Zuhause auch eine Art Museum? Zieht sich das Sammeln auch in Ihr Privatleben?

Gernot Pottlacher: Schon etwas – aber das meiste habe ich hier. Zuhause muss ich ja selbst abstauben (lacht). Ich habe schon immer gesammelt, habe mir als Student mein Geld im Sommer auf Flohmärkten verdient. Über das ganze Jahr habe ich Gegenstände gesammelt und sie dann bei ein oder zwei Terminen verkauft. Das hat mir damals ein gutes Taschengeld  eingebracht und zusätzlich ein enormes Wissen über den Wert dieser Dinge. 

Woher kommt die Faszination an Experimenten?

Gernot Pottlacher: Die hatte ich schon in der Schule. Wir hatten einen Lehrer, der viele Experimente gezeigt hat, und einen anderen, der nur theoretische Physik unterrichtete. Da habe ich den Unterschied ganz deutlich gesehen. Ich war außerdem schon immer handwerklich geschickt, lege sehr gerne selbst Hand an. Zuhause repariere ich alles selbst – Handwerker brauche ich kaum. Das reicht von der Alarmanlage für mein Haus bis hin zum 34-PS-Motors unseres früheren VW-Buses, der nach jedem Sommer verlässlich kaputt war (lacht).
Alte (Physik-)Bücher gehören zum Sammlungsschatz von Gernot Pottlacher. 

Experimentieren sie auch privat?

Gernot Pottlacher: Ich versuche das eigentlich im Büro zu lassen. Aber natürlich zeige ich meiner Frau oder in Gesellschaften hin und wieder ein paar unterhaltsame Tricks. In meiner Freizeit bin ich aber viel mehr mit meinem großen Garten beschäftigt. Und ich bin leidenschaftlicher Fliegenfischer. Das kostet sehr viel Zeit – vor allem, wenn man, so wie ich, am liebsten seine Fliegen selbst bindet. Im vergangenen Sommer habe ich mit einer meiner Fliegen einen 17 Kilogramm schweren Karpfen gefangen – das war wirklich spannend. Wenn ich einmal mehr Zeit habe, dann möchte ich mich außerdem ordentlich mit dem Kochen beschäftigen. 

Beruflich sind Sie sehr viel unterwegs – wie wichtig ist Ihnen diese Internationalität?

Gernot Pottlacher: Sehr wichtig. Obwohl ich hauptberuflich immer an der TU Graz war, versuche ich sehr viel unterwegs zu sein. Immer wieder war ich auf  Forschungsaufenthalten in den USA. Gerade erst war ich außerdem in Japan, was mich unglaublich fasziniert hat. Und mein spannendster Aufenthalt war sicher der vor vielen Jahren in Russland – wo ich eine Konferenz eröffnen sollte, auf der alle ausschließlich Russisch sprachen. Das war ein Abenteuer (lacht). Eigentlich fehlen mir nur noch Australien und Südamerika. Die meisten Kontakte entstehen auf internationalen Konferenzen, wo man sich dann auch gegenseitig einlädt. Man muss offen durch die Welt gehen. 

Was könnte das Thema der Weihnachtsvorlesung 2017 sein?

Gernot Pottlacher: Wir hatten bereits Experimente mit Kerzen, mit Farben und Elektronen. Nächstes Jahr könnte es um Lebensmittel gehen. Wenn man zum Beispiel Äpfel in flüssigem Stickstoff friert, dann könnte man damit einen Nagel in eine Wand schlagen. Oder wenn man einen runzeligen Apfel in eine Vakuumkammer legt, dann wäre er wieder wunderschön.  
Mit diesen Äpfeln soll nicht experimentiert werden. 

Liegen deshalb die Äpfel auf Ihrem Schreibtisch?

Gernot Pottlacher: (lacht) Nein, die sind aus meinem Garten. Mit denen wird nicht experimentiert. Die werden nur von mir gegessen. 

„Pottlachers Experimentiervorlesung“
Termin: 14. Dezember 2016, 16:15 Uhr
Ort: HS P1, Petersgasse 16, Erdgeschoß, 8010 Graz

Information

Gernot Pottlacher arbeitet am TU Graz-Institut für Experimentalphysik und leitet die Arbeitsgruppe für Thermophysik und Metallphysik, der außerdem Matthias Leitner, Thomas Leitner und Olivia Klemmer angehören. Sie beschäftigen sich in erster Linie mit flüssigen, hochschmelzenden Metallen. Momentan ist eine umfassende Abhandlung über die thermophysikalischen Eigenschaften von flüssigem Aluminium in Arbeit. Der Wissenschafter ist verheiratet und hat zwei Töchter. 

Kontakt

Gernot POTTLACHER
Ao.Univ-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn.
Institut für Experimentalphysik
Petersgasse 16
8010 Graz
Tel.: +43 316 873 8149
E-Mail: pottlacher@tugraz.at
iep.tugraz.at