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Chemiestudium: die Grundlagen des Lebens verstehen

06.03.2024 | TU Graz news | Studium

Von Ute Wiedner

Begeisterung für Laborarbeit, Forensik wie in CSI Serien oder die Liebe zu Naturwissenschaften – all das sind gute Voraussetzungen für ein Chemiestudium. Hier geht es um Studienerfahrungen an der TU Graz und Berufsaussichten.

Sumea Klokic wollte schon immer Vorgänge in der Natur verstehen und entschied sich für ein Chemie-Studium. Heute forscht sie in einer Großforschungseinrichtung in Triest. (Bildquelle: Sumea Kolkic)

Sie wollen die Grundlage der Materie und des Lebens verstehen, wissen, warum Vorgänge in der Natur so und nicht anders ablaufen, sind fasziniert vom Mischverhältnis eines Materials, der Färbung eines Stoffes oder der Zusammensetzung der täglichen Allergietablette – sie haben eines gemeinsam: die Begeisterung für das weite Feld der Chemie. In diesem Beitrag kommen drei Chemiker*innen zu Wort, die nach ihrem Chemiestudium völlig unterschiedliche Berufswege genommen haben: Sumea Klokic, Post-Doc Forscherin des Central European Research Infrastructure Consortium (CERIC-ERIC) am Synchrotron in Triest, Gabriela Luksic, Produktentwicklerin in der Forschung und Entwicklung bei Ringana und Tobias Dorn, Universitätsassistent am Institut für Chemie und Technologie Biobasierter Systeme der TU Graz. Sie werden erzählen, wann ihr Interesse für Chemie erwacht ist, was die größten Überraschungen im Studium waren, wie sie ins Berufsleben eingestiegen sind und was sie heute beruflich tun. Tanja Wrodnigg, Studiendekanin des Bachelorstudiums Chemie sowie stellvertretende Institutsleiterin an der TU Graz, wird ergänzen, wieviel Zukunft aus ihrer Sicht ein Beruf in der Chemie hat und welche besonderen Vorteile der Standort Graz für Chemie-Studierende – und generell für Studierende der Naturwissenschaften – bietet.

CSI Serien, Chemieolympiaden und Ferialjobs: die Wege zum Chemie-Studium

Als Jugendliche verpasste Gabriela Luksic keine Folge von CSI Miami“ oder „CSI New York“, die Forensik hatte es ihr angetan. Sie wusste, sie wollte einmal in einem Labor arbeiten und Blutproben und Fingernägel analysieren. Über verschiedene online Portale bewarb sie sich für Ferialjobs in den Naturwissenschaften – mit Erfolg. „Im Ferialjob am Institut für Analytische Chemie der Uni Graz habe ich tatsächlich Blutproben analysiert und ich habe es geliebt. Es waren keine Mordfälle wie bei CSI (Crime Scene Investigation), sondern es ging um Fische, aber das war mir egal. Auf Basis ganz kleiner Proben konnten wir viel aussagen, was einfach faszinierend war“, erzählt TU Graz-Absolventin Luksic von ihrem Einstieg in die Chemie. Bis heute ist sie der Analytik treu geblieben. Nach dem Bachelorstudium Chemie schloss sie das Masterstudium Biochemie und molekulare Biomedizin ab. TU Graz Absolventin Sumea Klokic wollte schon immer Vorgänge in der Natur verstehen. „Die Antworten liegen meist auf der Ebene der Moleküle und Atome“, ist Klokic überzeugt. Ihr Interesse für Naturwissenschaften wurde bereits im Gymnasium geweckt, wo sie in der Oberstufe die Möglichkeit hatte, bei einer Chemieolympiade teilzunehmen. Dennoch fiel die Entscheidung für das Chemiestudium zögernd, weil die Maturantin niemanden kannte, die oder der Chemie studiert hatte. Schließlich stieg sie an der TU Graz ins Bachelorstudium Chemie ein.

Auch Tobias Dorn fiel die Entscheidung zunächst schwer. Sollte er Chemie studieren? Oder doch lieber Informatik? Schließlich gab der praktische Aspekt den Ausschlag für Chemie. „Ich wollte lieber den ganzen Tag in einem Labor stehen als die gleiche Zeit vor einem Computer zu sitzen“, begründet Dorn seine Entscheidung.

Wegen der praktischen Arbeit im Labor entschied sich Robert Dorn für das Chemie-Studium. Auch als Doktorand spielt sich sein Arbeitsalltag großteils dort ab. (Bildquelle: Robert Dorn – IBioSys)
 

Ebenso wie Physik, Biologie, Mathematik oder Geografie zählt Chemie zu den sogenannten MINT-Fächern. Genaugenommen steht die Abkürzung „MINT“ für die Disziplinen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. In der Steiermark präsentiert der Science Garden" Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern spannende und vielfältige Angebote im MINT-Bereich.

Studienstart: die vielen Seiten der Chemie

Sowohl für Gabriela Luksic als auch für Sumea Klokic brachte die erste Zeit im Studium Überraschungen und Herausforderungen. „Mich überraschte, dass Chemie nicht gleich Chemie ist – und dann wieder doch. Während des Studiums werden unterschiedliche Aspekte der Chemie behandelt, wie beispielsweise Organische Chemie, Analytische Chemie, usw. Doch spätestens bei der ersten wissenschaftlichen Arbeit verstand ich, dass diese Bereiche zusammenhängen und für das Beantworten bestimmter Forschungsfragen auch über die Chemie hinausgehen können“, so Klokic. Und nicht nur das, es galt, Fähigkeiten wie Ausdauer und Zeitmanagement zu entwickeln. Diese Themen stellten sich auch Gabriela Luksic. „Jeder Tag war vollgepackt mit Vorlesungen, Übungen und Laboren. Meine Laborpartnerin war quasi meine Familie. Ich sah sie täglich von morgens bis abends. Das hatte ich so nicht erwartet“, erinnert sich Luksic. Aber da war auch das Spannende. „Die Chemie ist so vielseitig und wir konnten überall hineinschnuppern und versuchten, die Basisprinzipien zu verstehen.“

Besonders in den ersten Semestern des Studiums gibt es viel Stoff zu bewältigen. Das ist auch den Lehrenden klar. „Studierende der TU Graz bekommen viel Unterstützung vonseiten der Universität und der Studienvertretung Chemie in der Hochschülerschaft der TU Graz“, so Studiendekanin Tanja Wrodnigg. „Mein Beginn im Chemiestudium wurde ab dem ersten Tag von Tutoriums-Gruppen und Lerngruppen begleitet, was den Einstieg und das Zurechtfinden im Studium sehr erleichtert hat“, bestätigt Klokic.

Tobias Dorn entwickelte schon im Bachelorstudiums eine besondere Faszination für die chemische Synthese. Die Möglichkeit, neue Substanzen und Stoffe zu erschaffen, die es zuvor nicht gegeben hat, hatte es ihm angetan. „Egal ob es um die Entwicklung pharmazeutischer Wirkstoffe oder moderner Materialien geht – mit den theoretischen und praktischen Methoden der Chemie lassen sich neue Ideen fast immer verwirklichen“, so Dorn.

Informationen über inhaltliche Schwerpunkte, Zulassung, Fristen und Berufsperspektiven finden Interessierte auf den Webseiten Bachelorstudium Chemie und Masterstudium Chemistry (englischsprachig).

NAWI wie Naturwissenschaften – an Uni Graz und TU Graz

Wer sich für Naturwissenschaften interessiert, den Studienort aussuchen kann bzw. aus dem Umfeld von Graz stammt, ist gut beraten, sich das Studienangebot im Rahmen von NAWI Graz anzusehen. „NAWI Graz ist ein einzigartiges Projekt in der europäischen Universitätslandschaft. Die zwei größten Universitäten in der Steiermark, TU Graz und Universität Graz, bieten Bachelorstudien und Masterstudien gemeinsam an. Das Verhältnis Studierende zu Lehrende ist ein ausgesprochen gutes. In der Chemie kommt auf sechs Studierende eine Lehrperson. Dadurch ist das Verhältnis fast schon persönlich“, erklärt Tanja Wrodnigg, Studiendekanin und stellvertretende Leiterin des Instituts für Chemie und Technologie Biobasierter Systeme der TU Graz, die Vorteile des Chemiestudiums am Standort Graz. „NAWI Graz Studierende haben dabei den großen Vorteil, Zugang zur Lehr- und Forschungsinfrastruktur von zwei Universitäten zu erhalten und die Institute und Fachbereiche in der Chemie beider Standorte kennenzulernen. Sie haben früh Gelegenheit, an Forschungsprojekten der beteiligten Institute beider Universitäten mitzuarbeiten, und werden so frühzeitig in die Forschung eingebunden.“

Berufe als Chemiker oder Chemikerin

Die anfänglichen Herausforderungen zu meistern, hat sich für alle drei Chemiestudent*innen gelohnt. Gabriela Luksic schloss an das Bachelorstudium Chemie das Masterstudium Chemie an, welches sie mit dem Titel „Master of Science“ sowie „Diplom-Ingenieurin“ abschloss. „Nach vielfältigen Ferial- und Nebenjobs in der Verfahrenstechnik, der Analytik von Verpackungen oder der Weinanalytik startete ich wenige Tage nach der Masterprüfung als Produktentwicklerin bei Ringana ins Berufsleben. Ringana stellt Kosmetikprodukte und Nahrungsergänzungsmittel her. Letztere, kurz NEMs genannt, sind mein Alltag.“ Luksic hatte sich im Masterstudium zusätzlich zur Chemie dem Studium Biochemie und molekulare Biomedizin zugewandt (und auch dieses erfolgreich abgeschlossen), denn „wenn man die Biochemie betrachtet und das analytische Wissen dazu hat, ist die Welt so viel spannender, weil man die Ursprünge versteht“. Genau dort, bei den Ursprüngen, startet auch ihr Job. Nach der Entscheidung, welche Bausteine – Vitamine, Mineralstoffe und Pflanzenextrakte – ein Produkt braucht, geht es weiter ins Labor, wo Analysen bezüglich Stabilität und Verhalten durchgeführt werden. Anschließend muss die Mischung, die im kleinen Reagenzgefäß funktioniert hat, auch in den Maßstab der Großproduktion übertragen werden. Die letztendliche Rezeptur entsteht. Und zuletzt geht es in die Zusammenarbeit mit dem Marketing, das das Produkt verstehen muss, um es nach außen hin bewerben zu können. „Genau diese Vielseitigkeit ist das Spannende, die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Abteilungen und das Entwickeln von der Idee bis zum fertigen Verkaufsprodukt“, beschreibt Luksic, warum sie ihren Job so liebt.

TU Graz Absolventin Gabriela Luksic liebt die Vielseitigkeit ihrer Tätigkeit als Produktentwicklerin bei Ringana. (Bildquelle: @darkroom125).


Für Tobias Dorn verwirklichte sich der Wunsch, mehr Zeit im Labor als vor dem Computer zu verbringen. Er setzte das Bachelorstudium Chemie direkt mit dem damals noch deutschsprachigen Masterstudium Chemie fort, denn „ein Masterabschluss in den naturwissenschaftlichen Fächern mittlerweile fast Voraussetzung für den Berufseinstieg ist und das Masterstudium Chemie war passend zu meinen Interessen in der Synthese und Grundlagenforschung". Er schrieb seine Masterarbeit am damals neu gegründeten Institut für Chemie und Technologie Biobasierter Systeme der TU Graz, konnte dort anschließend die Stelle eines Universitätsassistenten übernehmen und sein Doktoratsstudium direkt beginnen. Seinen Arbeitsalltag verbringt er hauptsächlich im chemischen Labor mit der Durchführung von Experimenten. Dorn betreibt Grundlagenforschung an der Modifikation von Kohlenhydraten, mit dem Ziel, ihre biologische Wirkung gezielt zu verändern. „Der Prozess der Planung eines Experiments oder einer Syntheseroute und dann die praktische Umsetzung sowie Analytik ist immer wieder eine neue Herausforderung mit – positiven und negativen –Überraschungen und Entdeckungen, wodurch jeder Tag auf‘s Neue spannend wird“. In zehn Jahren will er sich entweder eine Forschungskarriere aufgebaut haben oder in der chemischen Industrie arbeiten, zum Beispiel als Leiter eines Labors.

TU Graz Absolventin Sumea Klokic bei der Arbeit am Elettra Sincrotrone Trieste für das CERIC-ERIC Konsortium. (Bildquelle: Sumea Kolkic – Elettra Sincrotrone Trieste)


Sumea Klokic setzte das Bachelorstudium Chemie mit den Masterstudien Chemie und Technische Chemie – an der TU Graz englischsprachig als Technical Chemistry geführt – fort und schrieb anschließend ihre Doktorarbeit (Dissertation) im Bereich der Anorganischen Chemie. Heute arbeitet sie als Postdoc, das heißt als junge Forscherin mit abgeschlossenem Doktorat, an der Beantwortung spannender Forschungsfragen am österreichischen Standort von CERIC-ERIC – einem multidisziplinären Forschungsinfrastruktur-Konsortium, das an der TU Graz und am Elettra Sincrotrone Trieste angesiedelt ist. „Ich würde gern weiter in der Forschung bleiben, um Grundlagenfragen zu beantworten, welche zukünftig von Bedeutung für den Alltag sein können“, blickt Klokic in die Zukunft.

Wie gefragt ist Chemie?

Die Frage, wieviel Zukunft ein Beruf in der Chemie hat, beantwortet Studiendekanin Wrodnigg eindeutig: „Chemie ist in allen Bereichen des Lebens zugegen“. Dementsprechend vielfältig sind die Einsatzbereiche von Chemikerinnen und Chemikern. „Sie werden in der Lebensmittelproduktion und der Lebensmittelqualitätssicherung gebraucht, in der Entwicklung von pharmazeutischen Produkten gegen Krebs, bakterielle Infektionen, Diabetes, Parkinson oder Alzheimer oder auch für die Herstellung neuer smarter Materialien und Technologien auf der Basis von nachwachsenden Rohstoffen, um nur einige Bereich zu nennen. Die Klimakrise wird nur mit Hilfe von Chemikerinnen und Chemikern zu bewältigen sein“, ist Wrodnigg überzeugt.

Chemikerinnen und Chemiker werden in der Lebensmittelproduktion und der Lebensmittelqualitätssicherung gebraucht, in der Entwicklung von pharmazeutischen Produkten gegen Krebs, bakterielle Infektionen, Diabetes, Parkinson oder Alzheimer oder auch für die Herstellung neuer smarter Materialien und Technologien auf der Basis von nachwachsenden Rohstoffen, um nur einige Bereich zu nennen. (Tanja Wrodnigg)

„Studierende der TU Graz profitieren beim Berufseinstieg von zahlreichen Kooperationen mit Industrieunternehmen wie zum Beispiel Anton Paar, Borealis, Baumit, Andritz Hydro, Mondi, AT&S AVL, ams AG, Continental, BMW, AGRANA GmbH, HILFI,“ weiß Wrodnigg. Im Rahmen von Kooperationsprojekten und beim Verfassen von Masterarbeiten für Industriepartner erhalten sie schon während des Studiums Einblick in die Praxis und können Kontakte zu potenziellen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern knüpfen.
Generell sieht Wrodnigg die besten Berufsaussichten in der Pharmaindustrie, der Batterieforschung und -industrie, der Energieforschung und -industrie und nicht zuletzt in Institutionen, die Strategien gegen den Klimawandel entwickeln.

Berufsfelder, die Chemikerinnen und Chemikern offenstehen:

  • Forschung und Lehre an Universitäten und Instituten
  • Industrielle Forschung und Entwicklung in Pharmazie- und Chemiebetrieben
  • Qualitätssicherung und -kontrolle, Prozessüberwachung
  • Öffentliche Verwaltung in Chemie-, Umwelt- oder Medizinbereichen (z.B. in der Risikobewertung, Chemikaliensicherheit und dem Immissionsschutz)
  • Produktmanagement
  • Chemische Analytik, Medizin- und Umweltdiagnostik (z. B. in der Industrie, in Kliniken, bei Behörden)
  • Leitung von Forschungslabors in Pharmazie- und Chemiebetrieben
  • Batterieforschung
  • Patentwesen (nationale oder internationale Organisationen und Firmen)
  • Lebensmittel-Industrie
  • Papier- und Zellstoff-Industrie
  • Batterie- und Halbleiter-Industrie

Information

Wie weiß ich als Schülerin oder Schüler, ob Chemie für mich das richtige Studium ist?

Angehende Chemie-Studierende sollten Interesse an naturwissenschaftlichen Fächern haben, den Wunsch, grundlegende Dinge der Materie und des Lebens verstehen zu lernen und das Gelernte in der Praxis umzusetzen, Freude und Fähigkeit am experimentellen und praktischen Arbeiten und natürlich Neugier.

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