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Messen und Modellieren für die papierene Optimierung

23.06.2016 | Planet research | FoE Advanced Materials Science | Cooperations

Von Doris Griesser

Papier ist ein wandelbarer Werkstoff für unzählige Anwendungen. Um den Alleskönner aus der Natur für seine vielen Spezialaufgaben fit zu machen, muss man allerdings sein Innerstes genau kennen.

Das Team des neuen „Christian-Doppler-(CD-) Labor für Faserquellung und deren Effekt auf die Papiereigenschaften“
 
 
 

Im neuen „Christian-Doppler-(CD-)Labor für Faserquellung und deren Effekt auf die Papiereigenschaften“ werden die einzelnen Fasern vermessen und analysiert, um so das Verhalten der nächsten Papiergenerationen zu designen.

 
 

Die fortschreitende Digitalisierung ist für Druckereien und Druckerproduzent/innen eine enorme Herausforderung. Es gibt allerdings eine Drucktechnologie, die im Gegensatz zu allen anderen für Zuwachsraten sorgt: der Hochgeschwindigkeits-Inkjet-Druck. Der große Vorteil dieser Technologie ist ihre enorme Arbeitsgeschwindigkeit: In kaum einer halben Sekunde ist ein Blatt bedruckt und die Tinte getrocknet. Da beim Inkjet-Druck keine Druckform hergestellt werden muss, kann man ohne zeitraubende Vorlaufarbeiten und damit auch kleine Auflagen schnell und kostengünstig drucken. Er ist deshalb die optimale Drucktechnologie für den wachsenden Print-on-Demand-Markt. Zum Hemmschuh auf dem Erfolgsweg kann allerdings das bedruckte Papier werden, wenn es nicht schnell genug trocknet und so zum Verschmieren von Schrift und Bildern führt.

Die mechanischen Eigenschaften einzelner Papierfasern (Länge 1–3 mm, Breite 15–30 µm) werden vermessen und zur Erstellung mechanischer Modelle des Fasernetzwerkes genutzt.

Füreinander geschaffen

Um Spezialpapiere wie jenes für den Hochgeschwindigkeits-Inkjet-Druck zu designen, wurde an der TU Graz vergangenes Jahr das „Christian-Doppler-(CD-)Labor für Faserquellung und deren Effekt auf die Papiereigenschaften“ eingerichtet. Eines seiner Ziele ist es, Inkjet-taugliche Papiere zu entwickeln und damit auch die Grundlage für die Herstellung optimierter Drucker zu legen. „Wir arbeiten seit über 15 Jahren an der Verbesserung der Bedruckbarkeit des Papiers für verschiedene Druckverfahren“, erklärt Laborleiter Ulrich Hirn. Für das neue CD-Labor hat der Forscher zwei große, international agierende Kooperationspartner gewinnen können: Mondi Uncoated Fine and Kraft Papers, ein Papierkonzern mit Sitz in Wien, und die Firma Océ Technologies, ein holländisches Tochterunternehmen von Canon, das Digitaldruckmaschinen für den Weltmarkt produziert.

Das Quellungsverhalten der Papierfasern beeinflusst die Festigkeit und die Verformung des Papiers beim Drucken. 

Charakterbild einer Faser

Bei der Entwicklung der für den Inkjet-Druck geeigneten Papiere spielen Simulationen eine zentrale Rolle. Dafür aber müssen Modelle erarbeitet werden, für die zunächst viele einzelne Papierfasern genau zu charakterisieren sind. „Die Papiereigenschaften hängen von den Eigenschaften der einzelnen Fasern ab“, erläutert Ulrich Hirn. „Je nachdem, wie der Rohstoff ist und wie die Fasern behandelt werden, verhält sich dann auch das Papier.“ Auch für die Druckeigenschaften sind die Einzelfasern verantwortlich. Sind diese beispielsweise steif, bekommt man ein voluminöses Blatt. Damit steigt aber die Biegesteifigkeit, die Zugfestigkeit geht zurück und die Flüssigkeitsabsorption wird besser. Die Quellungseigenschaften der Einzelfaser müssen exakt ermittelt werden, um das Druckpapier so verändern zu können, dass es den Anforderungen genügt.

 

Langwierige Analysearbeit

Da jede Faser eine eigene komplexe Geometrie und unterschiedliche mechanische Eigenschaften aufweist, ist ihre Charakterisierung eine äußerst zeitintensive Angelegenheit. Um Zugfestigkeit, elastisch-plastisches Verhalten oder das Kriechverhalten bei Feuchtigkeit mechanisch zu testen, brauchen wir für die Untersuchung einer einzigen Fasersorte mehrere Monate“, berichtet Ulrich Hirn. Eine Gruppe hoch spezialisierter Expertinnen und Experten ist ausschließlich für diese aufwendigen Tests zuständig. Sie können schließlich nach Jahren und vielen zermürbenden Fehlversuchen das tiefenscharfe Charakterbild von einigen 100 Papierfasern der verschiedenen Zellstoffsorten liefern.

 

Die Struktur des Papiers wird analysiert, um den Prozess des mechanischen Versagens unter Belastung besser zu verstehen. 

Simulierte Drucker

„Es sind vor allem die Druckmaschinenhersteller, die solche Modelle brauchen“, erklärt der Papierforscher. „Denn damit können sie eine neue Druckmaschine simulieren und optimieren, bevor sie in der Werkshalle gefertigt wird.“ Um die Entwicklungszeiten der Druckmaschinen zu verringern, wird das Zusammenwirken von Maschine und Papier sinnvollerweise vor der Produktion in Simulationen durchgespielt. Gibt es als Folge der Faserquellung etwa Unebenheiten im Papier, kann es leicht am Druckkopf anstreifen, sodass die Tinte verschmiert. Diese Gefahr ist gerade bei Highspeed-Inkjet-Druckern hoch, da der Abstand zwischen Druckkopf und Papier nur etwa einen Millimeter beträgt. Um Probleme solcher Art zu vermeiden, werden die Drucker schon in der Konstruktionsphase an die Eigenschaften des Papiers angepasst. Da der Werkstoff Papier auch starke „innere Verspannungen“ aufweist, müssen auch diese in das Simulationsmodell einfließen. „Diese Verspannungen sind für viele unerwünschte Reaktionen wie etwa das Einrollen bei der Trocknung des Papiers verantwortlich“, so Ulrich Hirn.

 

Stärkung für papierene Schwerarbeiter

Neben dem Druckpapier werden im Grazer CD-Labor auch Sackpapiere, wie sie beispielsweise für Zementsäcke eingesetzt werden, bis in ihr Innerstes durchleuchtet. Forschungsziel ist eine verbesserte Reißfestigkeit dieser Schwerarbeiter-Papiere bei gleichzeitiger Senkung der Produktionskosten. Das ist alles andere als eine triviale Aufgabenkombination – aber die findet man bei interessanten Forschungsprojekten ohnehin nie.

 

Kontakt

Ulrich HIRN
Assoc.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. 
Institut für Papier-, Zellstoff- und Fasertechnik
Inffeldgasse 23 (A)
8010 Graz
Tel.: +43 316 873 30753
Fax: +43 316 873 30752
ulrich.hirnnoSpam@tugraz.at