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To integrate or not to integrate?

29.06.2016 |

Von Michael Monsberger

Das optimale Zusammenwirken von Gebäudehülle und -struktur mit gebäudetechnischen Systemen ist eine Schlüsselfrage bei der Realisierung nachhaltiger Gebäude.

Planung gebäudetechnischer Systeme mit einer BIM(Building Information Modelling)-Plattform.

Um dies zu erreichen, bedarf es eines gesamtheitlichen, integrativen Denkansatzes, dessen praktische Umsetzung vielschichtige Fragestellungen aufwirft. Mit diesen wird sich die neue FoE-Professur für „Integrated Building Systems“ im Rahmen interfakultärer Forschungsaktivitäten an der TU Graz auseinandersetzen.

Gebäudetechnik spielt heute in vielerlei Hinsicht eine wichtige Rolle. Der Anteil des technischen Ausbaus an den Investitionskosten eines Gebäudes kann abhängig von dessen Komplexität bis zu 40 Prozent betragen. Die Gestaltung dieses technischen Ausbaus kann 40 Prozent der Betriebskosten direkt beeinflussen. Etwa 40 Prozent des Endenergieverbrauchs der EU werden in Gebäuden umgesetzt, wobei die Effizienz dieser Energienutzung auch stark von der Gebäudetechnik abhängt. Diese bestimmt heute in der Regel auch in wesentlichem Umfang die Nutzungsqualität und den Nutzungskomfort eines Gebäudes. Der moderne Mensch verbringt etwa 80 bis 90 Prozent seines Lebens in geschlossenen Raumen. Somit beeinflussen gebäudetechnische Systeme auch maßgeblich Aspekte wie Gesundheit, Leistungsfähigkeit und persönliches Wohlergehen. Die beste Gebäudetechnik nutzt nichts, wenn sie falsch konzipiert, ausgeführt oder betrieben wird. Somit ist nicht das Mas des technischen Ausbaus entscheidend, sondern ein schlüssiges Gesamtkonzept, das den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes in Betracht zieht und dabei die Gebäudetechnik in vollem Umfang berücksichtigt. Dies ist ein wesentlicher Aspekt eines integrativen Projektansatzes. Folgende drei Punkte erscheinen dabei besonders relevant: der richtige Prozess, die richtige Technologie und der richtige Betrieb.

Der richtige Prozess

Beim Entwurf und der Umsetzung eines Gebäudes sollte der technische Ausbau in allen Projektphasen von der Bedarfsermittlung bis hin zur Inbetriebnahme vollständig berücksichtigt werden. Dies ist ein wichtiger Aspekt der „integralen Planung“, die auch die richtige Projektorganisation (inklusive Ausschreibung und Vertragswesen) umfassen muss. Die Relevanz dieses Themas wird offenkundig, wenn man die Bauzeit- und Baukostenüberschreitungen bei vielen Großprojekten betrachtet. Gebäudetechnik spielt dabei oft eine zentrale Rolle, insbesondere, wenn sie erst in fortgeschrittenen Projektphasen vollständige Beachtung findet, in denen die Freiheitsgrade der Gestaltung bereits eingeschränkt sind. Zur Etablierung integrativer Ansätze ist es notwendig, die Vorteile gegenüber der klassischen gewerkeorientierten, sequenziellen Herangehensweise bei der Projektentwicklung aufzuzeigen. Der meist hohe Kostendruck in der Planung und Ausführung stellt dabei eine nicht unwesentliche Herausforderung dar. Es müssen daher neue Methoden und Prozesse untersucht und demonstriert werden, die unter den gegebenen Rahmenbedingungen eine breite Umsetzung dieses Ansatzes ermöglichen.

Forschungsschwerpunkte und interfakultäre Schnittstellen der FoE-Professur „Integrated Building Systems".

Die richtige Technologie

Ein integrativer Projektansatz bringt unmittelbar auch eine Auseinandersetzung mit der Frage des angemessenen Einsatzes von Technologie in Gebäuden mit sich. Technologien stellen eine Möglichkeit dar, den steigenden Anforderungen an Gebäude gerecht zu werden. Andererseits müssen Aspekte wie Nutzungsflexibilität, Wartungsintensität, Wiederverwertbarkeit eingesetzter Materialien und vor allem auch der Wunsch nach einer möglichst natürlichen Lebensumgebung Berücksichtigung finden. Die geforderte Funktionalität kann dabei durch einen ausgeprägten Einsatz von Gebäudetechnik (Hightech-Gebäude) oder durch einen bewusst weniger starken Einsatz von Gebäudetechnik (Lowtech-Gebäude) realisiert werden, wobei in letzterem Fall mehr Funktionalität von der Gebäudehülle und -struktur übernommen wird. Beide Varianten müssen im Zuge von Forschungsarbeiten weiterentwickelt und insbesondere auch bezüglich ihrer Vor- und Nachteile beurteilt werden.

Der richtige Betrieb

Der Betrieb stellt einen wesentlichen Teil des Ressourcenverbrauchs sowie der Lebenszykluskosten eines Gebäudes dar. Er ist damit ein wichtiger Aspekt in einem integrativen Projektansatz. Der fortschreitende Einsatz von Sensorik und die Vernetzung von Daten ermöglichen es in zunehmendem Maß, Informationen über Gebäude beziehungsweise das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer zu gewinnen. Diese können zum Beispiel für einen optimierten Betrieb der gebäudetechnischen Systeme unter Berücksichtigung des Nutzer/-innenverhaltens verwendet werden. Aus Datenanalysen abgeleitete Erfahrungen zur Funktionalität von Gebäuden können jedoch auch in den Planungsprozess rückgeführt werden, um aus ihnen zu lernen. Die nutzbringende Verarbeitung von Gebäudedaten stellt somit ein weiteres relevantes Forschungsfeld dar. Forschungsaktivitäten in den drei genannten Bereichen bedürfen einer stark interdisziplinaren Ausrichtung, die durch die Positionierung des Forschungsbereichs „Integrated Building Systems“ im Field of Expertise „Sustainable Systems“ ermöglicht wird. Durch Forschungsarbeiten im FoE soll der bereits begonnene Transformationsprozess zu integrativen Herangehensweisen vorangetrieben und mitgestaltet werden.

Information

Michael Monsberger ist Professor für Integrated Building Systems am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft der TU Graz und damit Teil des FoE „Sustainable Systems“. Er möchte insbesondere Akzente in der interdisziplinären Forschung und Lehre im Bereich Gebäudetechnik setzen.

Kontakt

Michael MONSBERGER
Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft
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8010 Graz
Tel.: +43 316 873 6255
Fax: +43 316 873 106255
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