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Simulationen für die Fusionsforschung

05.04.2016 | Planet research | FoE Information, Communication & Computing

Von Ulrike Keller

Durch die Kernfusion könnte in Zukunft ein Großteil unseres Energiebedarfs gedeckt werden. Die TU Graz ist ein Hotspot für Fusionsforschungsprojekte in Österreich.

Die Kernfusion ist die Energiequelle der Sonne.

Im Inneren der Sonne brennt ein stetiges Fusionsfeuer: Hier wird Wasserstoff unter gewaltiger Energieabgabe zu Helium fusioniert. Das Modell der Sonne liegt der Fusionsforschung zugrunde. Ihr Ziel ist es, zukünftig durch das Verschmelzen von Atomkernen in einem Kraftwerk Wärmeenergie zu gewinnen, die zur Stromerzeugung genutzt werden kann. Auf der Fusionsforschung ruhen große Hoffnungen: Ein Gramm Fusionsbrennstoff könnte so viel Energie freisetzen wie 11 Tonnen Kohle. So könnte in Zukunft ein Großteil des weltweit steigenden Energiebedarfs gedeckt werden. Zugleich sind die Grundstoffe für die Fusion – Deuterium und Lithium, aus dem Tritium gewonnen werden kann – in nahezu unerschöpflichen Mengen auf der Welt vorhanden. Weitere große Pluspunkte sind, dass weder das Weltklima belastet, noch Gefahren wie bei Atomkraftwerken drohen.

Grafische Darstellung der Kernfusion.

In Fusionsreaktoren werden Tritium- und Deuterium-Atome so stark beschleunigt, dass die Kerne miteinander verschmelzen. Es entstehen ein Heliumkern und ein sehr energiereiches Neutron. Deren Bewegungsenergien werden in unterschiedlichen Prozessen in Wärme umgewandelt. Daraus soll dann über Wärmetauscher und Dampfturbinen Elektrizität erzeugt werden.

Leitstern Sonne

Das Vorbild Sonne lässt sich jedoch schwer nachahmen: Im riesigen Plasmaball herrschen unvorstellbar hohe Drucke von über 20 Billiarden Pascal. Nur so können die elektrischen Abstoßungskräfte überwunden werden, die zu einer Kernfusion führen. Um Atomkerne auf der Erde fusionieren zu können, müssen die Temperaturen im Fusionsreaktor sehr hoch sein. Zwar können Wissenschafterinnen und Wissenschafter das Fusionsfeuer bereits entfachen; die zur Zündung notwendige Temperatur des Plasmas wird unter anderem dadurch erreicht, indem man es mit Mikrowellen beschießt. Allerdings muss das heiße Plasma über längere Zeit stabil gehalten werden, um zukünftig in einem Kraftwerk Strom erzeugen zu können. Dies ist derzeit jedoch noch nicht möglich.

Wasserstoff-Plasma in Wendelstein 7-X.

Plasma ist ionisiertes Gas, in dem sich negativ geladene Teilchen (Elektronen) und positiv geladene Atomkerne (Ionen) frei bewegen. Dadurch ist Plasma elektrisch leitend und die Bewegung der geladenen Teilchen lässt sich durch elektrische und magnetische Felder beeinflussen. In Fusionsanlagen kann das heiße Plasma so in einem „Magnetfeldkäfig“ eingeschlossen und von den Wänden ferngehalten werden, die das Plasma abkühlen und dadurch selbst schmelzen würden. Bild: Das erste Wasserstoff-Plasma in Wendelstein 7-X (3. Februar 2016). Es dauerte eine Viertel Sekunde und erreichte – bei moderater Plasmadichte – eine Temperatur von rund 80 Millionen Grad Celsius.

Grundlagenforschung

„Das Plasma besteht aus immens vielen geladenen Teilchen, die sich gegenseitig beeinflussen. Sein Verhalten im Detail vorherzusagen ist nur möglich, wenn man das System auf physikalischer Basis versteht“, erklärt Winfried Kernbichler vom Institut für Theoretische Physik der TU Graz. Gemeinsam mit dem Doktoranden Gernot Kapper befasst er sich derzeit mit Modellierungen und Simulationen von Transport in Plasmen, um das Verhalten des ionisierten Plasmagases besser verstehen zu können. Unter anderem liefern sie Simulationsdaten zur Berechnung der Mikrowellenheizung und zum Einschluss von schnellen Teilchen im Plasma von Wendelstein 7-X. Dabei handelt es sich um eine Experimentieranlage vom Typ Stellarator am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik im deutschen Greifswald, die Ende 2015 in Betrieb gegangen ist. Mit Wendelstein 7-X soll grundsätzlich demonstriert werden, ob sich das Verschmelzen von Wasserstoffisotopen zur industriellen Stromgewinnung nutzen lässt.
Computergrafik von Plasma, Magnetspulen samt Verkabelung und Kühlleitungen, innerer Stützstruktur sowie Teilen der Außenhülle der Fusionsanlage Wendelstein 7-X.

Computergrafik von Plasma, Magnetspulen samt Verkabelung und Kühlleitungen, innerer Stützstruktur sowie Teilen der Außenhülle der Fusionsanlage Wendelstein 7-X. In der Experimentieranlage vom Typ Stellarator wird der magnetische Käfig durch ein einziges Spulensystem erzeugt.

Blick in die Zukunft

Die physikalischen Grundlagen für ein Fusionskraftwerk zu vervollkommnen, wird die Plasmaphysiker in Theorie und Experiment noch einige Zeit beschäftigen. Parallel dazu werden die speziellen Technologien weiterentwickelt, die für ein Fusionskraftwerk benötigt werden, etwa für die Plasmaheizung oder für die Entwicklung adäquater Materialien. Die Forschungsgruppe an der TU Graz ist auch im Bereich des zweiten vielversprechenden magnetischen Einschlusskonzeptes, dem sogenannten Tokamak, mit theoretischen Arbeiten und numerischen Simulationen beteiligt. Die weltweiten Ergebnisse beider Forschungsschienen sollen schlussendlich in einem bestmöglichen Fusionsreaktor resultieren, der in einigen Jahrzehnten realisiert werden könnte.

Winfried Kernbichler und Gernot Kapper in der Bibliothek des Instituts für Theoretische Physik.

Winfried Kernbichler und Gernot Kapper am Institut für Theoretische Physik der TU Graz befassen sich mit digitalen Simulationen der physikalischen Abläufe in Plasmen.

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An der TU Graz ist dieses Forschungsthema im Field of Expertise „Information, Communication & Computing“ verankert, einem von fünf strategischen Forschungsschwerpunkten.

Information

Die EU-weiten Forschungsaktivitäten im Bereich Kernfusion werden vom EUROfusion Konsortium geleitet. Österreichische Universitäten und Institute, darunter das Institut für Theoretische Physik an der TU Graz, tragen maßgeblich zur Fusionsforschung bei. Die Aktivitäten in Österreich werden von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften koordiniert.

Kontakt

Winfried KERNBICHLER
Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn.
Institut für Theoretische Physik - Computational Physics
Petersgasse 16
8010 Graz
Tel.: +43 316 873 8182
winfried.kernbichlernoSpam@tugraz.at