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Optimierte Energiesysteme für Heizung und Kühlung

18.12.2018 |

Von Hermann Schranzhofer, Andreas Heinz

Die gleichnamige Arbeitsgruppe am Institut für Wärmetechnik beschäftigt sich seit ca. 20 Jahren mit dem Thema „Energieeffiziente Gebäude“.

Abbildung 1: Ansicht einer thermischen Anlagensimulation in der Benutzer/innenoberfläche einer am Institut verwendeten Simulationsumgebung.

Der inhaltliche Bogen reicht dabei von der Entwicklung gebäudetechnischer Einzelkomponenten bis hin zur Konzeptionierung und Optimierung komplexer energietechnischer Gesamtanlagen für die Heizung und Kühlung von Gebäuden und ganzen Siedlungsgebieten.

Dem Gebäudebereich kommt für die Erreichung der energie- und klimapolitischen Zielsetzungen Österreichs eine zentrale Rolle zu. Ein Drittel des Endenergieverbrauchs wird für die Bereitstellung von Raumwärme, Warmwasser und Kühlung in Gebäuden aufgewendet. Die für die Energieversorgung verwendeten Systeme bestehen bei Einbindung erneuerbarer Energieträger fast immer aus mehreren Wärmeerzeugungssystemen (zum Beispiel Sonnenkollektoren, Wärmepumpe, Kessel) und weiteren Komponenten (Wärmespeicher, Rohrleitungen, Ventile etc.). Die Grundlage für einen niedrigen Energieverbrauch ist der Einsatz von effizienten Wärmeerzeugern. Jedoch zeigen die Ergebnisse vieler Forschungsprojekte über Feldmessungen und Simulationen, dass auch hocheffiziente Einzelkomponenten oft ihre Vorteile in komplexen Gesamtsystemen nicht ausspielen können, wenn die einzelnen Teilsysteme nicht optimal aufeinander abgestimmt sind. Über thermische Gebäude- und Anlagensimulationen können derartige Systeme inklusive Regelung detailliert abgebildet, bewertet und optimiert werden (siehe Abbildung 1).

Die Arbeitsgruppe war und ist in einer Vielzahl von Projekten an der Entwicklung und Optimierung von gebäudetechnischen Komponenten wie zum Beispiel Sonnenkollektoren, Wärmespeicher und Wärmepumpen beteiligt. Methodisch kommen dabei vor allem Simulationen mit detaillierten numerischen Modellen, unterstützt durch experimentelle Arbeiten im Labor, zum Einsatz (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Simulation der Strömung in einem Wärmespeicher.

Phasenwechselmaterialien

In den letzten Jahren wurde beispielsweise in unterschiedlichen Forschungsprojekten zum Thema Wärmespeicherung mit sogenannten Phasenwechselmaterialien (Phase Change Material, PCM) geforscht. Diese Materialien durchlaufen im angewendeten Temperaturbereich einen Phasenwechsel (fest/flüssig), wodurch über die Schmelzwärme eine höhere Speicherdichte erreicht werden kann. Im mittlerweile abgeschlossenen EU-Projekt COMTES wurde die Eigenschaft der Unterkühlung eines PCM ausgenutzt, um Wärme über einen längeren Zeitraum nahezu verlustfrei zu speichern (siehe Abbildung 3). Bekannt ist dieser Unterkühlungseffekt von den am Markt erhältlichen Handwärmern (kleine, mit PCM gefüllte Kunststoffpäckchen mit Aktivierung über Metallplättchen).

Abbildung 3: Versuchsaufbau zur Funktionsprüfung von unterschiedlichen Mechanismen für die Auslösung der Kristallisation eines unterkühlten PCM.

Zur Bewertung von Systemen mit Wärmepumpen wurde in den letzten Jahren ein semiphysikalisches Modell entwickelt, das sich vor allem für Simulationen über lange Betrachtungszeiträume eignet. Im Vergleich zu dafür sonst üblichen empirischen Kennlinienmodellen wird eine wesentlich detailliertere Betrachtung der Wärmepumpe und deren Regelung im System ermöglicht, da sowohl verschiedene Schaltungen des Kältemittelkreislaufs als auch unterschiedliche Kältemittel, drehzahlgeregelte Kompressoren etc. simuliert werden können. Aktuell wird in Zusammenarbeit mit Wärmepumpenherstellern in den Projekten HybridHeat4San und Energieschwamm untersucht, wie der Strombezug aus dem Netz bzw. die Betriebskosten durch gezielte Leistungsanpassung der Wärmepumpe abhängig von aktuell vorhandenem Photovoltaikstrom und Stromtarifen minimiert werden können.

Experimentelle Arbeiten

Für Experimente auf Gebäudeebene wurden am Campus Inffeldgasse der TU Graz zwei baugleiche Versuchsgebäude errichtet. Hier wurden in einem bereits abgeschlossenen Projekt (MPC-BOXES) unterschiedliche Regelungskonzepte für thermisch aktivierte Bauteilsysteme (TABS) untersucht. Vor allem der innovative Ansatz einer modellprädiktiven Regelung (MPC) stand hier im Zentrum der Untersuchungen, wobei über die thermisch identischen Gebäude ein direkter Vergleich mit konventionellen Regelungsansätzen ermöglicht wurde.

Im derzeit laufenden Projekt COOLSKIN wird ein aktives Fassadenelement zur dezentralen Kühlung und teilweisen Beheizung von Büroräumen an diesen Gebäuden getestet. Die an der Fassade auftreffende Sonnenstrahlung wird dabei über Photovoltaikmodule in elektrische Energie umgewandelt, die direkt oder zeitversetzt zum Antrieb einer kleinen integrierten Wärmepumpe verwendet wird, die den angrenzenden Raum je nach Bedarf kühlt oder beheizt (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Identische Versuchsgebäude am Campus Inffeldgasse der TU Graz.

Im Research Studio EnergySimCity werden Methoden entwickelt, mit denen ganze Stadtteile über Simulationen energetisch untersucht werden können. Hier werden – wie auch im Projekt ÖkoOptQuart – mehrere Simulationsumgebungen über einen Co-Simulationsansatz gekoppelt, um Regelung, Wärmenetz und Gebäude samt Gebäudetechnik abzubilden. Dadurch lassen sich die Stärken verschiedener Simulationswerkzeuge in einer Gesamtsimulation nutzen, um Schwächen in anderen zu kompensieren.

Aktuell

Eine derzeit sehr aktuelle Aufgabenstellung besteht darin, die Einbindung erneuerbarer Energieträger in Wärmenetze zu forcieren. Durch den Einsatz von thermischen Anlagensimulationen können hier wesentliche Potenziale aufgezeigt werden. In urbanDH-extended werden Systeme untersucht, die man in Wärmenetze integrieren kann. Hier sind vor allem Modellkomponenten für große Speicher (zum Beispiel Erdbeckenspeicher), Solarkollektorfelder und Wärmepumpen von Interesse. Ein Untersuchungsschwerpunkt ist hier die Einsatzreihenfolge der unterschiedlichen Technologien, um im Gesamtsystem den entscheidenden Vorteil zu liefern.

Information

Hermann Schranzhofer ist Projekt-Senior-Scientist in der Arbeitsgruppe „Energieeffiziente Gebäude“ am Institut für Wärmetechnik.

Andreas Heinz ist Senior Scientist in der Arbeitsgruppe „Energieeffiziente Gebäude“ am Institut für Wärmetechnik.

Kontakt

Hermann SCHRANZHOFER
Dipl.-Ing. Dr.mont.
Institut für Wärmetechnik
Inffeldgasse 25/B
8010 Graz
Tel.: +43 316 873 7314
hermann.schranzhofernoSpam@tugraz.at

Andreas HEINZ
Dipl.-Ing. (FH) Dr.techn.
Institut für Wärmetechnik
Inffeldgasse 25/B
8010 Graz
Tel.: +43 316 873 7113
andreas.heinz@tugraz.at