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Neue biologische Ansätze für die Synthesechemie

01.07.2017 |

Von Martina Geier

Die Pharmaindustrie ist auf der Suche nach nachhaltigen und kostengünstigen Herstellungsverfahren für Medikamente.

Die Werkzeugkiste für den synthetischen Biologen.

Im Rahmen des CHEM21-Projekts haben Projektteams an der TU Graz und am Kompetenzzentrum acib gentechnische Werkzeuge entwickelt, um in Zukunft maßgeschneiderte Mikroorganismen für die Arzneimittelproduktion schnell und einfach zur Verfügung zu stellen.

In klassischen Produktionsprozessen werden oftmals bis zu 100 kg an Rohstoffen eingesetzt, um 1 kg an Wirkstoff für Medikamente herzustellen. Diese Ineffizienz stellt nicht nur ein Problem für die Umwelt dar, sondern ist auch maßgeblich für den Preis von Arzneimitteln verantwortlich. Die Knappheit von Edelmetallen wie Platin ist zusätzlich problematisch für die Pharmaindustrie, da diese in vielen Synthesewegen als Katalysatoren eingesetzt werden. Um diese Probleme nachhaltig lösen zu können, braucht es innovative alternative Produktionsmethoden. Das von der EU und von der Innovative Medicines Initiative (IMI) geförderte Projekt CHEM21 arbeitet daran, genau solche neuen Methoden für die Pharmaindustrie des 21. Jahrhunderts zu entwickeln.

CHEM21 

Im Rahmen des CHEM21-Projekts haben sich Forschendenteams vom Institut für Molekulare Biotechnologie an der TU Graz sowie vom acib, dem österreichischen Kompetenzzentrum für industrielle Biotechnologie, damit beschäftigt, Konzepte aus der synthetischen Biologie für die Arzneimittelproduktion zu nutzen. Unter synthetischer Biologie, einem relativ jungen Forschungsfeld, versteht man das Konstruieren und Erforschen von nicht-natürlichen biologischen Systemen, um damit unter anderem neue Produkte herzustellen. Eine der ersten umgesetzten Anwendungen und somit auch ein prominentes Beispiel der synthetischen Biologie ist die Herstellung des Malariawirkstoffes Artemisinin in der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae. Die Entwicklung dieses Hefestamms, die die Übertragung von pflanzlichen Stoffwechselschritten in die Hefe beinhaltete, nahm mehrere Jahre und große Summen an Forschungsgeldern in Anspruch. Ziel im CHEM21-Projekt war es daher, Methoden zu etablieren und zu evaluieren, wie solche maßgeschneiderten Mikroorganismen in kürzerer Zeit hergestellt werden können. Dabei entstand eine „Werkzeugkiste“ mit komplementären Komponenten, die in Zukunft für die schnelle und einfache Konstruktion von natürlichen oder synthetischen Stoffwechselwegen in Bakterien und Hefen verwendet werden können.

Im Labor werden die neuesten Ergebnisse besprochen.

Wichtige Werkzeuge 

Stoffwechselwege zu komplexen Molekülen bestehen aus mehreren Reaktionsschritten, die von Enzymen katalysiert werden. Diese Enzyme müssen im Wirtsorganismus in ausreichender und ausbalancierter Menge produziert werden. Daher sind Promotoren – genetische Schalter, die die Produktion von Enzymen regulieren – wichtige Werkzeuge, um hohe Produktausbeuten zu erzielen. Das CHEM21-Team am Institut für Molekulare Biotechnologie hat für die biotechnologisch relevante Hefe Pichia pastoris ein Set an neuen Promotoren identifiziert, die sich in ihrer Stärke und in ihrem Regulationsprofil unterscheiden. Diese Promotoren wurden von acib-Forschenden in weiterer Folge verwendet, um Stoffwechselwege für die Produktion von β-Carotin (oranger Farbstoff z. B. in Karotten) und Violacein (violettes Pigment mit antibakterieller Wirkung) erfolgreich in der Hefe nachzubilden. Die resultierenden bunten Hefestämme sorgten dabei nicht nur für Spaß im Labor, sondern zeigten durch ihre intensive Färbung auch hohe Produktmengen an.

Neues Konzept 

Für die simultane Produktion von mehreren Enzymen in Hefen wurde zusätzlich eine alternative Herangehensweise getestet. Normalerweise benötigt man in höheren Organismen für jedes zu produzierende Enzym einen separaten Promotor, der die Expression des zugehörigen Gens steuert. Beim Nachbauen von sehr großen Stoffwechselwegen, die aus zehn oder mehr Enzymen bestehen, kann das zu Problemen führen, z. B. erschwert die Größe des DNA-Konstrukts alle molekularbiologischen Arbeitsschritte. Mehrere Gene können aber auch unter nur einem Promotor exprimiert werden. Diese sogenannte polycistronische Expression kommt in Bakterien natürlich vor, in Hefen kann sie durch den Einsatz von spezifischen DNA-Elementen realisiert werden. Im Rahmen des CHEM21-Projekts konnte gezeigt werden, dass selbstprozessierende 2A-Sequenzen als Werkzeuge für diesen Zweck genutzt werden können. Erstmals wurden neun Gene polycistronisch in Pichia pastoris exprimiert und die produzierten neun Enzyme resultierten in funktionellen Stoffwechselwegen.

Das Einbringen von neuen Stoffwechselwegen führt zu Mikroorganismen mit neuen Eigenschaften, die in Zukunft für die Herstellung von Medikamenten genutzt werden können.

Weiterer Weg 

Die ersten Werkzeuge, darunter auch Assemblierungstechniken sowie modifizierte Plattformstämme mit verbesserten Eigenschaften, die gemeinsam in Graz entwickelt wurden, sind bereits an Projektpartner aus der Pharmabranche weitergegeben worden, wo sie jetzt auf ihre Anwendbarkeit im industriellen Maßstab getestet werden. Es wird sich zeigen, ob einige davon in zukünftigen Produktionsprozessen Anwendung finden und chemische Syntheseschritte ersetzen, um so dem Ziel der nachhaltigen und kostengünstigen Arzneimittelproduktion näherzukommen. Die komplementären Expertisen sowie die gute Vernetzung zwischen dem Institut für Molekulare Biotechnologie und dem acib haben nicht nur zu einem erfolgreichen Abschluss des Projekts geführt, sondern auch die Grundlagen geschaffen, um neue Herausforderungen im Bereich der synthetischen Biologie in Angriff nehmen zu können. 

Bunte Hefestämme, die natürliche Farbstoffe produzieren.

Information

Martina Geier ist Wissenschafterin am Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib GmbH). Ihr aktueller Forschungsschwerpunkt liegt auf der Herstellung von „Designer-Hefen“ für neue synthetische Anwendungen.

Kontakt

Martina GEIER
Dipl.-Ing. Dr.techn.
Institut für Molekulare Biotechnologie
Petersgasse 14
8010 Graz
Tel.: +43 316 873 9346
martina.geiernoSpam@tugraz.at