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Zwischen Physik und Philosophie

02.02.2017 | Face to face

Von Birgit Baustädter

Physik und Philosophie sind Spezialgebiete von Andreas Hauser. In beidem hat er promoviert – beruflich steht die Physik im Vordergrund. Der 36-jährige hat viele Facetten – nicht nur in der Forschung.

Wissenschafter Andreas Hauser in seinem Labor.
Philosophie und Physik – zwei Wissenschaften, die für Andreas Hauser zwar grundverschieden sind, sich aber in vielen Punkten ergänzen. Weil: „In der Physik stößt man früher oder später auf unüberwindbare Erkenntnisgrenzen. Aber die Fragen, die man sich als Forschender stellt, hören dort nicht auf, und man betritt das spannende Gebiet der Philosophie.“ Zum Beispiel, wenn es um Visionen zur künstlichen Intelligenz, Parallelwelten, dem Verhältnis zwischen Geist und Materie oder dergleichen geht, aber vor allem auch bei Überlegungen wie beispielsweise: „Wie stelle ich mir ‚Kraft‘ eigentlich vor?"   

Wie stelle ich mir ‚Kraft‘ eigentlich vor?

News+Stories: Wo überschneiden sich Geistes- und Naturwissenschaft momentan am eindrucksvollsten?

Andreas Hauser: Aus aktuellem Anlass können wir hier zum Beispiel den Bereich künstlicher Intelligenz heranziehen. Besonders spannend ist das Projekt „DeepMind“ von Google: Das Unternehmen hat vor kurzem ein neuronales Netzwerk (Anm.: eine Art künstliches Gehirn) entworfen, dass wunderbar Go spielen kann. Dieses komplexe asiatische Brettspiel lebt von Taktik, Kreativität und Strategie. Bis vor kurzem konnte noch kein einziges Computerprogramm einem Profispieler auch nur das Wasser reichen. Aber: Das Computerprogramm AlphaGo von DeepMind, konnte 2016 den koreanischen Go-Großmeister Lee Sedol 4:1 besiegen. Es scheint so, als würden langsam letzte Hürden überwunden werden. Der Computer schlägt uns nun erstmals schon in menschlichen Kernkompetenzen. Das regt sowohl Natur-als auch Geisteswissenschaftler zur hitzigen Diskussionen an.  

Der Computer schlägt uns nun erstmals schon in menschlichen Kernkompetenzen.

Irgendwann auf meinem Weg musste ich mich bezüglich meiner Karriere entscheiden und ich habe die Physik gewählt. Ich würde aber die Trennung auch gar nicht so scharf ziehen. In unserer hektischen Zeit macht man sich als Forscher leider zu selten Gedanken darüber, wie man all die Begriffe der modernen Physik in ein funktionierendes Weltbild eingliedert, das man jemandem, der nicht vom Fach ist, auch noch mit gutem Gewissen anbieten kann.

Können Sie ihre philosophischen Kenntnisse in die momentane Forschungsarbeit einbringen?

Andreas Hauser: Momentan eher nicht. Aber ich finde die Umgebung an der TU Graz und das Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen sehr inspirierend. Ich merke aber, dass mein Hintergrund bei Grundlagenproblemen wie Begriffsbildung hilfreich ist, um Dinge besser einordnen zu können, besonders bei sehr abstrakten Konzepten aus der Quantenmechanik. Die moderne Physik ist sehr kompliziert, man muss sich lange mit bestimmten Dingen auseinandersetzen, bis man sie hinreichend gut versteht. Bei der Quantenphysik ist das besonders augenfällig – über sie kann man sich kaum oberflächlich unterhalten. Einerseits ist es für Laien ohne physikalische Grundausbildung schwierig, sich sinnvoll in die Diskussion einzubringen. Andererseits lassen sich Physiker oft zu philosophischen Ergüssen hinreißen, die auf Geisteswissenschaftler eher uninformiert und naiv wirken. Die oft spürbare Arroganz auf Seiten der Naturwissenschaftler halte ich für völlig unangebracht.

Hat Sie diese Dualität schon immer interessiert?

Andreas Hauser: Ja.  Schon damals am Gymnasium in Judenburg, meiner Heimatstadt. Neben der Physik habe ich mich sowohl für Latein als auch Philosophie interessiert. Nach meinem Studium in Graz bin ich mit meiner damaligen Lebensgefährtin und meinem heute 15-jährigen Sohn Jakob nach Neuseeland aufgebrochen, wo ich zwei Jahre an der Massey University in Auckland beschäftigt war. Das war sowohl in der Forschung als auch für uns als Familie eine tolle Zeit. Als theoretischer Physiker hat man den Vorteil, dass man weniger an große Geldmittel oder Universitäten mit hoher Reputation gebunden ist. Viel wichtiger ist da die  Einzelperson, die einen in seinen eigenen Ideen unterstützt und weiterbringen kann. Bei diesem ersten Auslandsaufenthalt war das damals Peter Schwerdtfeger, ein Experte auf dem Gebiet der relativistischen Quantenchemie. Danach war ich noch zwei Jahre an der University of California in Berkeley und beschäftigte mich mit der Katalyse an Metallpartikeln – einem Thema, das nun auch an meinem jetzigen Arbeitsplatz wieder aktuell wird. Gemeinsam mit Institutsvorstand Wolfgang Ernst, der den experimentellen Input liefert, möchte ich eine neue Materialklasse erschließen – gemischtmetallische Nanopartikel. 

Das müssen Sie mir bitte genauer erklären!

Andreas Hauser: Wir nennen es „Nano-Mozartkugeln“. Wenn man Helium in ein Vakuum strömen lässt und es auf wenige Zehntelgrad über dem absoluten Nullpunkt abkühlt, dann entstehen kleine Heliumtröpfchen. Schickt man diese Tröpfchen anschließend durch eine Reihe von Metalldampfzellen, dann nehmen sie dabei einzelne Metallatome auf, die dann selbst innerhalb des Tröpfchens kleine Metallcluster formen. Je nach Dotierung ergibt sich dabei eine gewisse Schalenstruktur. Durch die Auswahl der Metalle, die man verdampfen lässt, kann man die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Endprodukts in gewissen Bereichen einstellen. Hinzu kommt, dass sich diese extrem kleinen Strukturen gänzlich anders verhalten als das ausgedehnte Metall. So kann man gezielt Materialien mit unterschiedlichen Eigenschaften erzeugen. Eine mögliche Anwendung wäre zum Beispiel als Katalysatoren für das Aktivieren kurzkettiger Alkane, um sie anschließend zu längeren Einheiten zu verketten. Auf diese Weise könnte man Biogas beispielsweise in einen Kraftstoffzusatz umwandeln, der bei Raumtemperatur flüssig und damit wesentlich einfacher zu transportieren ist.
Andreas Hauser hält eine zerschnittene Mozartkugeln in den Händen. Hinter ihm stehen drei weitere Männer.
Andreas Hauser und das Team rund um die Nano-Mozartkugeln. 
Für diese Arbeit bin ich als Theoretiker nun gewissermaßen ein „Exot“ am Institut für Experimentalphysik, aber dennoch sehr gut gelandet! Im Team mit Wolfgang Ernst als Experimentator, der sein Knowhow zum Thema Nanomaterialien sowie die gesamte technische Ausstattung für das erwähnte, äußerst komplizierte Syntheseverfahren einbringt, wollen wir gemeinsam sehen, was man aus diesen metallischen Nanokügelchen noch so alles rausholen kann.

Ihre Arbeit klingt sehr fordernd. Sie beschäftigen sich ja nicht nur mit dem einen Forschungsprojekt, sondern sind in mehreren Themengebieten tätig. Bleibt da noch Freizeit?

Andreas Hauser: Momentan habe ich leider wenig Zeit. In Neuseeland gingen wir viel Wandern, Felsenklettern oder einfach an den Strand zum Rugbyspielen. Auch meinen Paragleitschirm konnte ich dort mal wieder auspacken. Momentan mache ich jedoch fast nur Hallensport, z.B. Krafttraining und Boxen.  Vor meinen Auslandsjahren war ich eine Zeit lang begeisterter Degenfechter – meine Ausrüstung habe ich noch im Büro für ein paar schnelle Übungen zwischendurch. Außerdem spiele ich klassische Gitarre und Querflöte. Wie die "Kiwis" in Neuseeland bin ich ein nachtaktiver Vogel und komme oft am Abend noch einmal ins Büro um zu arbeiten. Gestern war ich zum Beispiel bis Mitternacht da und habe danach noch ein wenig auf der Flöte gepfiffen. 
Andreas Hauser hält seine Querflöte in der Hand. Hinter ihm im Bücherregal steht ein Heft mit Noten.
Nach Arbeitsende spielt der Wissenschafter gerne Querflöte - im Büro.

Stört das ihre Kolleginnen und Kollegen gar nicht?

Andreas Hauser: Ich habe mich bei einem Kollegen am Gang mal erkundigt: Er meinte nur ganz trocken, dass er es gewohnt sei. In seinem vorherigen Büro im anderen Trakt spielt jemand ab und zu Flügelhorn. Die Flucht ist ihm offenbar nicht gelungen! Man mag sich gar nicht vorstellen, was in der Nacht in den Gängen des Instituts für Experimentalphysik so passiert. (lacht) Ach, und dann ist dann noch meine Drohne, mit der ich nachts hier und da noch ein paar Übungsflüge in der Aula durchführe.
Ich liebe die Flexibilität in der Arbeitszeit – als Theoretiker hat man ja sein Büro quasi immer mit und braucht eigentlich nur einen Computer und eine gute Internetverbindung. Oft hat man in einem anderen Umfeld oder bei einer Pause die besten Ideen. Wenn man den Gedanken freien Lauf lässt passieren tolle Dinge.   

Fad war Ihnen aber auch noch nie oder?

Andreas Hauser: Nein! Und wenn, dann nehme ich mir meinen Rubik's Würfel und übe ein bisschen. Aber da hat der Papa ohnehin keine Chance. Jakob schafft ihn in unter einer Minute. Streber.

Kontakt

Andreas HAUSER
Ass.Prof. Mag.phil. Dipl.-Ing. Dr.phil. Dr.techn.
Institut für Experimentalphysics
Petersgasse 16
8010 Graz
Tel.: +43 316 873 8157
andreas.hauser@tugraz.at