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#6: Christof Sommitsch

12/22/2022 |

By Birgit Baustädter

Christof Sommitsch ist Leiter des Research Center Smart Production Graz und des Instituts für Werkstoffkunde, Fügetechnik und Umformtechnik. Er spricht über smarte Fabriken, 3D-Druck und die Zukunft.

Christof Sommitsch is convinced of 3D printing as the production method of the future. Source: Lunghammer - TU Graz

Der folgende Text ist ein wörtliches Transkript der Podcastfolge.

Talk Science to Me – der Wissenschaftspodcast der TU Graz

Hallo und herzlich Willkommen zur zweiten Staffel von Talk Science to Me, dem Wissenschaftspodcast der TU Graz. Mein Name ist Birgit Baustädter und ich darf hier in diesem Podcast alle Fragen stellen, die ich immer schon stellen wollte. In dieser Staffel beschäftigen wir uns mit der Produktion der Zukunft, die, so sind sich Wissenschafter*innen einig, in smarten Fabriken stattfinden wird. Was genau smarte Produktion ist und in welchen Bereichen die Forschenden an der TU Graz dazu beitragen, das werden wir in dieser Staffel gemeinsam mit meinen Interviewpartner*innen klären.

Mein erster Gast ist Christof Sommitsch, der das Institut für Werkstoffkunde, Fügetechnik und Umformtechnik an der TU Graz leitet. Außerdem ist er Sprecher des Research Centers Smart Production Graz, dessen Ziel es ist, die Forschung rund um intelligente Produktion an der TU Graz zu vernetzen, gemeinsame Projekte auf die Beine zu stellen und die produzierende Wirtschaft auf ihrem Weg in die Zukunft zu unterstützen.

Talk Science To Me ist der neugierigste Wissenschaftspodcast der Podcastwelt – aber vor allem der TU Graz. Wir stellen Fragen – unsere Forschenden antworten. Von künstlicher Intelligenz über Nachhaltiges Bauen bis hin zu Mikroorganismen, die sich von CO2 ernähren und so Proteine erzeugen. Hört rein und lasst euch begeistern.
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News+Stories: Herr Prof. Sommitsch, vielen Dank, dass Sie heute hier sind und meine Fragen beantworten. Sie sind Leiter des Research Centers Smart Production Graz. Können Sie mir ein bisschen etwas über das Research Center erzählen? Was sind die Ziele? Wie wird dort gearbeitet?

Christof Sommitsch: Smart Production Graz heißt in dem Sinne ein Netzwerk von unterschiedlichen Institutionen, die im Bereich smarte Produktion zusammenarbeiten und Visionen entwickeln. Und diese auch umsetzen. Das heißt, wir haben Kerninstitute aus unterschiedlichen Fakultäten. Das heißt, es ist ein interdisziplinäres Zentrum aus den Fakultäten für Maschinenbau, Informatik und Elektrotechnik, aber auch von Forschungszentren, Comet-Zentren wie etwa Big Data oder Pro2Future. Wir treffen uns hier alle zwei bis drei Monate, um hier entsprechend Gedanken auszutauschen beziehungsweise auf den letzten Stand der Erkenntnis zu kommen und entsprechend Entscheidungen zu treffen über geplante Investitionen, über Veranstaltungen und Initiativen.

Wo liegen denn momentan die dringendsten Forschungsfragen in diesem Bereich?

Sommitsch: Die Forschungsfragen im Bereich smarte Produktion liegen vor allem in einer Individualisierung der Produkte, in ressourceneffizienter Produktion, in Kreislaufwirtschaft, in der 5G-Realisierung, in der Automatisierung der Produktionsprozesse und Prozessketten. Und in der Mitwirkung und Unterstützung durch künstliche Intelligenz und Machine Learning. Wichtig ist auch die Berücksichtigung von immer interessanteren, intelligenteren Produktionsprozessen. Hier sei auch die additive Fertigung genannt, die auch einen sehr wichtigen Stand an der TU Graz im Allgemeinen und im Bereich smarte Produktion im Speziellen leistet.

Sie haben jetzt sehr viele Bereiche genannt und es geht ja auch immer um die Produktion und die Produktionsstätten der Zukunft. Wenn ich mir das bildlich vorstelle: Wie funktioniert smarte Produktion? Was gehört da dazu? Wie funktioniert das? Wie wird so eine Fabrik in Zukunft aussehen?

Sommitsch: Hier können wir unterscheiden zwischen Fabriken, die in einer Forschungsumgebung aufgebaut werden, so wie es hier die smartfactory an der TU Graz gibt, wo die neuesten Methoden und wissenschaftlichen Ansätze im Bereich smarte Produktion getestet werden, natürlich auch zusammen mit Industriepartnern, und andererseits die Umsetzung in der Wirtschaft, in der realen Produktion, wo eben umgestellt wird auf einen immer höheren Automatisierungsgrad, das Herunterbrechen auf geringe Losgrößen, oder bis Losgröße-1-Produktion, die Realisierung des Datentransfers mit sehr hoher Geschwindigkeit, mit 5G etwa. Natürlich auch die Implementierung von immer intelligenteren Prozessen und Prozessketten. Das heißt, das Produkt selbst weiß, in welchem Produktionsschritt es sich befindet, was als nächstes gemacht werden muss und wie es ihm dabei geht. Alle diese Dinge spielen eine große Rolle, um wirklich smarte Produkte der Zukunft entsprechend verwirklichen zu können. Natürlich ist heute die Ressourceneffizienz und die Kreislaufwirtschaft ein sehr wichtiger Aspekt, die CO2-Reduktion auch in der Produktion durch die entsprechend hohen Energiekosten auch eine Verbesserung des Wirkungsgrads und der Effizienz dieser Prozesse.

Sie sprechen von der automatisierten Produktionsstätte – wo hat denn da der Mensch noch seinen Platz in dem ganzen Werk?

Sommitsch: Der Mensch spielt und wird auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Es ist sehr wichtig, dass Interface Mensch und Maschine zu berücksichtigen. Auch hier gibt es einiges an Forschung in diesem Bereich, damit Mensch und Maschine auch in Zukunft gut zusammenarbeiten können. Das heißt, auch in Zukunft wird der Mensch letzendlich die Entscheidung treffen. Es gibt zwar künstliche Intelligenz, die hier unterstützend wirkt in einem gewissen Schema, aber letztendlich entscheidet der Mensch auch in Zukunft, wohin die Reise geht im Bereich Produktion und muss auch entsprechende Entscheidungen vor Ort treffen. Ein wichtiger Aspekt ist hier auch, dass wir immer höher qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen. Das heißt, durch die Automatisierung fallen Positionen weg, wo heute Menschen mit geringerem Ausbildungsgrad tätig sind. Entsprechend wichtig ist die Bildung und die Ausbildung von jungen Menschen im Bereich der smarten Produktion. Und wie schon vorher gesagt spielen hier Aspekte aus den unterschiedlichsten Bereichen, Disziplinen und bezogen auf die TU Graz Fakultäten und Institute hier eine große Rolle. Ich möchte auch erwähnen, dass wir hier auch in der Lehre dem Rechnung tragen und zum Beispiel mit dem neuen Studium Digital Engineering hier alle diese Aspekte auch platziert haben, um die jungen Menschen fit zu machen für die Fragestellungen im Bereich smarte Produktion der Zukunft.

Ab wann ist eigentlich eine Produktion für Sie smart und intelligent?

Sommitsch: Ja, smart heißt: Wir haben intelligente Werkstoffe, intelligente Verarbeitungsprozesse und Bearbeitungsprozesse und damit auch smarte und intelligente Produkte. Wir beschäftigen uns hier zum Beispiel mit der additiven Fertigung und wenn wir im Bereich des Fertigungsprozesses hier Sensoren einbetten können, so können uns diese Teile mitteilen im Betrieb, wie etwa die lokale Temperatur ist, der Druck ist, die Feuchtigkeit ist. Das wäre eine Beispiel für smarte Produkte.

Das heißt, die Produkte kommunizieren dann laufend während dem Betrieb mit dem oder der Besitzerin?

Sommitsch: Richtig. Structural Heat Monitoring ist hier ein Thema. Das heißt, durch Sensoren können die Produkte entsprechende Informationen weitergeben, wie es ihnen geht. Das heißt, wie ist ihr Zustand und damit können auch Wartungs- oder auch Austauschaktionen entsprechend eingetaktet werden in Zukunft.

Was muss sich dafür ändern, damit Produkte so intelligent werden können?

Sommitsch: Die Prozesse müssen entsprechend entwickelt werden und natürlich auch die Menschen entsprechend geschult werden. Das sind die wesentlichen Aspekte hier. Und heutzutage, wie schon gesagt, gibt es eine große Auswirkung der Energiepreise natürlich und der CO2-Reduktion, die hier entsprechend zu berücksichtigen sind.

Sie sind ja nicht nur Leiter des Research Centers, sondern auch Institutsleiter am Institut für Werkstoffkunde, Fügetechnik und Umformtechnik. Und natürlich auch selbst in der Forschung tätig. Woran arbeiten Sie? Vor allem im Kontext von smarter Produktion?

Sommitsch: Smarte Produktion heißt an meinem Institut, dass wir uns mit intelligenten Prozessen der Werkstoffverarbeitung beschäftigen. Seien es hier Füge- und Schweißprozesse, seien es intelligente Umformprozesse. Und hier insbesondere der Bereich additive Fertigung. Das heißt, wir beschäftigen uns einerseits mit der metallischen, drahtbasierten, andererseits mit der metallischen, pulverbasierten Fertigung. Das heißt, der Ausgangsstoff kann Draht oder Pulver sein. Beziehungsweise auch mit hybriden Werkstoffen und hybriden Produkten, die aus unterschiedlichen Materialien bestehen, wie Metallen und faserverstärkten Kunststoffen, die während oder nach dem 3D-Druck miteinander gefügt werden. Von der Werkstoffseite her ist die Auswahl hier recht groß, der Forschungsprojekte. Das heißt, wir beschäftigen uns etwa mit Titan-Werkstoffen für die Luftfahrtindustrie, aber auch mit hartmagnetischen Werkstoffen für die zukünftige Elektromobilität, für poröse Werkstoffe, die eingesetzt werden für katalytische Prozesse im Rahmen des Leadprojekts Porous Materials. Aber auch mit drahtbasierten Projekten, die sich entsprechend Themenstellungen annehmen. Wie kann ich drahtbasiert intelligente Schichten auftragen? Oder überhaupt Teile drucken mit sehr spezifischen Eigenschaften.

Wie muss ich mir denn intelligente Materialien vorstellen?

Sommitsch: Intelligente Materialien gibt es natürlich schon sehr lange. Denken wir an die Formgedächtnis-Legierungen. Oder denken wir hier an die porösen Materialien, die eine sehr große spezifische Oberfläche haben. Oder in Zukunft auch selbstheilende Materialien. Denken wir auch an Stähle, an intelligente Stähle für den Automobilbau, die entsprechend im Crash die Festigkeit steigern. Also hier gibt es zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit. Aber auch die aufzeigen, wohin die Reise geht in der Zukunft in diesem Bereich.

Und wohin geht sie?

Sommitsch: Zu immer intelligenteren Materialien, die entsprechend ressourceneffizient verarbeitet werden zu smarten Produkten.

Wie funktioniert denn das, dass ein Material intelligent wird?

Sommitsch: Denken wir zum Beispiel an der Thema Wasserstoff, das an der TU Graz auch einen hohen Stellenwert hat. Die Wasserstoff-Belastung von hochfesten Stählen etwa ist sehr bekannt. Das heißt, der Stahl kann verspröden, wenn atomarer Wasserstoff eindringt und der sich zu Molekülen dann wieder verbindet. Jetzt kann man Materialien so intelligent machen, dass es hier spezifische Phasen gibt, die den Wasserstoff atomar binden, damit er nicht zu Molekülen rekombinieren kann. Das wäre ein Beispiel für einen intelligenten Werkstoff.

Woher kommen denn Ihre Ideen in der Forschung?

Sommitsch: Die Ideen kommen natürlich von smarten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das ist das größte Kapital, das man hat. Das heißt, neugierige Menschen, die entsprechend neue Ideen entwickeln. Es ist sehr wichtig, ein Budget für Grundlagenforschung zu haben. Von dort kommen die besten Ideen natürlich. Und das Netzwerk ist wichtig. Das heißt: Neugierige Partner im akademischen, wissenschaftlichen Netzwerk, aber natürlich auch im Firmennetzwerk – von dort kommen auch sehr gute Ideen, insbesondere für die angewandte Forschung.

Sie haben sehr oft das Wort „Neugierde“ erwähnt. Ist das ein zentraler Teil für Sie oder eine zentrale Eigenschaft?

Sommitsch: In der Wissenschaft ist Neugierde ein ganz zentrales Element. Ohne Neugierde wird nichts wirklich Neues, Bahnbrechendes entstehen. Gerade durch Versuche, die nicht geplant sind oder die anders verlaufen, ist auch in der Vergangenheit häufig etwas ganz Neues entstanden, was vorher vielleicht gar nicht angedacht war.

Sind Sie ein neugieriger Mensch?

Sommitsch: Ich denke schon, ja.

Und wo kommt für Sie das Interesse an diesem Thema her, an den Werkstoffen, an der Fügetechnik auch, an dem Verbinden von Materialien?

Sommitsch: Mich haben Werkstoffe und Materialien schon immer interessiert. Schon als Kind und als Jugendlicher, wo ich dann selber Dinge ausprobiert habe. Und dann war für mich das Studium an der Montanuniversität im Bereich Werkstoffwissenschaften der richtige Weg und entsprechend kann ich heute in meiner Position hier junge Menschen begleiten, die sich mit Materialien beschäftigen. Und das macht natürlich eine große Freude.

Wie hat das ausgeschaut, wenn Sie sagen, Sie haben das als junger Mensch schon selbst ausprobiert, Materialien herzustellen?

Sommitsch: Ja vor allem, wie sie reagieren. Zum Beispiel, wenn man selber Korrosionsversuche macht. Oder Eigenschaften wie Härte prüft oder ähnliches.

Und war es für Sie immer das Interesse, einen wissenschaftlichen Weg einzuschlagen?

Sommitsch: Das war für mich nicht immer ganz klar. Das heißt, ich habe ja ein Gymnasium besucht. Und nach dem Studium hat es mich in die Industrie gezogen. Und zu dem Zeitpunkt war es für mich noch nicht klar, dass ich in der Wissenschaft bleibe. Aber nachdem ich in der Industrie im Bereich Forschung tätig war, habe ich dann immer klarer gesehen, dass die Wissenschaft mein Weg ist.

Wo sehen Sie selbst momentan in Ihrem Forschungsbereich die größten Herausforderungen, denen man noch gegenübersteht? Vielleicht auch an denen Sie gerade selbst arbeiten?

Sommitsch: Von den Randbedingungen her ist es natürlich junge Menschen zu begeistern. Das heißt, in Österreich gibt es immer weniger Menschen, die ein entsprechendes Studium wählen im Bereich Materialwissenschaften. Das heißt also, das ist eine große Herausforderung. Und entsprechend auch die Budgetmittel und die Infrastruktur sicher zu stellen. Das ist in meiner Position ein sehr wichtiger Aspekt.

Wenn das einmal kein Thema sein würde. Also wenn Sie ein Budget zur Verfügung hätten, dass alles offen stellt – was würden Sie gerne in der Forschung umsetzen?

Sommitsch: Nachdem mich das Thema additive Fertigung begeistert, würde ich ein interdisziplinäres Zentrum bzw. Labor hier auf die Beine stellen, wo aus unterschiedlichen Instituten und Fakultäten hier gemeinsam geforscht wird an spannenden Themen des 3D-Drucks und der additiven Fertigung über die Größen-Skalen hinweg und über die Grenzen der Werkstoffe hinweg.

Warum ist bei Ihnen gerade die additive Fertigung oder der 3D-Druck so im Zentrum? Welches Potential sehen Sie in dieser Technologie?

Sommitsch: Es sind auch andere Prozesse wie klassische Fügeprozesse, Schweißprozesse interessant, weil auch hier immer wieder neuartige Prozesse und Prozessmethoden hier aufkommen. Aber die additive Fertigung ist natürlich wissenschaftlich gesehen eine ganz tolle Spielwiese, weil wir hier im Bereich des metallischen 3D-Drucks die gesamte Metalogie haben. Das heißt, wir haben die Pulvermetalogie, etwa bei pulverbasierten Prozessen. Wir haben entsprechend ein Aufschmelzen, eine Erstarrung, wir haben eine Wärmebehandlung, wir haben eine Nachbehandlung. Das heißt, es sind sehr komplexe Prozesse, die aber einen sehr hohen Freiheitsgrad aufweisen. Und ich kann hier sehr interessante Strukturen realisieren mit lokal aufgelösten beziehungsweise auch gradierten Eigenschaften. Deswegen ist das so spannend, dieses Thema. Und das setzt sich natürlich auch in der Anwendung, in der Industrie, immer mehr durch, wie wir sehen. Natürlich im eher höherpreisigen Bereich, wo auch geringe Losgrößen sind, oder im Prototypenbereich. Aber wir sehen, dass hier auch die Industrie immer mehr aufspringt und diese Technologien zur Anwendung bringt.

Also keine smarte Produktion ohne 3D-Druck?

Sommitsch: Das würde ich nicht sagen. Es gibt natürlich smarte Produktion abseits des 3D-Drucks, aber in gewissen Prozessketten passt der 3D-Druck natürlich sehr gut dazu.

Vielen Dank für das Gespräch heute!

Sommitsch: Sehr gerne!

Vielen Dank auch euch, dass ihr heute wieder mit dabei wart. In der nächsten Folge werde ich mit Franz Haas sprechen. Er ist Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und beschäftigt sich mit Produktionsmethoden der Zukunft, etwa dem metallischen 3D-Druck und der Möglichkeit, Batterien automatisch zu Testen und zu Stapeln. Ich freue mich, wenn ihr das nächste Mal wieder mit dabei seid.