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#11: Roland Lammegger

03/23/2023 |

By Birgit Baustädter

Roland Lammegger war Teil des Teams aus TU Graz und Institut für Weltraumforschung der ÖAW, das das Magnetometer für die JUICE-Mission beigesteuert hat, die die Eismonde des Jupiter besuchen wird.

Roland Lammegger. Quelle: Lunghammer - TU Graz

Der folgende Text ist ein wörtliches Transkript der Podcastfolge.

Talk Science to Me – der Wissenschaftspodcast der TU Graz

Hallo und herzlich Willkommen bei Talk Science to Me, dem Wissenschaftspodcast der TU Graz. Ich bin Birgit Baustädter und mein Gast ist heute Roland Lammegger, der in Kürze ein Messgerät zu den Jupitermonden Calisto, Europa und Ganymed schicken wird.

Talk Science to Me: Herr Lammegger, vielen Dank, dass Sie heute zu Gast sind und meine Fragen beantworten! Es wird vorrangig auch um die JUICE-Mission und Ihre Arbeit gehen im Bereich Weltraum. Vielleicht steigen wir damit ein: Was ist die JUICE-Mission und was war Ihr Part?

Roland Lammegger: Ja, die JUICE-Mission ist die Jupiter Icy Moon. Und da geht es im Prinzip um die Erforschung der Eismonde vom Jupiter. Die sind ja von der Erde aus mit einem kleinen Teleskop schon sichtbar – schon seit Galilei. Und die Erforschung dieser Monde ist sehr, sehr interessant, weil das fast ist wie ein Mini-Sonnensystem. Und diese Eismonde – wie eben der Name schon sagt: Eis, also gefrorenes Wasser ist dort unter anderem vorhanden – und eine große Aufgabe dieser Mission ist es, Lebensräume für extraterrestrisches Leben zu suchen. Man geht von der These aus, dass überall wo flüssiges Wasser vorhanden ist auch irgendwie Leben entstehen kann und vielleicht gibt es da irgendwelche Bakterien, die eben dann Außerirdische wären sozusagen. Und das Interessante ist, dass man im Prinzip außerirdisches Leben sucht in unserem Sonnensystem, wo wir praktisch auch die Möglichkeit haben, hinzukommen. Und ich finde das sehr spannend. Ich sage, dass das fast die Mutter aller Fragen ist in der Wissenschaft: Sind wir alleine im Universum? Und das wäre vielleicht ein kleiner Schritt in die Richtung der Beantwortung dieser Frage. Weil, wenn man da eben Wasser entdecken sollte – nicht an der Oberfläche von den Monden, aber unter dieser Eiskruste zum Beispiel – dann ist man sicher bestrebt, da hinzufliegen, dort zu landen und einmal ein Locherl reinzubohren und zu schauen, wo die Bakterien sind, oder ob es da überhaupt etwas gibt und wie es ausschaut. Und das ist die JUICE-Mission. Und die Sonde tingelt da praktisch jahrelang in diesem Jupiter-System herum und besucht einen Mond nach dem anderen und kreist um diesen Mond herum. Und misst eben auch das Magnetfeld. Und da sind wir im Prinzip bei unserem Beitrag: Wir haben gebaut ein Magnetometer. Und zwar sogar das Referenz-Magnetometer. Das ist ein technisches „Ding“ sage ich einmal, das die Magnetfelder vor Ort misst. Das ist das Magnetfeld vom Jupiter und das ist auch das Magnetfeld von diesen Monden, weil es besitzen manche dieser Monde sogar ein eigenes Magnetfeld. Manche nicht, manche schon – aber das macht nichts. Die Wechselwirkung mit dem Jupiter-Magnetfeld und diesen Monden wird da ganz genau vermessen und mit dieser Information ist man wirklich in der Lage, ins Innere dieser Monde hineinzublicken. Man rechnet sich dann Modelle aus für diesen Schalenaufbau von diesen Monden und dann weiß man ganz genau: Aha, in dieser dritten Schale von oben, das ist flüssiges Wasser zum Beispiel, wenn es welches gibt.

Das sind Eismonde. Das heißt, es ist gefroren, es ist eiseiskalt. Das heißt, Leben, wie wir es kennen, tut sich ein bisschen schwer, mit diesen Temperaturen. Warum sind aber genau diese Monde so interessant, oder potentiell interessant, Leben zu beherrbergen?

Lammegger: An der Oberfläche ist das Eis gefroren. Aber weiter innen in den Monden ist es wahrscheinlich flüssig. Weil der große Planet, der Jupiter, ein sehr starkes Gravitationsfeld hat. Und die Monde werden im Prinzip in diesem Gravitationsfeld durchgeknetet. Das kann man sich wie einen Teig vorstellen. Die rotieren um sich selbst und bei jeder Rotation um sich selbst, sehen sie praktisch einmal mehr Gravitation von Jupiter, einmal weniger. Und jetzt werden die praktisch in die Länge gezogen, gestaucht, ständig ist da ein Gezerre an diesen Monden. Und das verursacht Wärme. Und diese Wärme macht, dass das Eis unter der Oberfläche wahrscheinlich flüssig ist. Und darauf ist man aus. Das ist auch ganz interessant. Neben diesem Gravitationsgezerre an den Monden, habe ich schon gesagt, induziert das Jupiter-Magnetfeld in diesen Schichten Ströme, elektrische Ströme, und die verursachen wieder ein Magnetfeld und das wird eben von dieser Sonde mitgemessen. Und auf diese induzierten Ströme ist man speziell aus, diese herauszufinden. Und da kann man dann sagen: Das ist flüssig, das ist fest. Das ist Stein, das ist Wasser, das ist Was-weiß-ich.

Also, dass diese Monde potentiell ein Magnetfeld haben, macht es überhaupt erst möglich, dass man sie so erforschen kann?

Lammegger: Nein, nicht unbedingt. Es ist ja der Jupiter die Quelle des starken Magnetfeldes in diesem System. Und ob jetzt der Mond ein eigenes Magnetfeld hat oder nicht, ist von sekundärer Fragestellung, sage ich jetzt einmal. Und ist nicht davon abhängig, ob man feststellen kann, ob da Wasser unter der Oberfläche ist oder nicht. Sondern es genügt, dass ein Magnetfeld da ist, das vom Jupiter, wo da diese Ströme nach dem Induktionsgesetz induziert werden, sage ich einmal. Und diese Ströme verursachen wieder sekundäre Magnetfelder und die werden vermessen.

Wie funktioniert das Magnetometer jetzt genau?

Lammegger: Das Magnetometer ist eine ganz witzige Geschichte sage ich einmal. Das ist ein optisches Magnetometer. Und unser Magnetometer arbeitet jetzt einmal so, dass ein Quanteninterferenzzustand in diesen Atomen erzeugt wird mit Laserlicht. Also das ist wirklich ein quantenoptischer Effekt, der da ausgenutzt wird. Und dieser Quanteninterferenzeffekt macht, dass die Atome, wenn dieser Effekt eintritt, das Laserlicht nicht mehr so stark absorbieren zum Beispiel. Und das kann man mit einem Fotodetektor nachweisen. Und wo dieser Effekt auftritt ist abhängig vom äußeren Magnetfeld, in dem sich diese Atome befinden. Jetzt kann man im Prinzip ganz genau sagen: Bei der und der Frequenz tritt dieser Effekt auf und dann kann ich rückrechnen auf das externe Magnetfeld. Um einen Eindruck zu erhalten: Wenn der Schöckl gewissermaßen das klassische Signal dieser Atome wäre, von der Breite her, dann wäre unser Interferenzeffekt da so ungefähr wie ein Blatt Papier sozusagen, wenn man das mitten durch den Schöckl durchschneidet. Also in einen so feinen Bereich sozusagen geht dieser Effekt und entsprechend empfindlich ist natürlich auch das Messen der Magnetfelder. Und nicht nur das: Es ist der große Vorteil, dass man wirklich freie Atome nützt. Jetzt kann man sich das Magnetometer fast so vorstellen wie eine Atomuhr für Magnetfelder. Das heißt, es ist ein Absolutstandard. Und dafür wird es auch gebaut – als Absolutstandard für Magnetfelder, weil auf dieser Sonde nicht nur ein Magnetometer ist, sondern viele. Die sind auf so einem langen Arm. Der ist zehn Meter lang. Der wird dann ausgeklappt bei der Sonde und die Magnetometer sind dann ganz weit weg von der Sonde, damit das Magnetfeld der Sonde es ganz wenig stört. Und da sind viele Magnetometer und unser Magnetometer sitzt ganz an der Spitze draußen am Boom und misst praktisch immer den Absolutwert des Magnetfeldes. Und die anderen Magnetometer werden von Zeit zu Zeit an diesem Referenzmagnetometer kalibriert. Das heißt, dass man immer genau den Absolutwert des Magnetfeldes weiß. Nicht nur die relativen Änderungen, sondern auch den Absolutwert. Das muss man ständig machen, denn durch die Alterung und durch diese raue Umgebung im Weltraum, die anderen Magnetometer natürlich ihre Nullpunktskalibrierung verlieren im Laufe von dieser Missionsdauer. Und da braucht man im Prinzip ein Referenzmagnetometer. Das macht unseres, durch diesen Quanteninterferenzeffekt.

Welche rauen Bedingungen wirken da ein auf die Geräte?

Lammegger: Sehr raue Bedingungen. Rauer, als wir uns das jemals vorgestellt hätten. Das sind wir beim Testen der Komponenten dann draufgekommen. Jupiter hat ein sehr starkes Magnetfeld. Das heißt, die Teilchen des Sonnenwindes, das sind ja vorwiegend Protonen und Elektronen, werden teilweise da durch das Magnetfeld eingefangen und da konzentriert. Also es gibt Bereiche in der Jupiter-Umgebung, die sehr, sehr strahlungsdominiert sind. Also da gibt es sehr viele schnelle Partikel und Teilchen, die die technischen Geräte kaputt machen mit der Zeit. Also da entsteht ein Strahlenschaden. Und die Dosen sind sehr, sehr hoch. Da haben wir sehr interessante Sachen beim Testen von den Komponenten erlebt. Zum Beispiel, ganz interessant, unser Sensor wird ja nur versorgt mit optischen Fasern, da wird das Laserlicht zu dem Sensor über diesen Boom hinausgeleitet und wieder herein. Und da ist so eine Plastikumhüllung um diese Fasern. Kann man sich vorstellen wie ein normales Kabel. Der Normalverbraucher kann zwischen normalem Kabel und Glasfaserkabel nicht unterscheiden. Da ist eben eine Plastikumhüllung drum herum und das haben wir eben getestet in der Strahlungsquelle. Und das ist dann zerbröselt, wie Staub ist das heruntergefallen diese Umhüllung. Durch diese Strahlung ist das einfach zerstört worden. Und nicht nur dieses Plastik ist zerstört worden, sondern auch das Glas selber dieser Glasfasern ist dann blau geworden. Also undurchsichtig. Durch diese Schäden, die diese schnellen Teilchen da verursacht haben. Da haben wir eine schwere Zeit durchgemacht, weil wenn kein Licht mehr zum Sensor kommt, dann funktioniert das Gerät nicht und jetzt haben wir da so lange herumgesucht, bis wir die idealen Materialkombinationen gefunden haben, damit das möglich ist. Die Fasertechnologie ist bei dieser Weltraummission sozusagen auch ein Novum. Da haben wir ganz neue Wege beschritten. Das hat es vorher noch nie gegeben. Also auch dieses Interferenz-Magnetometer fliegt zum ersten Mal sozusagen da hinaus und ist im Prinzip welteinzigartig, aber auch die Fasern. Das klingt jetzt harmlos, aber diese Technologien im Deep Space sind praktisch Neuentwicklungen.

Was macht ihr Magnetometer so viel robuster oder so viel anders, als die anderen Magnetometer, damit es eben diese Referenz bilden kann?

Lammegger: Im Prinzip darf man das nicht so sehen. Das ist nicht die Robustheit, sondern das ist im Prinzip das Messprinzip. Wir nutzen die freien Atome. Und die sind überall gleich im Universum. Gehen wir halt einfach einmal davon aus. Und sind im Prinzip unveränderlich. Andere Magnetometer nutzen andere Prinzipien, wo das nicht so eindeutig auf das Signal eines freien Atoms rückführbar ist die Magnetfeldinformation. Bei unserem aber schon. Es wird rückgeführt auf das einzelne Atom. Auf die Dynamik in dem einzelnen Atom. Und das ist stabi, sage ich jetzt einmal. Und immer das gleiche. Darum macht es das aus, dass unser Magnetometer das Referenzmagnetometer ist und die anderen Magnetometer die „normalen“ Magnetometer sind. Jetzt könnte man sagen: Warum brauche ich eigentlich die anderen Magnetometer? Da muss man unterscheiden: Das Magnetfeld ist eine vektorielle Größe. Also mit Richtung und Betrag. Das heißt, man kann dem Magnetfeld eine Stärke zuordnen. Und auch eine Richtung. Das kennt man vom Kompass. Der Kompass zeigt nach Norden und dann bekommt man die Richtungsinformation des Erdmagnetfeldes heraus. Mit einem Kompass. Und wie stark diese Nadel angezogen wird, wäre der Betrag. Unser Magnetometer misst den Betrag nur. Und die anderen Magnetometer die Richtung und den Betrag. Aber natürlich behaftet mit unter anderem einem Drift. So nennt das die Wissenschafterin oder der Wissenschafter. Und dieser Drift muss eliminiert werden. Und da gehen wir dann zum Referenzmagnetometer, das nur den Betrag des Magnetfeldes misst und dann kann man das herausrechnen gewissermaßen. Und sogesehen arbeiten alle Magnetometer auf dieser Sonde eben in bester Weise zusammen. Jedes braucht das andere sozusagen. Da darf man nicht unterscheiden, das ist das bessere, das ist das schlechtere. Das wäre sehr vermessen sozusagen.

Sie haben es schon erwähnt: Der Jupiter ist eine sehr raue Umgebung, oder auch Arbeitsumgebung für so eine Sonde und für solche Geräte. Das ist jetzt auch nicht wirklich eine alltägliche Umgebung, die man so einfach auf der Erde nachbilden kann. Wie geht man das an, ein Messgerät zu entwickeln und vor allem auch dann zu testen?

Lammegger: Ja. Mit Versuch und Irrtum auf gut Deutsch gesagt. man hat schon das ingenieurmäßige immer vor Augen, was muss man tun, damit das und das vielleicht erfüllt werden kann. Und dann muss man es natürlich testen. Und da erlebt man natürlich seine Überraschungen. Man kann fast sagen: Wenn man an dem Ding 10.000 Schrauben hat, dann hat man 10.000 Probleme, weil jede Schraube irgendwann einmal ein Problem darstellt, im Laufe der Tests muss man sozusagen an jeder Schraube irgendwann einmal etwas machen und die verbessern oder verändern. Und an diese Bedingungen anpassen. Nur zum Vergleich: Wenn man praktisch von einer Strahlen-Jahresdosis von einem Menschen ausgeht, dann ist das grob geschätzt vielleicht ein Millisievert pro Jahr oder so etwas. Und wir haben unsere Sonde getestet auf 100.000 Grey – das ist umgerechnet auf Sievert mit einem Qualitätsfaktor 1, so nennt der Fachmann das, wären das 100.000 Sievert. Also die Strahlendosis ist sehr viel höher wie auf der Erde, die das Gerät da aushalten muss. Das ist ein Grund. Und ich habe schon gesagt, die optischen Fasern haben uns lange beschäftigt. Die haben ja da Schaden genommen bei diesen Tests und da haben wir wirklich Materialwissenschaft betreiben müssen und schauen, was die beste Kombination ist, dass sie diese Strahlungsumgebung aushalten. Das schlimme bei den Fasern ist immer noch die tiefen Temperaturen und die hohe Strahlung. Das ist generell für die Komponenten ein Problem. Die tiefen Temperaturen und auch diese Strahlungsumgebung. Kunststoffe zum Beispiel, die meisten Kunststoffe würden das nicht aushalten. So muss man da Keramiken verwenden, Metalle, nur ganz gewisse, spezielle Kunststoffe, die sehr, sehr teuer sind. Wie übrigens alles in der Weltraumtechnik. Ja und wie gesagt: die tiefen Temperaturen. Minus 200 Grad und so weiter kann da schon einmal auftreten. Man muss da sehr aufpassen: Wenn die Sonde praktisch um diesen Mond herum rotiert, dann ist sie vorne einmal in der Sonne, da wird es warm, und dann geht es an den Schatten und da ist es eisig kalt. Und deswegen wechselt es innerhalb von 20 Minuten von heiß auf kalt, heiß auf kalt, heiß auf kalt. Und das ist für die strukturelle Integrität von der ganzen Anordnung eine große Herausforderung. Und man darf auch nicht vergessen, die Sonde muss beim Start zuerst Energie aufnehmen – Drehimpuls gewissermaßen, kinetische Energie. Und wie macht man das? Die Sonde geht ins Sonnensystem-Innere und macht Venus- und Erde-Fly-Bys – so nennt man das – also fliegt da vorbei, reist da herum, und wie bei einer Schleuder holt sie da Schwung, zwackt den Planeten ein bisschen einen Drehimpuls ab oder kinetische Energie und trägt die dann hinaus ins äußere Sonnensystem zum Jupiter. Und wenn man ins Innere vom Sonnensystem geht, dann wird es zuerst einmal sehr warm. Und die Komponenten müssen natürlich auch die hohen Temperaturen aushalten, nicht nur die tiefen Temperaturen. Wir reden da von einer Temperaturspanne von plus 120 Grad bis minus 200 Grad. Das müssen die Komponenten also aushalten. Und das im Wechselbad. Immer, wenn sich die Sonde auch um sich selbst dreht oder so, dann hat man da die Sonnenseite und die Schattenseite. Und in der Schattenseite ist es sofort sehr kalt. Es gibt ja keine Luft, die die Temperatur ausgleichen könnte. Im Vakuum ist zwischen Sonne und Schatten ein enormer Temperaturunterschied.

Wie kann ich das nachstellen hier auf der Erde, in Graz, an der TU Graz?

Lammegger: Naja, an der TU Graz kann man viele Tests nicht machen. Wir haben aber die Schütteltests an der TU Graz gemacht. Also die Vibrationsanalysen und so. Die haben wir an der TU Graz am Leichtbauinstitut gemacht. Und viele andere Tests. Also, da gibt es die Test-Facilities, die über die ganze Welt verstreut sind. Bei der ESA gibt es viele Testmöglichkeiten, aber auch in Deutschland sind wir einmal gewesen am Teilchenbeschleuniger. Und mit den Fasern auch am Fraunhofer Institut – ein ganz spezielles Institut. Und so weiter.

Welches Material habt ihr dann entwickelt?

Lammegger: Für diese optischen Fasern? Ja das ist eine spezielle Glasmischung mit einer speziellen Dotierung. Eine Faser, die zum Sensor hinführt ist die schwierige eigentlich, weil die eine Gradientenindexfaser ist. Das heißt, die Dotierung ist über den Faserquerschnitt nicht konstant, also die Konzentration dieser Dotier-Elemente ist nicht konstant, sondern nimmt praktisch graduell ab nach einem speziellen Profil. Und das macht die Schwierigkeit. Die Rückfaser ist undotiert, da kann man reines Quarzglas hernehmen. Und das ist sehr strahlungsresistent. Aber die Hinfaser muss man dotieren. Und diese Dotierungselemente haben da die großen Probleme hervorgerufen und wir haben spezielle Elemente hernehmen müssen. Seltene Erden sind das meistens. Und mit denen ist diese Faser eben dotiert worden. Eine Spezialanfertigung sozusagen für unseren Anwendungsfall.

Das klingt jetzt, als wären da sehr viele Menschen aus sehr unterschiedlichen Disziplinen daran beteiligt. Einfach, weil man so viel zu entwickeln hatte und so viele unterschiedliche Bereiche zu betrachten hatte. Wie schaut so ein Team aus?

Lammegger: Ja, das ist richtig. Da haben wirklich alle Disziplinen zusammengearbeitet. Die Teamgröße hat variiert im Laufe von dieser Missionsvorbereitung, aber wir sind da bis zu 30 Leute im Kernteam gewesen, die da an dieser Sache gearbeitet haben. Und natürlich noch andere Ingenieure und Ingenieurinnen, wo wir da Tests gemacht haben, sind natürlich auch noch involviert gewesen in diese Entwicklung. Insgesamt muss man sagen, ist diese JUICE-Mission eine Large-Scale-Mission der ESA. Das heißt, das sind die großen Brocken, nicht nur eine kleine Satellitenmission, sondern das sind wirklich so die Leuchttürme und die wichtigen, großen Missionen mit Milliarden-Budget. Das muss man einmal sehen. Und das sind wirklich auch für die ESA wirklich große Anstrengungen. Und bei dieser JUICE-Mission wagt sich eben die ESA ins äußere Sonnensystem auch eines der ersten Male muss man sagen. Also das wird wirklich eine spannende Mission und wir sind schon wirklich aufgeregt auf den Start und halten jetzt schon die Daumen. Der Start soll laut aktueller Planung am 13. April stattfinden diesen Jahres.

Wie wird es Ihnen an diesem Tag gehen?

Lammegger: Das weiß ich noch nicht (lacht). Es wird spannend. Man hofft ja immer, dass das funktioniert. Aber wenn man natürlich betrachtet, dass so viele Komponenten da in perfekter Weise zusammenspielen müssen, dann muss man da mal tief durchschnaufen und die Daumen halten ganz einfach. Ein bisschen hoffen, dass man ein bisschen ein Glück auch hat. Das ist natürlich dabei. Sozusagen das Hoffen, das hört ja nicht auf mit dem Start. Da sind zwar die größten Beschleunigungsbelastungen am Start oder während der Startphase. Danach ist die Sonde sehr ruhig, sage ich jetzt einmal. Aber trotzdem: Es muss dann dieser Arm ausgeklappt werden. Und dann muss man schauen, dass die ganzen Faserverbindungen in Ordnung sind, dass die das überstanden haben. Und dann wird das Instrument eingeschalten. Da schaut man zuerst einmal, wie der Stromverbrauch ausschaut. Schaut gut aus oder schaut schlecht aus. Und dann muss man die Laserquelle einschalten. Und dann schaut man, ob ein Licht herauskommt. Und das sind dann alles Momente, wo man wirklich den Atem anhält. Und dann soll es noch acht Jahre lang funktionieren. Und dann ist man überhaupt erst einmal am Ziel. Dann fängt die eigentliche Arbeit erst an von dem Instrument oder von der ganzen Mission. ToiToiToi. Da sind wir dann schon alles alte Herren. Noch viel älter als jetzt.

Das Projekt ist ja nicht nur ein Projekt der TU Graz. Wer war alles daran beteiligt?

Lammegger: Das ist richtig. Es ist von diesem Messprinzip in der Vergangenheit ein Patent entwickelt worden. Das habe ich im Rahmen von meiner Dissertation gemacht und kurz nach der Dissertation. Und dann waren eben diese glücklichen Umstände, dass wir da zu diesen Missionen kommen. Und das ist im Prinzip seit Beginn eine Zusammenarbeit vom Institut für Experimentalphysik an der TU Graz eben und dem Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Und da hat sich dieses Team gebildet von Ingenieurinnen und Ingenieuren, Wissenschafterinnen und Wissenschaftern und dabei auf unserer Seite Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die die Grundlagenforschung betrieben haben, und das Team hat eben in seiner stärksten Ausprägung sicher so 30 Kolleginnen und Kollegen umfasst. Und an dieser Stelle möchte ich mich auch bei allen diesen recht herzlich bedanken für die jahrelange Zusammenarbeit. Das ist wie eine große Familie und man möchte nicht glauben, das ist wirklich eine Familie. Man erlebt da alles Mögliche: Von Höhen, Tiefen. Man ist ja im Prinzip stundenlang pro Tag gemeinsam sozusagen und durchlebt da diese acht Jahre. Und der oder die eine heiratet, zwei Kollegen sind schon verstorben, die im Team waren. Das ist einfach wirklich das Leben sozusagen, was man da auch mitmacht in dieser Zusammenarbeit. Und da noch einmal ein Dankeschön von meiner Seite her.

Wo auf dieser langen Reise ist für Sie der Punkt, wo Sie sagen: Jetzt kann ich wirklich durchschnaufen. Das funktioniert, so wie es funktionieren soll, und es geht alles gut.

Lammegger: Wahrscheinlich schnaufen wir durch, wenn das Missionsende erreicht ist. Also, wenn die Sonde alle Aufgaben erfüllt hat, dann ist wirklich zum Durchschnaufen. Vielleicht das erste Mal, wenn man sagt, man ist in dem Jupiter-System angekommen und die Systeme funktionieren und arbeiten zumindest einmal ein Zeiterl. Dann kann man schon einmal sagen: Wir haben viel erreicht. Vielleicht ist es dann. Ich weiß es nicht. Aber dann geht die Hoffnung los: Wie lange halten es? Wie lange geht es? Und wie lange haben wir Messdaten und so weiter? Es ist schon eine ständige, immer wieder währende Anspannung. Man vergisst wahrscheinlich über lange Zeitstrecken das Instrument wieder einmal. Speziell in dieser Reisephase, die ja jahrelang geht. Aber wahrscheinlich denkt man dann immer wieder daran. Und natürlich bekommt man dann die Nachrichten, wenn wieder die Instrumententests sind. Geht noch, geht nicht mehr.

Wie gehen Sie mit so Momenten um? Sie haben das Gerät ja irgendwann aus den Händen geben müssen. Haben es dann nicht mehr beeinflussen können. Wie geht es einem dabei?

Lammegger: Wie geht es einem dabei? Schwierig. Vielleicht, wie wenn man ein Kind hinauslässt in die Welt, das volljährig ist und sich jetzt um sich selbst kümmern muss. Überspitzt gesprochen. Vielleicht ist das irgendwie so. Man gibt es schon weg, aber irgendwie ist es dann schon immer noch unseres. Weil wir bekommen ja dann die Signale von dem Instrument. Also, wir sprechen dann ständig mit dem und es ist so Art wie eine schräge Skype-Verbindung. Dass man dann doch noch Kontakt damit hat und sich doch noch irgendwie verbunden fühlt damit. Obwohl ich mir manchmal denke: So an dieser Sensorspitze möchte ich sitzen und, wenn das da in dem Jupiter-System herumfliegt muss das ein genialer Anblick sein von diesem großen Planeten und den kleinen Monden. Aber wir können nicht dort sein. Das ist halt leider so. Wäre ein schöner Ausblick wahrscheinlich von dieser Spitze dieses Booms aus auf dieses Mini-Sonnensystem gewissermaßen. Aber andererseits: Wenn man da draußen sitzen würde, dann hätte der Mensch eine Lebensdauer von einer Minute oder so, dann wäre er tot, weil die hohe Strahlung das sozusagen nicht länger erlauben würde, dass man da ist.

In welche Richtung würden Sie da am ehesten schauen? Auf den Jupiter? Zurück zur Erde? Weiter raus aus dem Sonnensystem?

Lammegger: Gute Frage. Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich einmal zur Erde zurück. Wo bin ich zuhause? Und dann: Wo sind wir jetzt? Keine Ahnung. Schwierige Frage.

Würden Sie selbst gerne einmal ins All?

Lammegger: Ja. Schon. Aber wird nicht möglich sein. Aber einen Teil davon im All zu haben ist auch wirklich ein schöner Gedanke. Und eigentlich eine große Ehre, dass man das auch ermöglicht bekommt. Und man muss sagen: Dass diese JUICE-Mission zu Stande kam, da sind schon einige glückliche Umstände auch dafür verantwortlich gewesen. Das man vielleicht am richtigen Ort zur richtigen Zeit irgendwie war und da irgendwie auf williges Gegenüber gestoßen ist. Und auch auf ein Gegenüber, dass irgendwie auch risikobereit war. Weil unser Magnetometer muss man sich so vorstellen, dass war dazumal, als diese Mission, also der Entscheid da war für dieses Magnetometer, da haben wir noch nicht einmal ein Magnetometer gehabt, wo man sagen hat können, dass das im Weltraum funktioniert. Da war das im Prinzip ein Laborinstrument. Wenn überhaupt. Da hat man schon viel von diesen entscheidenden Stellen an Vertrauensvorschuss bekommen. Das ist eigentlich sehr unüblich in der Weltraumtechnik, weil man da normal nur die etabliertesten Dinge hernimmt.

Wie lange haben Sie dann daran gearbeitet?

Lammegger: Das waren jetzt sieben, acht Jahre ungefähr.

Und wie geht es jetzt weiter? Sind sie jetzt an der Mission in beobachtender Position beteiligt oder sind Sie da noch stärker involviert?

Lammegger: Wir sind beim Commissioning natürlich noch dabei und bei der Interpretation von den Instrumenten und Daten. Also, was jetzt diese Parameter betrifft, die dieses Funktionieren des Instruments ausmachen. Da sind wir natürlich nach wie vor noch involviert und müssen da unsere Expertise abgeben. Aber die Magnetfelddaten werden von anderen Stellen ausgewertet und sind dann im Prinzip auch öffentlich zugänglich. Also, das ist ein öffentliches Gut. Es kann jede und jeder dann diese Magnetfelddaten, oder was immer, auch Bilder oder ähnliches, dieser Sonde einsehen. Und sich anschauen oder selber auswerten. Oder was auch immer machen damit. Da gibt es nur einen kleinen Zeitversatz zwischen den Rohdaten, die werden dann aufbereitet, und dann sind sie einmal die Sciencedaten und dann schauen einmal die Wissenschafterinnen und Wissenschafter drauf. Und dann werden sie irgendwann veröffentlicht sozusagen.

Ist das die erste Weltraummission, an der Sie beteiligt sind?

Lammegger: Insgesamt bin ich jetzt an vier Missionen beteiligt. Und die erste war im Rahmen von der Chinese Electromagnetic Satellite Mission, wo wir im Prinzip das erste Quanteninterferenzmagnetometer in den Erdorbit geschickt haben. 2018 war das. Und es funktioniert jetzt noch. Also da sind wir sehr stolz drauf.

Was macht es für Sie aus, dass Sie sich so intensiv mit dem Weltraum beschäftigen?

Lammegger: Das war gar nicht gewollt. Im Prinzip ist mein Fach ja die Quantenoptik. Aber das Magnetometer war da irgendwie das Bindeglied zu dieser Weltraumtechnik oder zum Weltraum. Was mich aber schon immer fasziniert hat. Das muss ich schon auch sagen.

Warum?

Naja. Als kleiner Bub sozusagen haben mich die Planeten interessiert und ich habe auch ein Teleskop gehabt und geschaut. Und mir vorgestellt, wenn ich dort wäre. So jugendliche Wünsche und vielleicht schon auch Träume und Vorstellungen. Wie ist es dort? Was ist der Weltraum? Und in dem Alter stellt man sich natürlich auch die Frage: Wer bin ich? Wer sind wir? Und vielleicht hilft da auch ein Blick in den Weltraum manchmal.

Jetzt wo das Magnetometer fertig ist und Sie es auch aus der Hand gegeben haben und es getestet worden ist, woran arbeiten Sie aktuell?

Lammegger: An den nächsten Magnetometern. Das sind schon zukünftige Versionen und die wollen wir natürlich auch bei Weltraummissionen wieder einsetzen. Da haben wir jetzt gewisse andere Strategien, die wir jetzt anwenden. Und Weiterentwicklungen. Es geht im Prinzip weiter.

Eine Abschlussfrage habe ich noch: Geld, haben Sie schon erwähnt, ist vor allem in der Weltraumforschung immer ein großes Thema. Aber auch in den meisten anderen Forschungsbereichen. Wenn Sie jetzt alle Möglichkeiten hätten und Geld keine Rolle spielen würde – was würden Sie gerne umsetzen?

Lammegger: Schwierige Frage. Ich habe mir schon im Vorfeld Gedanken gemacht über die Frage und habe keine eindeutige Antwort gefunden. Weil man sich jeden Tag denkt: Das könnte ich machen! Das könnte ich machen! Ich glaube, das ändert sich jeden Tag etwas und es ist keine Konstante sozusagen. Einmal eine erhebliche Vergrößerung des Labors und viele Geräte schweben einem da vor. Und wenn Geld wirklich keine Rolle spielen sollte, wie Sie das jetzt so meinen, dann kann man sich überlegen, dass wir unser eigenes Weltraumprogramm entwickeln gewissermaßen. Und machen dann, was wir überhaupt wollen und, was uns Spaß macht. So irgendwie in diese Richtung würde es dann gehen wahrscheinlich.

Was würde Ihnen Spaß machen?

Lammegger: Ja, selber Flugkörper starten. Und ins Sonnensystem vordringen. Interessant wäre, noch weiter raus zu gehen im Sonnensystem, zum Neptun zum Beispiel. Das wäre ein interessanter Gasriese, der praktisch noch ganz wenig erforscht ist mit Sonden. Das wäre sicher so ein Herzensprojekt von mir, wenn ich unbeschränkte Geldmittel hätte. Und auch noch einmal eine Sonde in den interstellaren Raum hinausschicken und die einfach dann von der Erde fortschicken. Das wäre eine sehr interessante, spannende Geschichte.

Vielen Dank für dieses Interview und den Einblick in Ihren Forschungsalltag.

Vielen Dank!

Vielen Dank, dass ihr heute wieder mit dabei wart. In der nächsten Folge unterhalte ich mich mit Franz Teschl, der am Institut für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation Antennen und Satelliten testet. Und untersucht, wie Regentropfen die Funkübertragung stören können.