Der Klimawandel und dessen Auswirkungen auf unseren Lebensraum gewinnen Jahr für Jahr an Deutlichkeit. Neben Maßnahmen zur Dekarbonisierung von Verkehr, Industrie und Energieversorgung braucht es auch infrastrukturelle Anpassungen, um auf die Folgen der globalen Erwärmung zu reagieren. Im Projekt „Grüne Zentren“ hat ein Team um Eva Schwab vom Institut für Städtebau gemeinsam mit dem Büro für Landschaftsplanung und Landschaftsökologie DI Maria Baumgartner die bereits eingetretenen Klimawandelauswirkungen im Steirischen Zentralraum - Graz, Graz-Umgebung und Voitsberg - analysiert und auf Basis der Analyse den Wegweiser „Klimastarke Grünräume“ für Gemeinden erarbeitet. Der Wegweiser liefert Vorschläge für eine nachhaltigere Raumplanung und zeigt unter anderem Grün-Blaue-Elemente (Pflanzen, Bäume oder Grünflächen sowie Wasserflächen oder Gewässer) auf, die dabei helfen können die zukünftige Landnutzung entlang der zu erwartenden klimabedingten Notwendigkeiten auszurichten. Auftraggeber*in war das Regionalmanagement Steirischer Zentralraum.
Analyse vor Maßnahmen
„Damit Gemeinden sich am besten gegen die Auswirkungen des Klimawandels rüsten können, brauchte es zunächst einmal eine datenbasierte Bestandsaufnahme, wie sich das verändernde Klima bemerkbar gemacht hat. Die Folgen treffen jede Gemeinde unterschiedlich, in der einen ist es viel zu trocken, in der anderen gibt es zu viel Niederschlag und andere erleben beides im Wechsel. Das liegt an der jeweiligen Topographie, den Bodenverhältnissen sowie dem Grad der Versiegelung. Daher war eine genaue regionale Analyse unabdingbar, um die passende Orientierung geben zu können“, sagt Eva Schwab.
In seiner Analyse erfasste und überlagerte das Team kartografierte Daten zu Temperaturentwicklung, Versiegelung sowie zu Starkregen, Fließwasserpfaden, Hangrutschungen, Bodenarten und Hochwasser und identifizierte darauf aufbauend die regionalen Bedürfnisse für grün-blaue Infrastrukturen. Dabei handelt es sich um Infrastrukturen, die Pflanzen und Wasser so einsetzen, dass Siedlungsräume und Gewerbegebiete besser für Wetterextreme gerüstet sind. Dazu gehören: Grünanlagen oder begrünte Dächer und Fassaden sowie Teiche, Seen, Kanäle und Einstauflächen wie große Wiesen, wo sich Wasser bei starkem Niederschlag sammeln kann. Ergänzend zur Datenanalyse gab es noch Gemeindeinterviews, um konkrete Auswirkungen und bereits bestehende Maßnahmen zu identifizieren.
Auf einzelne Gebiete des Steirischen Zentralraums heruntergebrochen stellten die Forschenden in ihrer Analyse fest, dass der Süden der Region verstärkt von Hitzeentwicklung und Trockenperioden betroffen ist. Graz und die südlich angrenzenden Gebiete bilden aufgrund der Versiegelung verstärkt Wärmeinseln, was während der Sommermonate zu Hitzewellen führt. Der Südwesten der Region gilt als besonders unwettergefährdet, was in Kombination mit der zunehmenden Versiegelung das Risiko von Überflutungen bei Starkregenereignissen erhöht. Im steirischen Hügelland westlich und östlich von Graz besteht aufgrund der Topografie und Bodenverhältnisse die Gefahr von Hangrutschungen.
Umdenken ist notwendig
Um diese Auswirkungen so gut wie möglich einzudämmen, gilt es bei Raumplanung und Landnutzung neue Wege einzuschlagen. So sorgen neben der Bodenversiegelung insbesondere ausgetrocknete Böden dafür, dass starke Niederschläge nicht mehr vom Erdreich aufgenommen werden können. Infrastrukturanpassungen, wie der Ausbau von Entwässerungssystemen und Rückhaltebecken sowie verbesserte Frühwarnsysteme, sind daher eine wichtige Gegenmaßnahme. Natürliche Überschwemmungsgebiete und die Renaturierung von Flussufern würden die Aufnahmekapazität der Gewässer zusätzlich erhöhen. Einer der wichtigsten Aspekte ist die nachhaltige Bodennutzung, wodurch sich die Flächenversiegelung in Grenzen hält.
Der Punkt Versiegelung betrifft speziell wachsende Gemeinden, weshalb das im Wegweiser vorgestellte öffentliche Entwicklungskonzept (ÖEK) vor allem diese sensibilisieren und zu einem Umdenken bewegen soll. Zitat: „Das ÖEK bietet die Chance, die Entwicklung der Gemeinde für die nächsten 15 Jahre zu konzipieren. Es ist die strategisch beste und wichtigste Möglichkeit, grün-blaue Infrastruktur wirklich großräumig zu denken und den Landschafts- und Grünraumschutz in der Gemeinde auf höchster Ebene mit Zielsetzungen und Maßnahmen zu verankern. Hier können z.B. Siedlungsgrenzen, Freihalte-, Eignungs- und Vorrangzonen festgelegt werden. Es können Vorgaben zur gewünschten Entwicklung der Bebauung, der Natur- und Kulturräume sowie zur Konzeption des Straßennetzes im Sinne eines fußgänger*innen- und radfahrer*innen-freundlichen Ortes der kurzen Wege getroffen werden.“ Ein Schwerpunkt sollte hier auch auf der Entwicklung der Ortskerne liegen, damit nicht weiter an den Ortsrändern versiegelt wird, während das Stadtzentrum immer mehr ausstirbt.
Zusätzlich präsentieren die Forschenden auch sehr zielgerichtete Maßnahmen, die auf die jeweiligen klimatischen Gegebenheiten der Gemeinden eingehen. Für Gebiete mit ausgedehnten Trockenperioden empfiehlt das Forschungsteam Wasserspeicher und effiziente Bewässerungssysteme zur Wasserversorgung in der Landwirtschaft. Auch der Anbau von dürreresistenten Pflanzen und die Verbesserung der Bodenqualität können die Auswirkungen der Trockenheit verringern. In urbanen Gebieten tragen Stadtplanung und Grünflächenmanagement dazu bei, Hitzeinseln zu vermeiden. Gleichzeitig kann die Förderung von natürlichen Wasserrückhaltebecken und Überschwemmungsgebieten nach dem Schwammstadt-Prinzip hier die Auswirkungen von Starkregenereignissen eindämmen. Beim Thema Hangrutschungen empfehlen die Forschenden neben geotechnischen Untersuchungen und Frühwarnsystemen den Einsatz von Drainagen und tiefwurzelnde Bepflanzung, um die Erosion zu reduzieren und die Stabilität des Untergrunds zu erhöhen.
Klimawandelfolgen möglichst gering halten
All die Empfehlungen umzusetzen, liegt allerdings an den Gemeinden selbst und dass dies eine Herausforderung darstellen kann, dessen ist sich auch das Projektteam bewusst. Allerdings sind die Teammitglieder davon überzeugt, dass eine Umsetzung nicht nur der Klimawandelanpassung, sondern auch der Förderung der Lebendigkeit der Ortszentren und der aktiven Mobilität im Ort dient und wirtschaftlich sinnvoll ist. Sollte es dennoch Zweifel daran geben, bietet der Wegweiser zusätzlich noch einen Faktencheck zu den gängigsten „grünen Mythen“, um mit Einwänden wie „Wir können uns das sowieso nicht leisten“ oder „Für Bepflanzung ist kein Platz mehr“ aufzuräumen.
„Wir bekommen die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels immer stärker zu spüren. Neben Maßnahmen, um ihn in Grenzen zu halten, möchten wir mit den vorgeschlagenen Strategien dazu beitragen, seine Folgen möglichst gering zu halten“, sagt Eva Schwab. „Darüber hinaus plädieren wir stark dafür, natürliche Ökosysteme zu schützen und wieder herzustellen sowie die Bevölkerung für die Auswirkungen des Klimawandels zu sensibilisieren. Dazu gehört auch die Förderung von Maßnahmen zum Wassersparen, um sich hier ebenfalls gegen Trockenheit und Hitze abzusichern.“
Dieser Artikel ist Teil des TU Graz Dossiers „Städte im Klimawandel“. Weitere Dossiers finden Sie unter www.tugraz.at/go/dossiers.