Forschung am Institut für Holzbau und Holztechnologie

Lehre und Forschung sind am Institut für Holzbau und Holztechnologie untrennbar miteinander verbunden. Das Bekenntnis zu einer so genannten "forschungsbasierten Lehre" kommt dadurch zum Ausdruck, dass keine Lehrveranstaltungsinhalte angeboten werden, woran nicht auch Forschungsaktivitäten gekoppelt sind. Das Institut bietet allen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein forschungsfreundliches Umfeld, wo es motivierten und eigenverantwortlich agierenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht wird, ihrer Neugier freien Lauf zu lassen, kurz: Forschung braucht Freiheit! Es ist zudem gelebte Selbstverständlichkeit, dass stets auf das von der "scientific community" anerkannte "Fundament des geschaffenen Wissens" Bezug genommen wird, um einerseits den Diskurs auf nationaler aber im Besonderen auf internationaler Ebene - z. B. INTER, WCTE - pflegen und um andererseits Neues aufsetzen zu können. Das Institut pflegt auch den internationalen Austausch, sowohl für die Studentenschaft als auch für das wissenschaftliche Personal. Diesbezüglich kann auf erfolgreich laufende Kooperationen mit Institutionen in den USA, in Kanada und Japan sowie Europa verwiesen werden. Die Forschung am Institut lässt sich im Wesentlichen in die folgenden vier Schwerpunkte einteilen, wobei sich diese Forschungsfelder im Rahmen spezieller Forschungsprojekte und Doktoratsarbeiten überlappen und miteinander interagieren können:

Flächen- und Raumtragwerke im Holzbau (FRHB)

Hierbei handelt es sich um den am längsten am Institut angesiedelten Forschungsschwerpunkt. Seit mehr als 25 Jahren gehen Forschende am Institut der Frage nach, wie Flächen- und Raumtragwerke im Holzbau realisiert werden können. Die Bandbreite reicht von aufgelösten Rippen- und HP-Schalen, aufgebaut aus nachgiebig oder quasi starr miteinander verbundenen Brettlamellen, bis hin zu speziellen Produktentwicklungen und Tragwerksformen, womit eine 2D- und 3D-Tragwirkung überhaupt erst erreicht werden kann. Aushängeschild für das Institut ist die federführende Forschungs-, Entwicklungs- und Transferaktivität rund um das wohl innovativste flächenhaft wirkende Holzbauprodukt der letzten zwei Jahrzehnte. Gemeint ist das Produkt "Brettsperrholz (BSP)", womit für den Holzbau die Tür zur Fläche und damit zu neuen Marktsegmenten aufgestoßen werden konnte. 1989 mit der Dissertation von G. Schickhofer begonnen - Rigorosum im Mai 1994 - folgten zwischen 1996 und 1998 ein preisgekröntes FFF-Projekt in Kooperation mit der regionalen Sägeindustrie, 1998 die erste nationale Zulassung (ÖTZ) verbunden mit der Gründung eines der heute erfolgreichsten BSP-Produzenten - die KLH Massivholz GmbH - und im September 2000 die Präsentation der Holz-Massivbauweise in Brettsperrholz im Rahmen der COST E5 Action. In Kooperation mit der seit Dezember 2002 aktiven holz.bau forschungs gmbh folgten 14 gemeinsame und auf BSP fokussierte Jahre der F+E-Tätigkeit, wodurch dieses Produkt und die damit verbundene Holz-Massivbauweise erst so richtig auf nationaler und internationaler Ebene etabliert werden konnten. Dieser fruchtbare F+E-Nährboden an der TU Graz war wohl auch mit ein Grund warum zwischen 2005 und 2010 die gegenwärtig noch bedeutendsten BSP-Produktionsstätten in einem Radius von nur rund 150 km um Graz aus dem Boden schossen. Heute, 2016, sprechen wir von weltweit mehr als 40 Standorten verbunden mit einer Produktionskapazität von rund 650.000 m3. Das Institut wird sich auch weiterhin auf diesem Forschungsfeld bewegen, wobei die Themen Modularisierung, Vorfertigung, Verbindungstechnik und Systemlösungen im Vordergrund stehen. [Graz, 20. April 2016, GS]

links: Biegeprüfung einer BSP-Platte; rechts: Innenansicht eines BSP-Gebäudes im Rohbau
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Innovative und anwendungsoptimierte Verbindungstechnik (IAOV)

Ohne Verbindungstechnik kein Holzbau. Bekanntermaßen liegt der Schlüssel eines leistungsfähigen und wirtschaftlichen Holzbaus in der "richtigen" Wahl der Verbindungstechnik. Das Institut befasst sich daher seit Wirkungsbeginn mit dieser Thematik, wobei es vor rund 10 Jahren zu einer Schwerpunktsetzung hin zu vorwiegend axial beanspruchten stiftförmigen Verbindungsmittel kam. Gemeint ist damit die große Gruppe der so genannten "selbstbohrenden Holzschrauben", welche im Winkel mit dem Holz verschraubt ihre größte Leistungsfähigkeit entfalten können. Ende 2005 erfolgte die Publikation einer Masterarbeit, worin das systematische Tragverhalten von Queranschlüssen - der bekannte Hauptträger-Nebenträger-Queranschluss - untersucht wurde. Darauf basierend erfolgte eine langjährige Zusammenarbeit mit einem regionalen Verbindungsmittelhersteller, woraus in Folge die heute weltweit erfolgreiche Produktfamilie der SHERPA-Schwerlastverbinder herausging. Neben der vorwiegend axial beanspruchten Verbindungstechnik - dazu zählen auch eingeklebte Stahlstäbe - befassen sich Arbeiten am Institut auch mit dem Trag- und Verformungsverhalten von vorwiegend auf Abscheren beanspruchten stiftförmigen Verbindungsmitteln, gemeint ist die altbekannte Stabdübelverbindung, und mit Einklebungen von diversen Stahlblechformteilen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den erwähnten mechanischen Verbindungssystemen - vorwiegend auf Herausziehen oder auf Abscheren beansprucht - und den letztgenannten Klebeverbindungen liegt im unterschiedlichen Verhalten, ausgedrückt durch die Potenziale hinsichtlich "Tragfähigkeit - Steifigkeit - Duktilität", einer realisierten Verbindung. Dem Einsatzbereich und den Anforderungen entsprechend ist auf eine dahingehend optimierte Verbindungstechnik zu achten, wobei insbesondere ein verstärktes Augenmerk auf das duktile Verhalten von Verbindungssystemen gelegt wird. Das zeitoptimierte Montieren aber auch die Möglichkeit des Demontierens von Holzkonstruktionen erfordert vorgefertigte Systemlösungen in der Verbindungstechnik. Darauf wird bei zukünftigen Entwicklungen besonders zu achten sein. [Graz, 21. April 2016, GS]

Prüfung von einem verschraubten Stufenfalz
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Prüfung eines verschraubten Queranschlusses
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Leichtbauprofile und Verbundquerschnitte aus Laubholz (LVLH)

Dieser seit 2014 etablierte und daher etwas jüngere Forschungsschwerpunkt am Institut setzt sich zum Ziel, mit bisher wenig genutzten Holzarten, Produktentwicklungen für unterschiedliche Einsatzbereiche zu starten. Aufgrund der vorhandenen und stetig wachsenden Ressourcen sowie der guten Schälbarkeit liegt der Fokus dabei insbesondere auf den zerstreutporigen Laubholzarten Buche, Birke und Pappel. Nach dem Motto „Vom Sägen zum Schälen“ wird bei der Wahl der Ausgangsprodukte ein möglichst hoher Zerlegungsgrad mit Schälfurnierstärken von bis zu rund 3mm angestrebt. Neben dem Schälen umfasst der Schwerpunkt im Besonderen die Erfassung der damit verbundenen Einflussparameter auf die Festigkeits- und Steifigkeitseigenschaften der daraus gewonnenen Furniere. Nach deren Verklebung zu Furnierschicht- und sperrholzpaketen liegen beanspruchungsoptimierte Aufbauten vor, welche nicht nur als 2D-Platte |-Scheibe sondern auch als Formpressprofile verfügbar gemacht werden. Unterschiedlichste, dem Stahlbau entliehene Profilformen sind herstellbar und erlauben durch geschickte Kombinationen Verbundbauprofile für den Einsatz als Wand-, Dach- und Deckenelemente. Hervorzuheben ist, dass damit Produkte hoher Tragfähigkeit und Steifigkeit, verbunden mit einer geringen Streuung der Kenngrößen vorliegen. Neben der Verwendung als Bauprodukte, gewinnt auch der Mobilitätssektor - "timber_meets_mobility" - an Bedeutung als Einsatzbereich solcherart geformter und optimierter Furnierprodukte. [Graz, 20. April 2016, GS]

Formpressprofil in I-Form aus Furnieren
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Bruchbild von einem verschraubten Hirnholzanschluss
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Bestandsanalyse und Instandhaltung historischer Holzkonstruktionen (BIHK)

Mehr als 350.000 Gebäude in Österreich sind älter als 100 Jahre und die Stadt Graz ist seit 1999 UNESCO-Weltkulturerbe. Zwei Gründe für das Institut, sich der historischen Bausubstanz auch in Lehre und Forschung zu widmen. So konnten dazu bis dato zwei bedeutende Forschungsprojekte zum Abschluss gebracht werden, das erste Projekt zwischen 2009 und 2011, finanziert vom Zukunftsfonds Steiermark, und ein darauf folgendes zweites Projekt zwischen 2012 und 2014 im FFG-Bridge-Bereich. Inhaltlich befasste sich das erste Projekt mit der Bestandserfassung und -bewertung von Dachtragwerken und mit der Erarbeitung von Instandsetzungsmaßnahmen, insbesondere für schadhafte Detailbereiche historischer Tragstrukturen. Im Sinne des Denkmalschutzes sollten nur minimale Eingriffe erfolgen und auch nur dort, wo auf Grund von tragfähigkeitsmindernden Schäden - nicht selten im Bereich von Fußpunkten - tatsächlich Bedarf gegeben ist. Um ein historisches Dachtragwerk auch statisch korrekt erfassen und in Folge nachweisen zu können, ist eine 3D-Modellierung unumgänglich. Dabei sind alle Knoten realitätsnah zu erfassen, was bedeutet, dass sowohl die Tragfähigkeit als auch im Besonderen die Nachgiebigkeit von historischen Holz-Holz-Verbindungen bei der Modellbildung zu berücksichtigen ist. Nur dann kann auch gewährleistet werden, dass die aus dem Nachweisverfahren resultierenden Ausnutzungsgrade auf einem realitätsnahen und bewertbaren Niveau zu liegen kommen. [Graz, 21. April 2016, GS]

Prüfung einer Holz-Holz Verbindung
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Ausschnitt der Dachlandschaft von Graz
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Kontakt
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Institut für Holzbau und Holztechnologie
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