GAD Awards 22+

© GAM.Lab, TU Graz

Im Rahmen der Grazer Architektur Diplompreise (GAD Awards) werden jährlich die besten Abschlussarbeiten der Fakultät für Architektur aus dem letzten Studienjahr ausgezeichnet. Dieses Jahr war das Institut für Wohnbau unter der Leitung von Andreas Lichtblau mit der Auswahl der Jury sowie der Entwicklung des Ausstellungskonzepts der nominierten Arbeiten betraut. Die Jury setzte sich in diesem Jahr aus folgenden externen Mitgliedern zusammen: Christine Hannemann (Professorin für Architektur und Wohnsoziologie, Universität Stuttgart), Karla Mäder (Chefdramaturgin, Schauspielhaus Graz) und dem Architekten Georg Poduschka (PPAG architects, Wien/Berlin).

v.l.n.r.: K. Mäder, C. Hannemann, G. Poduschka, A. Lichtblau © GAM.Lab, TU Graz

Das Rahmenprogramm der GAD Awards 22+ wurde mit einem Abendvortrag von Jurymitglied Christine Hannemann eröffnet. Ihr Vortrag „Zusammenhalt braucht Räume“ thematisierte die Relevanz und Notwendigkeit integrativer Wohnprojekte, die gemeinschaftliches Zusammenwohnen von unterschiedlichen sozialen Gruppen und unterschiedlicher geografischer Herkunft ermöglichen. Der integrative Ansatz spiegelte sich auch im Round-Table-Vortragsformat wieder, das auch Beiträge von Studierenden, Absolvent*innen und anderen Jurymitgliedern zur Diskussion stellte.
Teil der Veranstaltungsreihe war in diesem Jahr auch die feierliche Verleihung der Silbernen Diplome durch Dekanin Petra Petersson in der Aula am 13. Oktober 2022. Im Anschluss prämierte die GAD-Jury schließlich im Foyer der Alten Technik aus insgesamt 30 nominierten Masterarbeiten sechs Diplomand*innen, deren Abschlussarbeiten herausragende Leistungen in Hinblick auf Entwurf und Ausarbeitung sowie überzeugende architektonische Antworten auf drängende Fragen unserer Zeit liefern:

1. Preis

v.l.n.r.: M. Bogensberger (Land Steiermark, Abt. 16), K. Hiebaum, C. Hannemann © GAM.Lab, TU Graz

Der 1. Preis, gestiftet von der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 16 Verkehr und Landeshochbau, wurde an Karin Hiebaum für ihr Projekt „innen_außen. Bedeutung und Potenzial von Begrenzung und Entgrenzung durch gebauten Raum” vergeben. Das von Andreas Lichtblau (Institut für Wohnbau) betreute Projekt entwirft eine Siedlungsutopie, der eine Neudefinition der Beziehung zwischen Menschen, Tieren und Pflanzen zugrunde liegt. Dabei plädiert Karin Hiebaum für die Notwendigkeit, festgefahrene Denkmuster – wie die oppositionelle Gegenüberstellung der Begriffe Kultur und Natur – zu durchbrechen. Innerhalb der entwickelten Kubatur wurde die funktional-räumliche Trennung von Produktion (Arbeit) und Reproduktion (Wohnen) aufgelöst. Auch der Anspruch auf absolute klimatische Kontrolle wurde im Entwurf aufgegeben und die Relationen zwischen Material, Struktur und Ökosystemen neu ausgelegt. Die Utopie entwirft eine Architektur, die monofunktionale Typologien der Moderne überwindet und der menschlichen Verfügungsgewalt über Boden kritisch gegenübersteht. Die Jury betonte neben der sorgfältigen Gestaltung und klaren Darstellung des architektonischen Konzepts vor allem die der Arbeit inhärenten neuen Auslotung des Architekturberufs, die auf ein dringliches gesellschaftliches Problem unserer Zeit reagiert.

© Karin Hiebaum

2. Preis

M.Karnutsch, G. Poduschka © GAM.Lab, TU Graz

Michael Karnutsch erhielt für sein Diplomprojekt „Wohn- und Freizeitpark Grenzgasse“ den 2. Preis. Betreut von Andreas Lechner am Institut für Gebäudelehre, fragt die Arbeit nach städtebaulichen und architektonischen Methoden für eine gestalterische Bearbeitung typischer Raumsituationen am Stadtrand. Konkret wurde südwestlich von Graz, an der Grenze zum Stadtrandbezirk Puntigam, ein Wohn- und Freizeitpark für die Gemeinde Seiersberg-Pirka entworfen. Im Sinne einer qualitativen Nachverdichtung des kleinteilig fragmentierten Gebiets soll eine Großform Grenzen definieren und eine übergeordnete Hierarchie etablieren. Der monofunktionalen Bebauung wird somit ein eingeschossiger Baukörper entgegengesetzt, der als Großform Platz für unterschiedliche Nutzungsszenarien bietet und gleichzeitig eine öffentlich zugängliche Parklandschaft begrenzt. Das Grundgerüst der Großform bildet eine Stahlbetonkonstruktion, bestehend aus einem Stützenraster, sowie Fundament- und Deckenplatte. Je nach Bedarf können ein, zwei oder beliebig viele Felder des Rasters zu einer Wohnung, einem Büro, einem Fitnessraum oder beispielsweise einem Lagerraum ausgebaut werden. Der Ausbau kann als Kulturschicht verstanden werden, welcher mit dem starren Raster der Beton-Grundstruktur bricht und dem Gebäude seine Ästhetik und Atmosphäre verleiht. Die Jury würdigte das klare städtebauliche Statement durch die Großform, die eine gelungene Alternative zur Verhüttelung der Grazer Peripherie darstellt. Darüberhinaus präsentiert die Arbeit einen gelungenen Entwurf einer gemeinschaftliche Wohnform, in der die Bewohner*innen selbst mitbestimmen können.

© Michael Karnutsch

3. Preis

V. S. Schabbon, K. Mäder © GAM.Lab, TU Graz

Der 3. Preis ging an das Projekt von Vera Sophie Schabbon mit dem Titel „Über den Versuch ein Haus zu bauen“. Die von Alex Lehnerer (Institut für Raumgestaltung) betreute Arbeit widmet sich dem Thema der Höhle als Ausgangspunkt für das Bauen. Anhand charakteristischer Merkmale von Höhlen wurden in der Arbeit Prinzipien formuliert, die Anhaltspunkte für das prozesshafte Herantasten an den Entwurf eines Hauses geben. Mehrere Entwurfsmethoden führten zu einem Repertoire von Bauelementen, die es ermöglichten, Schritt für Schritt, Element für Element, ein komplexes Gefüge entstehen zu lassen. Vera Schabbons Projekt überzeugte die Jury durch die Auseinandersetzung mit der zeitgemäßen Technik des Unlearnings und den Ursprüngen des Bauens. Gleichzeitig betonte die Jury das Potential des spielerischen Entwurfsansatzes als zukunftsweisende und originelle Art des Bauens. Der 3. Preis wurde zusätzlich mit einem Sachpreis - einem hochwertigen Berberteppich, gestiftet von Gebhart Blazek/Berber Arts, gewürdigt.

© Vera Sophie Schabbon

Hollomey Reisepreis

v.l.n.r.: W. Hollomey, A. Alibabić, K. Mäder © GAM.Lab, TU Graz

Der diesjährige Hollomey Reisepreis wurde Azra Alibabić für ihre Abschlussarbeit „Ein Raum für Frauen in Karatschi“ verliehen. Das Projekt – betreut von Andreas Lichtblau am Institut für Wohnbau – präsentiert einen Entwurf für das Bilquis Edhi Zentrum, ein Frauenhaus im Norden Karatschis (Pakistan), das aktuell 1.600 Frauen und 150 Kindern Zuflucht und Schutz vor Zurückweisung, Gewalt und Diskriminierung bietet und von Wohlfahrtsorganisationen betrieben wird. Die simple Konstruktion aus Ziegelbauweise und Kalkputz richtet ihre Baukörper nach Innen und soll Privatsphäre ermöglichen, hohe Windtürme sorgen nicht nur für Durchlüftung, sondern agieren auch als Sichtschutz. Höfe, Rahmen und Öffnungen in den Erschließungsflächen schaffen Blickbeziehungen. Vegetation auf den Gemeinschaftsflächen soll genutzt werden und Aktivitäten fördern. Regional verfügbare Materialien und lokale Arbeitskräfte sollen die Community stärken und zur Nachhaltigkeit beitragen. Die Jury würdigte den Entwurfsansatz, die Lebensbedingungen dieser Frauen durch durchdachte architektonische Interventionen wie z.B. eine andere Sortierung von Räumen oder das Schaffen von Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten zu verbessern. Der Preis soll eine weiterführende Recherche vor Ort ermöglichen, um eine Organisation zu finden, die dieses wertvolle Projekt unterstützt.

© Azra Alibabić

Tschom Wohnbaupreis

v.l.n.r.: H. Tschom, L. Zinnbauer, G. Poduschka © GAM.Lab, TU Graz

Lea Zinnbauer erhielt für ihre Diplomarbeit „WeißenHOCHsiedlung – Stuttgarts sensibler Gigant“ den Tschom Wohnbaupreis. Vorrangiges Ziel der von Hans Gangoly am Institut für Gebäudelehre betreuten Arbeit war es, negative Auswirkungen der Stadtentwicklung wie Gentrifizierung oder flächenversiegelnde Urbanisierung zu minimieren. Dies wird am Beispiel Stuttgart illustriert, wo am Ufer des Neckars im Zuge der IBA27 versucht wird, die Innenstadt mit dem Stadtteil Bad Cannstatt zu verbinden. Das Projekt löst dieses Problem durch ein verdichtetes und durchmischtes Gefüge – einer Megastruktur: Der autarke Baukörper stellt horizontal angeordnete Stadtstrukturen in Frage und versucht alternativ ein lebenswertes Miteinander anzubieten und zwischen neu geschaffenen Parkanlagen, Freizeitflächen, Anbauflächen und attraktiven Aufenthaltszonen am Neckarufer zu vermitteln. Die Jury lobte den Mut zur Megastruktur, der gelungenen Verbindung zwischen rechter und linker Straßenseite sowie den Wohnbau, der dörfliche Strukturen vertikal schichtet und horizontal adressiert.

© Lea Zinnbauer

Anerkennung für ressourcenschonende und klimagerechte Architektur

v.l.n.r.: R. Wührer (ZT-Kammer), B. Russo, C. Hannemann © GAM.Lab, TU Graz

Die Anerkennung für ressourcenschonende und klimagerechte Architektur, die seit 2019 von der Ziviltechniker*innenkammer für Steiermark und Kärnten gestiftet wird, ging in diesem Jahr an Barbara Russo für ihr Abschlussprojekt „Stadtwirtschaft. Impulse zur urbanen Selbstversorgung am Beispiel der Stadt Graz“, betreut von Aglaée Degros am Institut für Städtebau. Die Arbeit analysiert vier sehr unterschiedliche Grazer Quartiere und erarbeitet individuelle Vorschläge zur Flächennutzung sowie Entwürfe für die Umsetzung urbaner Landwirtschaft. Die vorgeschlagenen Impulse sollen deutlich machen, dass ein Handeln auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedensten Bereichen und Maßstäben möglich ist. Da es ohnehin eine Tendenz hin zu mehr Grünbereichen in Städten und Metropolen gibt, kann urbane Landwirtschaft als messbarer Nutzen für eine grüne, nachhaltige Stadt stehen und vielfältige positive Auswirkungen auf die Lebensqualität der Städte generieren. Das Projekt überzeugte die Jury nicht nur durch durch das zukunftsrelevante Thema sondern auch durch die Tragfähigkeit der vorgeschlagenen Entwurfsansätze.

© Barbara Russo

Die nominierten Arbeiten wurden von 17.-23. Oktober 2022 im Foyer der Alten Technik ausgestellt und am 01. Dezember 2022 um 19:00 Uhr im Haus der Architektur von den Preisträger*innen vorgestellt. Alle nominierten Projekte sind über https://gad-awards.tugraz.at online zugänglich.

Text: Petra Eckhard & Martina Hanke

Jurysitzung

© GAM.Lab, TU Graz

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