Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge

Chancen und Herausforderungen der Elektromobilität im Hinblick auf elektrische Anlagen und Netz

Der Aufschwung der Elektromobilität als Mobilitätskonzept der Zukunft führt zu einer stetig wachsenden Zahl an Elektrofahrzeugen und, damit verbunden, wird auch die Anzahl von Ladestationen steigen. Bei Elektrofahrzeugen hängt die für eine elektrische Ladung benötigte Ladezeit von der dafür bereitgestellten elektrischen Ladeleistung ab. Viele Ladestationen für Elektrofahrzeuge (en. Electric Vehicle Charging Station, EVCS) auf engem Raum benötigen für Schnellladungen hohe Anschlussleistungen, was wiederum die versorgenden Stromverteilernetze vor große Herausforderungen stellt. Durch die stetig wachsende Zahl von notwendigen Ladestationen und das Streben nach immer höheren Ladeleistungen nehmen ebenso die Herausforderungen an den Schutz gegen elektrischen Schlag zu. Höhere Ladeleistungen bringen auch höhere Stromstärken mit sich – je höher die Stromstärke, umso technologisch herausfordernder ist die Einhaltung der normativ vorgegebenen Fehlerklärungs- bzw. Abschaltzeiten. Zur Bewältigung dieser Aufgaben müssen mehrere Komponenten, wie die Schutzeinrichtungen der Ladestation selbst, der Basisschutz bis hin zum Steckverbinder, die Erdungs- und Potentialausgleichsanlage sowie die Software der Ladestation perfekt interagieren.

Aufgrund der langen Erfahrungen des IEAN auf diesen Gebieten und der hohen Motivation, neue Technologien voranzutreiben, haben sich Ladestationen für Elektrofahrzeuge als eines der Forschungsschwerpunkte am Institut etabliert. Beispiele für Forschungsschwerpunkte zu diesem Thema am Institut sind:

  • Analyse von Ladevorgängen und -verfahren an AC- sowie DC-Ladestationen für Elektrofahrzeuge
  • Erst- und wiederkehrende Prüfung von DC-Ladestationen für Elektrofahrzeuge
  • Schutzerdungs- und Potentialausgleichsanlage für Ladeinfrastruktur

Laden von Elektrofahrzeugen
Generell gehört eine weitverbreitete Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge mittlerweile zum öffentlichen Bild, man findet Ladestationen in Ladeparks auf Parkplätzen, an Raststätten oder in Tiefgaragen, aber auch vor öffentlichen bzw. halböffentlichen Gebäuden (zB Verwaltung und Industrie) sowie im privaten Bereich. Hat es von außen betrachtet den Anschein der Selbstverständlichkeit eines sicheren und zuverlässigen Betriebs dieser Ladestationen, so steckt immens viel Know-How hinter diesen elektrischen Komponenten und deren Zusammenschaltung. Zur Veranschaulichung:

Zur Ladung von Elektrofahrzeugen mittels konduktiven (leitungsgebunden) Ladevorrichtungen gibt es aus elektrotechnischer Sicht zwei Ansätze: Das Laden mit Gleichstrom und das Laden mit Wechselstrom. Beide Varianten sind State of the Art, man unterscheidet dabei zwischen Wechselstromladestationen (AC-EVCS) und Gleichstromladestationen (DC-EVCS). Bei ersteren wird das Elektrofahrzeug mittels ein- oder dreiphasigem Wechsel-/Drehstrom im Bereich von 3,7 kW (langsam) bis 11/22 kW (beschleunigt) geladen. Die Umwandlung von Wechsel- zu Gleichstrom (welcher der Akkumulator des Elektrofahrzeuges benötigt) erfolgt mittels des fahrzeuginternen Ladegeräts (en. on-board charger, OBC). Der Vorteil von DC-EVCS ist, dass sie die Elektrofahrzeuge hingegen direkt mit dem vom Akkumulator geforderten Gleichstrom versorgen, was zu einer höheren möglichen Ladeleistung (50/150/350 kW) führt und somit das EV schneller geladen wird. Die Transformation von Wechsel- zu Gleichstrom erfolgt dabei im ladestationsintegrierten Umrichter, welcher vom Niederspannungs-Wechsel-/Drehstromnetz gespeist und gegebenenfalls über eine Batterie gepuffert wird. Die Verbindung von Elektrofahrzeug und Ladestation wird entweder manuell mittels einer Ladeleitungsgarnitur oder automatisiert mit einem Roboterarm bzw. Pantografen hergestellt.

Alternativ dazu gibt es auch Entwicklungen hinsichtlich induktivem (also kontaktlosen) Laden von Elektrofahrzeugen wobei dies heutzutage (Mai 2020) noch wenig praktische Bedeutung hat. Aufgrund der großflächigen Verbreitung und der damit verbundenen Herausforderungen für das (Niederspannungs-)Netz sind auch bereits Ansätze zu ferngesteuertem Laden verbreitet wodurch die Ladeleistung je nach Auslastung der Infrastruktur individuell geregelt werden könnte und diese Anlagen dann zur Laststeuerung im Niederspannungsnetz herangezogen werden könnten um den Einsatz regenerativer Energiequellen zu optimieren und um eine Überlastung des Niederspannungsnetzes zu verhindern.

Es zeigt sich bereits hier, dass die unterschiedlichen Ansätze zur Ladung von Elektrofahrzeugen einen breiten Forschungsbedarf ergeben. Das IEAN beschäftigt sich mit all diesen Ansätzen und setzt bereits hier Forschungsschwerpunkte. Vertiefend werden ebenso folgende Schwerpunkte behandelt:

Erst- und wiederkehrende Prüfung von Ladeinfrastruktur
Betreiber von Ladeinfrastruktur übernehmen mit der Errichtung bzw. der darauffolgenden Inbetriebnahme und dem Betrieb gewisse Verantwortungen gegenüber deren Mitarbeitern bzw. gegenüber deren Kunden im Hinblick auf die Einhaltung des notwendigen Maßes an entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen, unter anderem im Hinblick auf die Sicherstellung des Personenschutzes und der Schutzmaßnahmen gegen elektrischen Schlag. Dabei gilt es im Wesentlichen sicherzustellen, dass der Schutz dauerhaft gewährleistet wird, wodurch die Gefahr durch elektrischen Strom für den Menschen auf ein vertretbares Minimum reduziert wird. Zur regelmäßigen und reproduzierbaren Überprüfung des Schutzes und der Schutzmaßnahmen bedarf es geeigneter Methoden samt zugehöriger Prüfgeräte. Im Falle von AC-EVCS gelingt dies problemlos unter Einhaltung der nationalen Regelwerke (u.a. Elektrotechnikverordnung ETV 2010, Elektroschutzverordnung ESV 2012, OVE E 8101, OVE Richtlinie R 30) mittels eines herkömmlichen Installationstesters in Verbindung mit entsprechenden Adapterlösungen – beispielsweise auf Typ-2-Steckverbinder. Die wiederkehrende Überprüfung von DC-EVCS stellt allerdings eine entsprechend größere Herausforderung dar und kann zurzeit nicht mittels einfachen Adaptern und im Handel erhältlichen Prüfgeräten erfolgen. In Zusammenarbeit mit Partnern der Industrie und dem Institut für Elektrische Anlagen und Netze der TU Graz befinden sich aktuell (Mai 2020) dahingehende Richtlinien bzw. Regelwerke in Ausarbeitung sowie ein Prüfgerät für DC-EVCS in Entwicklung. Die folgende Abbildung veranschaulicht einen entsprechenden Prüfaufbau zur Überprüfung einer DC Ladestation mit einem am IEAN gemeinsam mit der Firma KS Engineers im Rahmen eines Forschungsprojektes entwickelten Prüfgerätprototypen.

Integration von Ladeinfrastruktur in Niederspannungsnetze
Die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge ist hauptsächlich in der Niederspannungsebene (Netzebene 6 bzw. 7) angesiedelt. Leistungsstarke Ladestationen mit 11/22 kW AC und ≥ 50 kW DC können zu einer entsprechenden Mehrbelastung der zugeordneten Netzebene führen. Von Interesse und somit Bestandteil von mehreren Forschungsprojekten sind unter anderem die Analyse der Integration einer entsprechenden Anzahl an Ladestationen in bestehende Stromversorgungsnetze zB mit Hilfe von Durchdringungsszenarien und Laststeuermöglichkeiten.

Kann die geforderte Ladeleistung durch das bestehende bzw. entsprechend angepasste Netz nicht bereitgestellt werden, so ist ein Netzausbau unabdingbar. Es ist durchaus möglich, dass dabei die zur Versorgung notwendigen Anlagenkomponenten, wie zB Kabel, Transformatoren und Schutzeinrichtungen neu dimensioniert werden müssen. Bei neu zu errichtenden Ladeparks mit einer entsprechenden Anzahl von EVCS mit Ladeleistungen im Bereich von 50/150/350 kW ist dies ohnehin Gang und Gebe.

Ebenso befasst sich das Institut mit facheinschlägigen Themen rund um gesteuertes Laden von Elektrofahrzeugen, welche primär auf die Dargebotsabhängigkeit von elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen, sowie auf mögliche Grenzen der Infrastruktur (Auslastung des Netzes, etc.) eingehen.

Publikationen
2019
Herbst, D., Schürhuber, R., Schmautzer, E.
Methods for the verification of protective measures for safety of DC charging stations for electric vehicles
In: Renewable Energy & Power Quality Journal, 17, 390-393., https://doi.org/10.24084/repqj17.320, 01.07.2019 [Journal Paper]

Herbst, D., Schürhuber, R., Schmautzer, E.
A contribution to protective measures against electric shock at DC charging stations
In: IEEE Transportation Electrification Conference and Expo - ITEC 2019, Novi, USA / Vereinigte Staaten, 21.06.2019 [Paper und Vortrag]

Herbst, D., Schürhuber, R., Schmautzer, E., Fürnschuß, M., Auer, Ch.
Überprüfung der Schutzmaßnahmen zum Schutz gegen elektrischen Schlag von DC-Ladestationen für Elektrofahrzeuge
In: 11. Internationale Energiewirtschaftstagung - IEWT 2019, Freiheit, Gleichheit, Demokratie: Segen oder Chaos für die Energiemärkte?, 13.02.2019 [Paper und Vortrag]

2018
Herbst, D., Schmautzer, E., Schürhuber, R., Jauk, B., Unterweger, M., Wolf, C.
Konzept und Prototyp zur Überprüfung der Schutzmaßnahmen gegen elektrischen Schlag von DC-Ladestationen für Elektrofahrzeuge
In: 15. Symposium Energieinnovation - EnInnov2018, Neue Energie für unser bewegtes Europa, 14.02.2018 [Paper und Vortrag]

Projekt Information
image/svg+xml

 
Kontakt

DI Daniel Herbst

 


Fakten

  • Laufzeit: Juli 2018 – Dezember 2019
  • Projektleiter: Dipl.-Ing. Daniel Herbst
  • Mitarbeiter: DI Martin Fürnschuss 
  • Fördergeber:
             

 


Partner

  • KS Engenieers