Stilfrage. Hotelarchitektur in Südbayern 1870-1930

Erholungsheim Schloss Elmau

Karl Mair

Die Entstehung des modernen Tourismus im 19. Jahrhundert war die Voraussetzung für den Bau der ersten Hotels. Sie waren „Orte des Abstands“, Schwellenräume zwischen Rückzu gund Repräsentation und „Traumschlösser des Bürgertums“und hatten die verschiedensten Erwartungen der Reisenden zu erfüllen. Zu vielen Regionen haben sich inzwischen Forschungsarbeiten mit frühen Hotelbauten auseinandergesetzt. Ziel dieser Studie ist es, erstmals einen Überblick über die geschichtliche und architektonische Entwicklung des Hotelbaus im südlichen Bayern – genauer: im bayerischen Alpenvorland zwischen Bodensee und Berchtesgaden – zu geben. Zeitlich eingegrenzt wird die Untersuchung durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes um 1870 und die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre. Die Arbeit beginnt mit einer Darstellung der touristischen Erschließung Südbayerns und einem Überblick über die Entstehung der ersten Hotelbauten und Fragen zu Standort, Betrieb und Typologie. Schwerpunkt der Untersuchung ist der Versuch einer stilgeschichtlichen Differenzierung des südbayerischen Hotelbaus. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde Architektur in erster Linie als Stil definiert. Hotelsstanden als neue und besonders auf Repräsentation und visuelleWahrnehmung ausgerichtete Bauaufgabe unter dem Einfluss dieser Stilarchitektur. In diesem Zusammenhang wird untersucht, wie sich die baukünstlerische Entwicklung Bayerns auf den Hotelbau ausgewirkt hat und welche Voraussetzungen, welche Vorbilder und in welcher Intensität einzelne architektonische Strömungen den Hotelbau geprägt haben. Abschließend werden als Ergebnis der stilgeschichtlichen Differenzierung grundsätzliche architektonische Aussagen der untersuchten Gebäude und die Motivation für ihre jeweilige Gestaltung untersucht. Im Spannungsfeld zwischen Hotelier, Planer und Gast hatten die Fassaden der frühen Hotels eine Funktion als Werbeträger und Erfolgsfaktoren zu erfüllen. Im Sinne einer „ästhetischen Stimmungsarchitektur“ sollten sie in den Augen ihrer Konsumenten bestimmte, positiv besetzte Assoziationen wecken. Im südbayerischen Hotelbau manifestierte sich dies insbesondere durch die Suche nach einem „ländlichen Stil“, die Ende des 19. Jahrhunderts mit dem sogenannten Schweizerstil und Fachwerk-Rezeptionen begann und ab 1900 durch die „heimische Bauweise“im Sinne der Heimatschutzbewegung ihren Durchbruch fand. Das stete Bemühen der Hoteliers,dem Publikumsgeschmack zu entsprechen und sich dafür auch fragwürdiger Klischees zu bedienen ,bestimmte bis heute den Diskurs über Hotelarchitektur. Der enorme Veränderungsdruck auf Hotelarchitektur und die ständigen Umbauten und Erweiterungen, um den Wünschen der Gäste zu entsprechen, haben dafür gesorgt, dass in Südbayern heute nur wenige Beispiele früher Hotelarchitektur erhalten sind. Die Diplomarbeit Stilfrage. Hotelarchitektur in Südbayern 1870-1930 wurde vom Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften (Daniel Gethmann) betreut.