Fabian Muß
Betreuung:
BA MA PhD
Rose-Anne Gush
Institut für Zeitgenössische Kunst
2025
Link zur Diplomarbeit
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Architektur ist nicht nur eine gestalterische Disziplin, sondern auch ein Spiegelbild der sozialen, politischen und ökonomischen Strukturen, in denen sie entsteht. In einer zunehmend globalisierten Welt hat der Neoliberalismus als dominante Ideologie der letzten Jahrzehnte tiefgreifende Spuren in der Architektur hinterlassen. Diese Arbeit widmet sich der Frage, wie die Ideologie des Neoliberalismus die Architektur und urbanen Räume prägt und wie sich dieser Entwicklung kritisch begegnen lässt.
Drei zentrale Forschungsfragen stehen im Mittelpunkt: Welche Auswirkungen hat der Neoliberalismus auf Architektur und urbane Räume? Wie kann Architektur im Kontext des neoliberalen Zeitgeists als kritisches und widerständiges Medium gestaltet werden? Welche alternativen Ansätze existieren? Ziel der Arbeit ist es, Architektur nicht nur als ästhetische oder funktionale Disziplin zu betrachten, sondern als ein soziales und politisches Werkzeug, das reale Veränderungen bewirken kann. Im Zentrum steht die Suche nach einer Architekturpraxis, die über die Gestaltung hinaus Verantwortung übernimmt. Dafür werden zunächst die Geschichte und die zentralen Merkmale des Neoliberalismus untersucht. Der Neoliberalismus, welcher Marktlogik, individuelle Freiheit und Effizienz priorisiert, hat die Struktur urbaner Räume grundlegend verändert. Öffentliche Flächen wurden privatisiert, soziale Ungleichheiten verschärft und Architektur zunehmend zu einem Handelsobjekt degradiert. David Harvey beschreibt diesen Prozess als eine „restoration of class power“, die architektonische Gestaltung marktorientierten Zwängen unterwirft. Ein theoretischer Schlüsselbezug ist das Konzept der Postpolitik, das von Slavoj Žižek und Chantal Mouffe entwickelt wurde und durch Jacques Rancières Radikale-Demokratie-Konzept vertreten wird. Postpolitik ersetzt politische Konflikte durch technokratische Konsensbildung und entpolitisiert soziale Prozesse. Rancière sieht in der Architektur jedoch das Potenzial, als Plattform für Dissens genutzt zu werden, um bestehende Machtstrukturen zu hinterfragen und alternative Perspektiven zu eröffnen.
Um das Potenzial solch alternativer Perspektiven aufzuzeigen, stellt die Arbeit verschiedene Ansätze vor: Spekulative Designs, gemeinschaftsorientierte Stadtplanung und temporäre Nutzungen bieten Wege, soziale Gerechtigkeit und räumliche Gleichheit zu fördern. Projekte wie das Mietshäuser Syndikat, HabiTaT, und der Fotocomic „Perspektive Zwischenraum“ im Verein Cambium zeigen, wie alternative Modelle erfolgreich zu sozialem Wandel beitragen können. Abschließend plädiert die Arbeit für eine Repolitisierung der Architektur, die soziale und politische Verantwortung in den Mittelpunkt stellt. Kritische Reflexion und Dissens sind essenziell, um Architektur von bloßer Funktionalität zu einem Werkzeug für gesellschaftlichen Wandel zu entwickeln und alternative Zukünfte zu gestalten.
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