Jährlich schreibt die TU Graz „Mind the Gap“-Preise zur Förderung einer Kultur der Vielfalt und Wertschätzung aus – und jedes Jahr überrascht die Vielfalt der eingereichten Themen. In den prämierten Einreichungen geht es um die Chancen(un)gleichheit junger Frauen im Informatikstudium, um eine Lern-App, die Mädchen für das Programmieren begeistern soll ebenso wie um die Einbindung von Menschen mit unterschiedlichem Alter, Beruf und Bildungshintergrund in ein Forschungsprojekt zum Mikrobiom des Apfels. Aber auch globale Verteilungsgerechtigkeit anhand von Elektronik-Lieferketten oder die Frage, wie die Arbeitsfähigkeit älterer Arbeitskräfte in der Industrie 4.0 länger und produktiver zu erhalten ist, wurden untersucht. Insgesamt fünf „Mind the Gap“-Preise wurden 2020 vergeben. Mit dem Sonderpreis ausgezeichnet wurde eine Masterarbeit, die die verheerenden Folgen strukturell und gesetzlich verankerter Diskriminierung anhand des Erbbauernprinzips aufzeigt.
Für ihre Arbeiten mit einem „Mind the Gap“-Preis ausgezeichnet werden jährlich Teams oder Einzelpersonen in den Kategorien „Wissenschaftliche Abschlussarbeiten“, „Forschungsprojekt“, „Konferenzbeitrag, Vortrag, Publikation“ sowie „Dissertationen“. Auch Lehrinhalte oder –methoden, Weiterbildungen und nichtwissenschaftliche Projekte werden akzeptiert.
Die Jury – bestehend aus den TU Graz-Vizerektoren Horst Bischof und Stefan Vorbach, Barbara Herz, Cornelia Lex und Günter Getzinger – beurteilte, wie tiefgreifend sich die Projekte mit Gender- und Diversitätsaspekten wie Alter, Geschlecht, Herkunft oder Bildungshintergrund auseinandersetzten.
Mind the Gap – Preisträgerinnen und Preisträger 2020
Mädchen Programmieren
Im Projekt „Code’n‘Stitch“ erweiterten Mädchen im Rahmen eines zweijährigen FEMtech Projektes der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) eine Programmier-Lernapp um die Möglichkeit, eine Stickmaschine zu programmieren. Die Lernaufgabe zielt darauf ab, vermehrt Mädchen – aber auch stickbegeisterte Jungen – für Technik zu begeistern. Begleitend wurde eine werbefreie App mit offenem Zugang auf den Markt gebracht.
Forschungsprojekt „Code’n‘Stitch“
Projektteam Sarina Gursch, Vesna Krnjic und Wolfgang Slany am Institut für Softwaretechnologie
Open Science und mikrobielle Vielfalt
Im Sparkling Science Projekt „Mikrobielle Vielfalt – das Apfelmikrobiom“ untersuchten Jugendliche mit unterschiedlichen Bildungshintergründen gemeinsam mit Forschenden und Kunstschaffenden die mikrobielle Vielfalt des Apfels. Die Ergebnisse wurden publiziert, gemeinsam in Kunstprojekte übertragen und im Haus der Wissenschaften und im Botanischen Garten in Graz ausgestellt.
Forschungsprojekt „Mikrobielle Vielfalt - das Apfelmikrobiom“
Projektteam Daria Rybakova, Gabriele Berg, Birgit Wassermann und Timothy Mark am Institut für Umweltbiotechnologie
Soziale Verantwortung auf dem Prüfstand
Nicki Lisa Cole untersuchte globale Verteilungs(un)gerechtigkeit am Beispiel von Elektronik-Lieferketten. Sie erforschte, wer für wen unter welchen Umständen produziert und inwieweit beteiligte Unternehmen ihre Versprechen sozialer Verantwortung einlösen – ein brandaktuelles Thema angesichts zunehmender Digitalisierung und der dafür erzeugten elektronischen Geräte. Cole näherte sich dem Thema unter dem Blickwinkel der ethnischen Herkunft. Sie präsentierte ihre Ergebnisse in einem Konferenzbeitrag.
Konferenzbeitrag „Digitalisation and (Global) Euqity: Who Benefits, Who Loses?”
Nicki Lisa Cole am Institute for Interactive Systems and Datascience / STS Unit
Informatik studieren als Frau
Christian Schindler erhob in seiner Block-Lehrveranstaltung „Programmieren 0”, ob weibliche Studierende aufgrund ihrer schulischen Vorbildung und ihrer Selbsteinschätzung benachteiligt sind und wie sich Unterschiede auf die Noten im Rahmen des Studiums auswirken. Ausgangspunkt war die Tatsache, dass junge Frauen das Informatikstudium verglichen mit anderen Studien wie etwa Architektur immer noch sehr viel seltener wählen.
Konferenzbeitrag „Gender Gap? A Snapshot of a Bachelor Computer Science Course at TU Graz”
Christian Schindler am Institut für Softwaretechnolgie
Gesundheit von Arbeitskräften im Alter
In seiner Dissertation beschäftigte sich Matthias Wolf mit der Gestaltung körperlicher Arbeit für im Schnitt immer älter werdende Arbeitskräfte. Gerade bei körperlich anspruchsvollen Arbeiten treten Beschwerden wie Muskelskeletterkrankungen mit dem Alter bis zu zehn Mal häufiger auf. Wolf zeigt, dass die Arbeitsfähigkeit von Menschen länger und produktiver erhalten werden kann, wenn die Herausforderungen für und Ansprüche von älteren Arbeitskräften empirisch erhoben und frühzeitig berücksichtigt wird.
Dissertation (Maschinenbau) „Counteracting demographic challenges in industrial blue collar work“
Matthias Wolf am Institut für Innovation und Industrie Management
Keine Diversität im Erbbauernprinzip
Philipp Sattler zeigt in seiner Masterarbeit auf, wohin fehlende Diversität und Diskriminierung führen kann, wenn sie strukturell und rechtlich verankert sind. Dafür untersucht er das Prinzip des (Erb)Bauern und dessen rechtliche und rhetorische Konzeption. In seiner Arbeit weist er es als Grundlage der Blut-und-Boden-Ideologie und einer neuen Klasse nach. Er zeigt auf, wie es die Eigentumsverhältnisse in Österreich bis heute prägt und insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus die Errichtung von Konzentrationslagern befördert hat.
Masterarbeit „Portrait of the Bauer. On Architecture and Agronomy of Property”
Philipp Sattler am Institut für Zeitgenössische Kunst