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Technologie-Innovation für die Neurologie: Hirnsignal-Messung mittels gedruckter Tattoo-Elektroden

13.05.2020 | TU Graz news | Forschung

Von Christoph Pelzl

TU Graz-Forscher Francesco Greco entwickelte ultraleichte und auf der Haut kaum wahrnehmbare Tattoo-Elektroden, die Langzeitmessungen von Hirnaktivitäten günstiger und einfacher machen.

Die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Tattoo-Elektroden wurde unter realen klinischen Bedingungen erfolgreich getestet. © Greco – TU Graz

Weiteres Bildmaterial zum Download am Ende der Meldung

Im Jahr 2015 entwickelte Francesco Greco, Leiter des Laboratory of Applied Materials for Printed and Soft electronics (LAMPSe) am Institut für Festkörperphysik der TU Graz, gemeinsam mit italienischen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern sogenannte „Tattoo-Elektroden“. Dabei handelt es sich um leitfähige Polymere, die mit einem Tintenstrahldrucker auf handelsübliches Tattoo-Papier gedruckt und dann wie Abziehbilder auf die Haut geklebt werden, um die Herz- oder Muskelaktivität zu messen.

Diese Art von Elektrode eröffnete – ab 2018 in optimierter Form – völlig neue Wege bei elektrophysiologischen Untersuchungen wie der Elektrokardiographie (EKG) oder der Elektromyografie (EMG). Dank einer Dicke von 700 bis 800 Nanometern – das ist ca. 100-mal dünner als ein menschliches Haar – passen sich die Tattoos an Unebenheiten der Haut an und sind am Körper kaum wahrnehmbar. Außerdem handelt es sich bei den „Tätowierungen“ um Trocken-Elektroden, sie funktionieren im Gegensatz zu Gel-Elektroden ohne Flüssigkeitsschnittstelle und können nicht austrocknen. Sie eignen sich hervorragend für die Langzeitmessung. Selbst Haare, die durch das Tattoo hindurchwachsen, behindern die Signal-Aufzeichnung nicht.

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Neue Generation von Tattoo-Elektroden

Aufbauend auf dieser Pionierleistung setzte Greco gemeinsam mit Esma Ismailova (Department of Bioelectronics, École Nationale Supérieure des Mines de Saint-Étienne, Frankreich) und Laura Ferrari (The BioRobotics Institute, Scuola Superiore Sant’Anna, Italien) nun einen weiteren Meilenstein in der Messung bioelektrischer Signale: Die Gruppe hat die Tattoo-Elektroden derart modifiziert, dass diese auch in der Elektroenzephalografie (EEG) – also zur Messung der Gehirnaktivitäten – eingesetzt werden können.

Was sind Tattoo-Elektroden? Francesco Greco erklärt es in diesem Video.

Hierzu verwendeten die Forschenden den gleichen Ansatz wie 2018, also den Tintenstrahldruck von leitendem Polymer auf Tattoo-Papier. Zusammensetzung sowie Dicke des Abziehpapiers und des leitenden Polymers wurden optimiert, um eine noch bessere Verbindung zwischen Tattoo-Elektrode und Haut zu erreichen und die EEG-Signale mit maximaler Qualität aufzeichnen zu können, denn: „Hirnstromwellen befinden sich im niedrigen Frequenzbereich und EEG-Signale haben eine sehr geringe Amplitude. Sie sind viel schwieriger in einer hohen Qualität zu erfassen, als EMG- oder EKG-Signale“, erklärt Laura Ferrari, die während ihrer Doktorarbeit an diesem Projekt arbeitete und jetzt als Postdoc in Frankreich forscht.

Tests unter realen klinischen Bedingungen haben gezeigt, dass die EEG-Messung mit den optimierten Tattoos genauso gut gelingt wie mit konventionellen EEG-Elektroden. „Durch den Tintenstrahldruck und die handelsüblichen Substrate sind unsere Tattoos aber deutlich günstiger als derzeitige EEG-Elektroden und bieten im direkten Vergleich auch mehr Vorteile hinsichtlich Tragekomfort und Langzeitmessungen“, so Greco.

Allererste MEG-kompatible Trocken-Elektroden

Bei den neuartigen Tattoo-Elektroden handelt es sich um die allererste Trocken-Elektrodenart, die für Langzeit-EEG-Messungen geeignet und gleichzeitig kompatibel mit der Magnetenzephalographie (MEG) ist. MEG ist eine gut eingeführte Methode zur Überwachung der Gehirnaktivität, für die bisher ausschließlich sogenannte „nasse Elektroden“ eingesetzt werden können. Solche Elektroden funktionieren auf Basis von Elektrolyt, Gel oder einer Elektrodenpaste, trocknen somit rasch aus und sind für Langzeitmessungen ungeeignet. Die neue Generation von Tattoo-Elektroden besteht ausschließlich aus leitfähigen Polymeren, beinhaltet also keine Metalle, die für MEG-Untersuchungen problematisch sein könnten und wird ausschließlich mit Tintenstrahl gedruckt. „Mit unserer Methode stellen wir die perfekte MEG-kompatible Elektrode her und reduzieren gleichzeitig die Kosten und die Produktionszeit“, freut sich Greco. Der TU Graz-Forscher spinnt derzeit Ideen, wie diese Technologie in Kliniken, aber auch im Neuroengineering und im Bereich der Brain Computer Interfaces eingesetzt werden kann.

Details zur jüngsten Entwicklung der steirisch-italienischen-französischen Forscherallianz sind in der Zeitschrift npj Flexible Electronics nachzulesen.

Die Forschung der Arbeitsgruppe am Laboratory of Applied Materials for Printed and Soft electronics ist an der TU Graz im Field of ExpertiseAdvanced Materials Science“ verankert, einem von fünf strategischen Forschungsschwerpunkten der Universität. Die Forschenden sind Mitglieder von NAWI Graz Physics.

Am Projekt sind Forschende folgender Institute beteiligt:

Information

Zur Publikation in npj Flexible Electronics:
Conducting polymer tattoo electrodes in clinical electro- and magneto-encephalography
Laura M. Ferrari, Usein Ismailov, Jean-Michel Badier, Francesco Greco & Esma Ismailova
npj Flex Electron 4, 4 (2020).
DOI: 10.1038/s41528-020-0067-z
https://www.nature.com/articles/s41528-020-0067-z

Kontakt

Francesco GRECO
Dr.
TU Graz | Institut für Festkörperphysik
Petersgasse 16/I, 8010 Graz
Tel.: +43 316 873 8471
E-Mail: francesco.greconoSpam@tugraz.at

Um die Hirnaktivitäten zu messen, brauchen die hauchdünnen Tattoo-Elektroden lediglich auf den Kopf geklebt zu werden – genauso wie die vor allem bei Kindern beliebten Abziehtattoos. © Greco – TU Graz
Die Elektrode funktioniert selbst dann noch, wenn Haare durch das Tattoo wachsen und dabei kleine Risse verursachen. © Greco – TU Graz
Francesco Greco und sein Team am Institut für Festkörperphysik der TU Graz entwickeln Elektroden in Form von temporären Tattoos für das Langzeitmonitoring bioelektrischer Signale. © Lunghammer – TU Graz