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PLATYPUS: Neue Schwachstellen in Intel-Prozessoren entdeckt

10.11.2020 | TU Graz news | Forschung

Von Christoph Pelzl

Unter Leitung der TU Graz präsentiert ein internationales Team von Sicherheitsforschern neue Seitenkanalangriffe, die über softwarebasierte Strommessungen in noch nie dagewesener Genauigkeit den Zugriff auf sensitive Daten ermöglichen.

Präsentieren gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen neue Angriffsmethoden, mit denen geheime Daten auch ohne phyischen Zugriff auf einen Rechner gestohlen werden können: CISPA-Forscher Michael Schwarz und die beiden TU Graz-Informatiker Daniel Gruss und Moritz Lipp (v.l.n.r.). © 2018 Lunghammer – TU Graz

Power side-channel attacks sind Angriffe, die Schwankungen im Stromverbrauch ausnutzen, um sensitive Daten wie z. B. kryptografische Schlüssel zu extrahieren. Da Strommessungen mit einer Malware bisher zu ungenau und zu schlecht aufgelöst waren, erforderten solche Attacken den physischen Zugriff auf das jeweilige Zielgerät sowie spezielle Messgeräte wie ein Oszilloskop.

Forschende am Institut für Angewandte Informationsverarbeitung und Kommunikationstechnologie der TU Graz beschäftigen sich schon seit knapp 20 Jahren intensiv mit strombasierten Seitenkanälen. 2017 begannen sie damit, softwarebasierte Stromangriffe zu untersuchen. Gemeinsam mit Kollegen von der University of Birmingham und des Helmholtz-Zentrums für Informationssicherheit (CISPA) ist ihnen der finale Schritt gelungen. Unter https://platypusattack.com präsentieren sie mit PLATYPUS eine Methode, die power side-channel attacks auch ohne physischen Zugriff erlaubt. Betroffen sind Desktop-PCs, Laptops und Cloud-Computing-Server von Intel und AMD.  

RAPL-Interface und SGX-Enklaven als Schlüssel

Zum einen bedienen sich die Forschenden des RAPL (Running Average Power Limit)-Interface, das in Intel- und AMD-CPUs verbaut ist. Dieses Interface überwacht den Energieverbrauch in den Geräten und sorgt dafür, dass diese nicht überhitzen oder zu viel Strom verbrauchen. RAPL wurde so konfiguriert, dass der Stromverbrauch auch ohne Administrations-Rechte mitprotokolliert werden kann. Das bedeutet, dass die Messwerte ohne jegliche Berechtigungen ausgelesen werden können.
Zum anderen missbraucht die Gruppe Intels Sicherheitsfunktion Software Guard Extensions (SGX). Diese Software verlagert Daten und kritische Programme in eine isolierte Umgebung (sogenannte Enklaven), wo sie auch dann sicher sind und ausgeführt werden können, wenn das Betriebssystem bereits kompromittiert ist.

Kombination führt zu (un)erwünschtem Ergebnis

Die Forschenden führten diese beiden Techniken in ihren Angriffsmethoden zusammen: Mithilfe eines kompromittierten Betriebssystems, das auf Intel SGX abzielt, brachten sie den Prozessor dazu, innerhalb einer SGX-Enklave gewisse Befehle zigtausendfach auszuführen. Über das RAPL-Interface wurde der Stromverbrauch jedes einzelnen dieser Befehle gemessen. Die Schwankungen der Messwerte lieferten schließlich Rückschlüsse auf Daten und den kryptografischen Schlüssel.

In weiteren Szenarien zeigen die Forscher darüber hinaus, dass auch Angreifende ohne Administrations-Rechte das Betriebssystem attackieren und von dort geheime Daten stehlen können.

Neue Sicherheitsupdates beheben die Gefahr

Bereits im November 2019 hat die TU Graz-Gruppe rund um Moritz Lipp, Andreas Kogler, Catherine Easdon, Claudio Canella und Daniel Gruss gemeinsam mit ihrem Ex-Kollegen Michael Schwarz (forscht seit Sommer 2020 am CISPA in Saarbrücken) und mit David Oswald von der University of Birmingham Intel und AMD über ihre Entdeckungen informiert. Die beiden Unternehmen haben jetzt Lösungen erarbeitet, die von den Nutzerinnen und Nutzern unbedingt eingespielt werden sollen. Ein Sicherheitsupdate erlaubt den Zugriff auf den RAPL-Messzähler nur noch mit Administratoren-Rechten. Und weitere Updates für die betroffenen Prozessoren selbst sorgen dafür, dass der Stromverbrauch so zurückgegeben wird, dass die feinen Unterschiede in den Befehlen nicht mehr erkennbar sind.     

Diese Forschung ist im „Field of ExpertiseInformation, Communication & Computing verankert, einem von fünf Stärkefeldern der TU Graz.

Die in diesem Beitrag vorgestellte Forschung wurde vom Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Projekts SOPHIA (Securing Software against Physical Attacks) sowie von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) über das K-Projekt DeSSnet und das Projekt ESPRESSO finanziert. Zusätzliche Mittel stammen aus dem Horizon2020-Projekt FutureTPM, vom Forschungsrat für Ingenieur- und Physikwissenschaften (EPSRC) sowie aus Spenden von Intel, ARM, Amazon und Red Hat.

Information

Weitere Sicherheitslücken, die unter Beteiligung der TU Graz-Sicherheitsforscher entdeckt wurden (Auszug):