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Junge Haut dank Zucker

06.05.2019 | Planet research | FoE Human & Biotechnology

Von Werner Schandor

Seit die EU-Zuckermarktordnung gefallen ist, ist der Weltmarktpreis niedrig und die Zuckerlager voll. Ein internationales Team erforscht, wie Saccharose biotechnologisch neu verwendet werden könnte.

Das CARBAFIN-Leitungsteam: Christiane Luley, Bernd Nidetzky und Barbara Petschacher.

Auf bis zu 300.000 Tonnen wird der Überschuss an Zucker geschätzt, der sich Jahr für Jahr in Europa auftürmen wird. Die Chance für die Zuckerbauern: Aus Saccharose lässt sich nicht nur Süßes machen, sondern man kann mit biochemischen Methoden aus den Zuckerbestandteilen Glukose und Fruktose auch verschiedenste Komponenten für Kosmetika, Reinigungsmittel und Bioplastik erzeugen.

„Es geht beim Projekt CARBAFIN darum, vorhandene biotechnologische Kenntnisse und Methoden auf einen industriellen Maßstab zu skalieren und zu prüfen, ob sich die Prozesse wirtschaftlich rentieren“, sagt Christiane Luley. Die Biochemikerin ist Expertin für Enzymtechnologie und Projektmanagerin von CARBAFIN. Geleitet wird das EU-Projekt von TU Graz-Professor Bernd Nidetzky, dem wissenschaftlichen Leiter des K2-Kompetenzzentrums acib in Graz. Mit an Bord sind Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus Deutschland, der Schweiz, Belgien und den Niederlanden – und auch mehrere Forschungsgruppen der TU Graz, deren Projektaktivitäten von Barbara Petschacher vom Institut für Biotechnologie und Bioprozesstechnik koordiniert werden.

eine Hand schöpft mit einem durchsichtigen Rohr, an dessen Ende ein durchsichtiges Dreieck ist, eine Flüssigkeit aus einem Glasbehälter

Versuche im Labor des Instituts für Biotechnologie und Bioprozesstechnik.

Glukosylierung als Basis

Das CARBAFIN-Projektteam wird bis Ende 2021 eine Plattformtechnologie entwickeln, mit der Glukose und Fruktose im Industriemaßstab innovativ verwertet werden kann. Die Basis dafür ist der biokatalytische Prozess der Glukosylierung: Mithilfe von Enzymen, die von der Universität Gent verbessert werden, kann Glukose mit anderen Molekülen verbunden werden. Die entstehenden Glykoside können vielseitig eingesetzt werden: je nach beteiligter Stoffgruppe als funktionelle Zusätze in Kosmetika oder als Faser- beziehungsweise Ballaststoffe in Nahrungs- und Tierfuttermitteln, langfristig auch als oberflächenaktive Substanzen in Reinigungsmitteln. Der deutsche CARBAFIN-Partner bitop mit Sitz in Dortmund hat das Potenzial von Glukosylierung im Hinblick auf Kosmetika erkannt. Bitop hat auf Glyzerinbasis einen glykosidischen Naturstoff nachgebaut, der imstande ist, die Zellalterung der Haut zu bremsen (Glycoin natural®).

Fruktose, die bei der von Saccharose ausgehenden Glucosylierung als Nebenprodukt anfällt, ist ein alternatives Süßungsmittel in Lebensmitteln. Fruktose wird aber auch zunehmend für industrielle, nicht-lebensmittelbezogene Bereiche interessant. Denn aus diesem zweiten Zuckerbestandteil lässt sich Hydroxymethylfurfural gewinnen, das in Harzen, Farben, Klebstoffen, Biokraftstoffen und Biopolymerprodukten – also Bioplastik – zum Einsatz kommt. Hier ist mit dem Schweizer Unternehmen AVA Biochem ein Unternehmen an Bord, das in Sachen HMF-Produktion Weltmarktführer ist.

Hoher Technologiereifegrad

„CARBAFIN hat einen hohen Technology-Readyness-Level und es wird im Zuge des Projekts zu einer Anwendungsdemonstration bei den beteiligten Firmen kommen. Akademisch betrachtet steigen wir mit großem Vorwissen ein, was die Biokatalyse betrifft, und konzentrieren uns mehr auf die wirtschaftlich sinnvolle Umsetzung der Reaktions- und Prozessführung“, sagt Barbara Petschacher. Dabei spielt die Arbeitsgruppe von Alexander Passer vom TU Graz-Institut für Materialprüfungen und Baustofftechnologie mit angeschlossener TVFA für Festigkeits- und Materialprüfung eine wichtige Rolle, denn diese evaluiert die technischen Strategien der Glukosylierung. „Einem neuen Ansatz folgend, beziehen wir die Lebenszyklus- und Kostenanalyse schon früh in die Entwicklung ein“, führt Petschacher aus. „Dabei geht es um die Optimierung der künftigen Verfahren sowohl in ökologischer als auch in ökonomischer Hinsicht.“ Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Prozessentwicklung ist die Einhaltung von EU-Richtlinien, speziell für Produkte im Lebensmittelbereich, die vom Projektpartner GALAB kontrolliert wird.

Eine Frau mit blonden Haaren, einer Schutzbrille und einem weißen Labormantel steht in einem Labor. Sie bedient ein Laborgerät, dass wie ein silberner Topf aussieht.

Ziel des Projekts CARBAFIN ist es, eine Plattformtechnologie zu entwickeln, mit der Glukose und Fruktose im Industriemaßstab innovativ verwertet werden kann.

Das CARBAFIN-Pflichtenheft umfasst einundzwanzig Meilensteine, aufgeteilt in zahlreiche Arbeitspakete. Die ersten Maßnahmen nach dem Projektstart im Jänner 2018 waren von der Europäischen Kommission vorgegeben: Wie bei allen Projekten, die im Rahmen von Horizon 2020 gefördert werden, galt es, eine Plattform für den offenen Zugang zu den Forschungsdaten zu schaffen. Demnächst folgt ein Plan für die Verbreitung und Verwertung von Projektergebnissen. „Wir wollen eine Glukosylierungsplattform einrichten“, sagt Christiane Luley. „Was wir im Rahmen von CARBAFIN an Techniken entwickeln, wird später für viele verschiedene Anwendungen zur Verfügung stehen. Bei der Verwertung der Technologie werden wir von PNO Consultants unterstützt.“

Intensive Zusammenarbeit

„Das Projekt erlangt durch die internationale Kooperation von Forschungspartnerinnen und Forschungspartnern und Unternehmen eine europäische Tragweite“, sagt Barbara Petschacher. „Und es ist natürlich eine ganz andere Sichtweise, ob man einen Prozess im Tonnenmaßstab oder im Milligrammbereich im Auge hat. Damit die Entwicklung in die richtige Richtung geht, ist es wichtig, einen guten Austausch zu pflegen.“

Zwei Mal im Jahr treffen sich die fast 30 am Projekt involvierten Personen an einem der Partnerstandorte. Das erste Projekttreffen fand im Juni 2018 in Graz statt. Im November 2018 steht ein Treffen in der Nähe von Köln beim Projektpartner Pfeifer & Langen, dem drittgrößten deutschen Zuckerhersteller, auf dem Programm. Und im November 2019 wird man auf dem European Summit of Industrial Biotechnology in Graz ein sehr großes Fachpublikum bereits über die Ergebnisse der ersten Projektperiode informieren können.

Eine große Gruppe von Personen

Das CARBAFIN-Projektteam in Graz. Mit den internationalen Kooperationspartnerinnen und -partnern trifft man sich regelmäßig.

Dieses Forschungsgebiet ist im Field of Expertise „Human & Biotechnology“ verankert, einem der fünf Stärkefelder der TU Graz.
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Kontakt

Barbara PETSCHACHER
Dipl.-Ing. Dr.techn.
Institut für Biotechnologie und Bioprozesstechnik
Petersgasse 10-12/I
8010 Graz
Tel.: +43 316 873 8412
barbara.petschachernoSpam@tugraz.at