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Zwischen Elektrotechnik, Ballett und der Energieversorgung der Zukunft

07.03.2023 | TU Graz news | Studium | Face to face

Von Susanne Filzwieser

Sie hat in Chinesisch maturiert, ist staatlich geprüfte Ballerina und preisgekrönte Doktorandin an der TU Graz: Carina Lehmal über ihr Faible für Elektrotechnik und wie sie am Ausbau erneuerbarer Energien mitarbeitet.

Die tanzende Elektrotechnikerin Carina Lehmal erforscht die Stabilität des Stromnetzes. Bildquelle: Lunghammer - TU Graz

Ihre grazilen Handbewegungen verraten langjährige Balletterfahrung und bilden einen starken Kontrast zu den vielen Geräten mit der Aufschrift „Achtung Hochspannung“ im Labor des Instituts für Elektrische Anlagen und Netze der TU Graz. Carina Lehmal forscht dort im Rahmen ihrer Dissertation an der Stabilität sogenannter Umrichter, die erneuerbare Energiequellen wie Windräder oder Photovoltaikanlagen mit dem Stromnetz verbinden. Für ihre Arbeit wurde sie 2022 mit dem 1. Platz des Frauen-Förderpreises für Digitalisierung und Innovation von ORF und Infineon ausgezeichnet. Was ihr Interesse für Elektrotechnik entfacht hat, für wen Elektrotechnik das richtige Studium ist und welche entscheidenden Weisheiten ihr ihre Mutter auf den Weg gegeben hat, erzählt die tanzende Technikerin im Interview.

News+Stories: Was waren deine ersten Erfahrungen mit Elektrotechnik?

Carina Lehmal: Mit ungefähr 12 oder 13 Jahren habe ich einen Experimentierkoffer geschenkt bekommen. Darin war auch eine Solarzelle, die eine LED Lampe einschalten konnte. Das hat mich ungemein interessiert – mit der Sonne Licht einzuschalten! Also habe ich mich für den Elektrotechnikzweig der HTL Bulme in Graz entschieden.

Du hast schon ab 15 Jahren Erfahrungen an E-Technik-Instituten der TU Graz gesammelt. Wie kam das?

Carina Lehmal: An der Bulme waren Praktika Pflicht. Von Unternehmen gab es Absagen. Die TU Graz hat mich aber auch als Elektrotechnik-Anfängerin aufgenommen. Lothar Fickert, damals Leiter des heutigen Instituts für Elektrische Anlagen und Netze, hat mich direkt in Forschungsprojekte integriert und mich nachdrücklich eingeladen, an der TU Graz zu studieren (lacht). Und weil ich auch Chinesisch spreche, konnte ich danach auch ein Praktikum bei einer Firma in China machen.

Moment. Du sprichst Chinesisch?

Carina Lehmal: Ja. Mein bester Schulfreund ist Chinese und ich dachte mir, das wäre in der Klasse eine super Geheimsprache nur für uns beide. Also habe ich mit Chinesisch-Kursen am Konfuzius-Institut der Uni Graz begonnen und schließlich mündlich in Chinesisch maturiert.

Wie ging deine Reise an der TU Graz dann weiter?

Carina Lehmal: Nachdem ich schon vier Praktika während der Schulzeit gemacht habe, war für mich klar, ich werde Elektrotechnik studieren. Das hat ganz gut geklappt, ich war in Bachelor und Master insgesamt nur drei Monate über der Mindestzeit. Ein Ansporn für mich war eine Erfahrung noch während der Schulzeit bei einer Kabelfirma in Polen. Da musste ich am Fließband monotone Bewegungen machen, das war unfassbar anstrengend und ich habe mir damals geschworen, so gut zu sein, dass mir so ein Knochenjob erspart bleibt.

Man sieht es an deinen Bewegungen deutlich: Du bist auch Tänzerin. Wie passt das zusammen?

Carina Lehmal: Ich habe mit vier Jahren angefangen, Ballett zu tanzen, eigentlich als eine Art Therapie, weil ich ständig über meine eigenen Füße gestolpert bin. Ich war dann in der Opernballettschule und habe die Ballettgrundausbildung inklusive abgelegter Prüfung an der Staatsoper Wien. Ich darf also auf jeder Bühne tanzen und habe mir damit auch zum Teil mein Studium finanziert. Meine Mama hat mir aber früh gesagt „Es ist einfacher, mit deinem Kopf Geld zu verdienen als mit deinen Sehnen“.

Also bist du mehr Technikerin als Tänzerin?

Carina Lehmal: Ich bin Technikerin UND Tänzern, aber Ballett war immer ‚nur‘ mein Hobby. Das hatte den Vorteil, dass ich es völlig ohne Druck machen konnte. Und ich habe vom Tanzen auch viel für mein Studium mitgenommen. Disziplin zum Beispiel, aber auch einen Ausgleich, weil man sich voll auf jede Bewegung konzentrieren muss und andere Themen im Kopf mal Pause haben. Mein Zeitmanagement hat sich sehr gut entwickelt, mit Lehrveranstaltungen, Opernaufführungen und 16 Wochenstunden als Studienassistentin war die Woche immer sehr voll! (lacht)

Ich bin Technikerin UND Tänzern, aber Ballett war immer ‚nur‘ mein Hobby. Das hatte den Vorteil, dass ich es völlig ohne Druck machen konnte. Und ich habe vom Tanzen auch viel für mein Studium mitgenommen.

Kommen wir wieder zurück zur Elektrotechnik. Was muss ich für dieses Studium mitbringen?

Carina Lehmal: Also zunächst darf ich aus eigener Erfahrung sagen: Man muss für dieses Studium kein Mathe-Genie sein. Ich bin nämlich keines, aber dank Lerngruppen und großem gegenseitigem Support unter den Studierenden bin ich trotzdem sehr gut durchgekommen.

Und wem würdest du ein Elektrotechnik-Studium empfehlen?

Carina Lehmal: Wer sich Fragen stellt wie „Warum haben wir Strom? Wie können wir Strom produzieren? Wie funktionieren Kraftwerke? Wie entsteht der Strompreis? Wie kann ich an Lösungen für einen klimafreundlichen Energiesektor mitarbeiten?“, der ist im Elektrotechnik-Studium genau richtig. Es ist wahnsinnig vielseitig. Und der Bonus: Die nächsten Jahrzehnte werden gut ausgebildete Energietechnikerinnen und -techniker sicher keine Jobsorgen haben. Ach was, Jahrhunderte!

Die nächsten Jahrzehnte werden gut ausgebildete Energietechnikerinnen und -techniker sicher keine Jobsorgen haben.

Was ist eigentlich dein Spezialthema, woran forschst du?

Carina Lehmal: Mit einem vollständigen Umstieg auf Erneuerbare Energie aus Wind und Sonne etwa hätten wir momentan noch massive Schwierigkeiten, unser Stromnetz stabil zu halten. Das Stromnetz ist auf einige wenige Quellen, nämlich große Kraftwerke ausgerichtet, und nicht auf zigtausende einzelne Zulieferer, die noch dazu je nach Wind- und Wetterlage sehr unterschiedlich viel Strom liefern. Gleichzeitig sind wir Strom und warmes Wasser rund um die Uhr gewohnt, keiner will laufend Stromausfälle oder gar Blackouts. Und da kommt unter anderem meine Arbeit ins Spiel: Durch die Energiewende kommen nämlich immer mehr Umrichter ans Netz, als Kopplung zwischen erneuerbarem Erzeuger und Stromnetz. Ich beschäftige mich mit der Stabilität dieser Umrichter und wie diese sich im Fehlerfall verhalten müssen, um den Standards des Netzes zu genügen.

Danke. Hast du noch einen guten Rat für Schülerinnen und Schüler?

Carina Lehmal: Erstens: Es ist keine Hexerei. Es interessiert mich und ich habe halt gelernt. Und zweitens, das hat mir ebenfalls meine Mama gesagt: Du kannst alles sein, was du möchtest. Was dich interessiert, kannst du auch machen. Also wenn du merkst, irgendetwas an Strom und Energie reizt dich: Warum denn nicht Elektrotechnik studieren?

Wenn du merkst, irgendetwas an Strom und Energie reizt dich: Warum denn nicht Elektrotechnik studieren?

Information

Bachelorstudium Elektrotechnik
Masterstudium Elektrotechnik mit den Vertiefungsfächern:

  • Automatisierungstechnik und Mechatronik
  • Energietechnik (Carina Lehmal’s Wahl)
  • Informations- und Kommunikationstechnik
  • Mikroelektronik und Schaltungstechnik

Der kostenlose Online-Kurs ElectrONiX - Amplifiers auf der Bildungsplattform iMooX setzt zwar ein paar grundlegende Elektrotechnik-Kennnisse voraus, bietet aber dennoch einen niederschwelligen Einstieg in die Grundlagen der Elektrotechnik.

Kontakt

Carina LEHMAL
Dipl.-Ing.
TU Graz | Institut für Elektrische Anlagen und Netze
Tel.: +43 316 873 8056
carina.lehmalnoSpam@tugraz.at