Hybride Energiesysteme

Der steigende Anteil dezentraler Energieerzeugungs- sowie Speicheranlagen in den Verteilnetzen, der Integration von Elektrofahrzeugen, der Kopplung von elektrischen und thermischen Systemen, sowie die steigende und einfache Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) führt zu starken Veränderungen in den Verteilnetzen und in Anlagen wie Einfamilienhäusern, Gewerbe und der Industrie. Vormals reine Energie- und Leistungskonsumenten werden nun zu sogenannten Prosumern (Producer und
Consumer) welche zu bestimmten Zeiten z.B. elektrische Energie in das Netz rückspeisen [1]. 
 
Abbildung 1: Erzeugung/Verbrauch eines Prosumers

Hybride Energiesysteme sind Systeme, die sektorenübergreifend Energieträger und -bereitstellungsanlagen sowie Energieverteilung und -speicherung in einem Kompaktsystem, miteinander kombinieren. Ziel ist es fossile Energieträger durch überwiegend erneuerbar erzeugtem Strom oder anderer erneuerbarer Energieträger sowie nachhaltiger Energienutzungsformen zu substituieren. Basis einer optimalen und energieeffizienten Systemauslegung und -nutzung ist die Kenntnis des Zusammenwirkens der Systemkomponenten und ihrer Interdependenzen [1].


Abbildung 2: Sektoren

Die Verwendung neuer Zählerfunktionen und -dienste (Smart Metering) ermöglicht marktabhängige dynamische oder spezielle verbraucher- und prosumerorientierte Tarife. Im einfachsten Fall kann der Verbraucher dazu motiviert werden, seine Effizienz zu steigern oder sein Verbraucherverhalten durch den erhöhten Informationsgewinn zu ändern, z.B. unter Berücksichtigung der aktuellen Tarifsituation, des Eigenverbrauchs oder der damit verbundenen Kosten. Durch die optimierte Nutzung der dezentralen Erzeugungsanlagen (z.B. Photovoltaik und Solarthermie) sowie der Energiespeicher kann der Verbraucher oder Prosumer gegebenenfalls auf dynamische Tarife reagieren und z.B. seinen wirtschaftlich oder ökologisch optimalen Vorteil erzielen [1].

Am Institut für Elektrische Anlagen und Netze wurden Simulationsmodelle entwickelt, welche hybride Energiesysteme abbilden, simulieren und analysieren können.

Diese Simulationsmodelle werden unter Berücksichtigung der Verkopplung der thermischen und elektrischen Systeme verwendet, um die optimale Nutzung dezentraler Energieerzeugungs- und Speichersysteme optimierender Prosumer zu ermitteln. Unter Anwendung von Optimierungsalgorithmen werden die seitens der Prosumer geforderten ökonomischen oder ökologischen Optimierungsziele unter Berücksichtigung unterschiedlicher gewünschter Energieservices (Wärme, Kälte, elektrische Energiedienstleistungen), äußeren Randbedingungen (z.B. Bausubstanz, Wetter) sowie ausgewählter energie- und leistungsbasierten Tarifen analysiert [1]. Beispiele für solche Optimierungsziele sind nachfolgend aufgelistet.

  • Optimale Nutzung der erzeugten erneuerbaren Energie für elektrischen Strom und Wärme
  • Optimaler Autonomiegrad/Eigenbedarfsdeckungsgrad
  • Berücksichtigung der Leitungskapazitäten der thermischen und elektrischen Netzanbindung
  • Kosten im Betrieb der thermischen und elektrischen Netzanbindung
  • Investitions- und Betriebskosten der Systemkomponenten
  • Zeitlich gestaffelte variable Ein- und Verkaufspreise für thermische und elektrische Energie
  • Minimierung der Treibhausgas-Emissionen

Forschungsprojekt: REsys – Regelungsstrategien zur Effizienzsteigerung komplexer hybrider Energiesysteme
Das vom Klima- und Energiefonds geförderten Forschungsprojekt REsys befasste sich mit der Analyse, Modellbildung und Simulation von hybriden Energiesystemen am Beispiel eines Industriebetriebes zur Entwicklung neuer Regelungsstrategien um die Energieeffizienz solcher komplexen Systeme zu steigern.


Abbildung 3: Schematische Darstellung des untersuchten hybriden Energiesystems
 

Die Ziele des Projektes REsys waren:

  1. Steigerung der Energieeffizienz von zukünftigen und bestehenden komplexen hybriden Energiesystemen.
  2. Generierung detaillierten Wissens zu den Interdependenzen und Wechselwirkungen zwischen den Komponenten derartiger Systeme.
  3. Erschließung innovativer Methoden zur Auswertung der großen Datenmengen, die durch die Messsensorik generiert werden.
  4. Entwicklung systemorientierter Simulationsmodelle mit offenen Systemgrenzen, die mit Mess- sowie statistischen Daten validiert werden können.

Es wurden sowohl experimentelle als auch virtuelle Arbeitstechniken eingesetzt. Zum Einen, durch die Anwendung von innovativen Messtechnologien um die realen Abläufe in Daten transformieren sowie in Datenbanken abbilden zu können und zum Zweiten durch die Schaffung eines digitalen Zwillings in Form gekoppelter Simulationsmodelle um die Energieströme (elektrisch & thermisch) mathematisch abzubilden.

Der Industriebetrieb wurde vorab energetisch und prozessorientiert analysiert. Alle ausgewählten Anlagenkomponenten, das gesamte Wärmebereitstellungssystem sowie das elektrische Energiesystem wurden modelliert und auf Basis von Messdaten validiert. Darauf aufbauend erfolgte eine Sensitivitätsanalyse hinsichtlich Systemdimensionierung und Regelungsverhalten durch Variantenberechnungen. Die thermische Simulation des hybriden Energiesystems erfolgt anhand eines thermischen Gebäude- und Anlagenmodells. Das elektrische System wird gemeinsam mit einem übergeordneten Energiemanagementsystem modelliert. Eine Schnittstelle zur Co-Simulation zwischen den thermischen und elektrischen Simulationsmodellen wurde implementiert.

Mit REsys schaffte das Konsortium die Erschließung eines systematischen Einblickes in die Vorgänge von Energieströmen in einem komplexen, hybriden Energiesystem. Es wurde sowohl die physikalische Messdatenerfassung, die Messdatenanalyse, als auch, mit der begleitenden Simulation des gesamten Systems, die Möglichkeit der Szenarien-Regelung geschaffen. Diese erarbeiteten Grundlagen sollen eine Basis für zukünftige hybride Energiesysteme dienen.

Dieses Projekt wurde aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen des Energieforschungsprogramms 2015 durchgeführt.

Literatur
[1]        M. A. Lagler, „Dissertation: Influence of Optimizing Prosumers on Distribution Networks,“ Institut für Elektrische Anlagen und Netze der TU Graz, Graz, Österreich, 2020.

Publikationen
2020: Lagler, M. A., Schürhuber, R., Heimrath, R., Mach, T., Müller, M. J.
Interaction of hybrid energy systems with the power grid on the example of an industrial company
In: CIRED Workshop, Berlin, Deutschland, 2020, [Konferenz]

2020: Lagler, M. A., Schürhuber, R., Schmautzer, E., Heimrath, R., Mach, T., Müller, M. J.
Effizienzsteigerung in komplexen hybriden Energiesystemen am Beispiel eines Industriebetriebes
In: 16. Symposium Energieinnovation, Graz, Österreich, 2020, [Konferenz]

2019: Lagler, M. A., Schürhuber, R., Schmautzer, E.,
Influence of Optimizing Prosumers on Urban Distribution Networks
In: ETG-Kongress 2019, Esslingen am Neckar, Deutschland, 2019, [Konferenz]

2019: Lagler, M. A., Schmautzer, E., Schürhuber, R.,
Ökonomische und ökologische Optimierung eines hybriden Energiesystems am Beispiel eines Einfamilienhauses
In: 11. Internationale Energiewirtschaftstagung, Wien, Österreich, 2019, [Konferenz]

2018: Lagler, M. A., Schmautzer, E., Schürhuber, R.,
Sensitivities in Hybrid Energy Systems
In: 8th Solar Integration Workshop, Stockholm, Schweden, 2018, [Konferenz]

2018: Lagler, M. A., Schmautzer, E., Schürhuber, R., Lerch, W., Heimrath, R., Mach, T.,
Creation of a Hybrid Simulation Model
In: International Sustainable Energy Conference – ISEC 2018, Graz, Österreich, 2018, [Konferenz]

2017: Lagler, M. A., Schmautzer, E., Grobbauer, M., Gratzer, J., Michtner, G. M.,
Modellierung eines industriellen hybriden Energiesystems unter Einbeziehung dezentraler Energieerzeugung und -speicherung
In: 10. Internationale Energiewirtschaftstagung, Wien, Österreich, 2017, [Konferenz]

2016: Lagler, M. A., Schmautzer, E., Forsthofer, S.,
Modellierung eines hybriden Energiesystems unter Berücksichtigung dezentraler Energieerzeugung und -speicherung am Beispiel eines Einfamilienhauses mit Anbindung an das öffentliche Elektrizitätsnetz
In: Forum Econogy 2016, Linz, Österreich, 2016, [Konferenz]

Projekt Information
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Kontakt

Dipl.-Ing. Mike Alexander Lagler

Fakten

  • Laufzeit: Oktober 2015 – Juni 2019
  • Projektleiter:
    Dipl.-Ing. Mike Alexander Lagler
  • Mitarbeiter: Dr. Ernst Schmautzer

Partner

  • AEE Intec
  • Energie Steiermark
  • Institut für Wärmetechnik - TU Graz
  • Know Center
  • SFL Engineering GmbH
  • Siemens AG