Pirgos Peiraia. Die Reparatur von Stadt und die Wiederherstellung von Urbanität mittels der räumlichen und ikonischen Aktivierung einer vertikalen Brache

Martin Grabner

Inmitten des hektischen – fast chaotischen – heterogenen Raumes im Hafen der griechischen Stadt Piräus ruht ein schlafender Riese: der Pirgos Peiraia (Piraeus Tower). Mit seinen 85 Metern Höhe ragt das Hochhaus aus der nicht einmal halb so hohen Stadt als Fremdkörper heraus. Es ist leer; seit seiner Errichtung in den 1970er Jahren ungenutzt und in der Wahrnehmung der Stadt nur als Bild existent. Eine vertikale Brache, genutzt nur als Träger großformatiger Werbebotschaften. Die vorliegende Arbeit nimmt diese konkrete Situation zum Anlass, sich mit der Beziehung zwischen Hochhaus und Stadt auseinanderzusetzen, mit den meist ungenutzten Möglichkeiten dessen Integration in sein Umfeld und dessen Potenzial, einen beträchtlichen Mehrwert für die Stadt zu generieren. Der Pirgos Peiraia wird als ein Werkzeug verstanden, als ein Instrument der Stadtentwicklung und des Urbanismus, oder, allgemeiner gesprochen, das Hochhaus als ein urbanes Projekt. Die acht Essays des ersten, theoretischen Teils der Arbeit und der vorangestellte fotografische Essay „Vollkommene Unvollkommenheit“ sind als eine Auseinandersetzung mit der Stadt Athen und ihrer Architektur, mit dem Hochhaus, mit Bild und Raum zu verstehen, die weit über eine pragmatische, allein den Entwurf vorbereitende Analyse hinausgeht, auch für sich allein stehen könnte. Es wird der unbestimmte und widersprüchliche Charakter des kontemporären Athens (und der mit ihr verschmolzenen Schwesterstadt Piräus) beleuchtet, die Versuche die Stadt zu planen und deren Scheitern, die Typologie der Polykatoikia als das allgegenwärtige generische Grundmodul der griechischen Stadt und die maßlose Ausbreitung Athens als scheinbar homogener Betonteppich. Außerdem wird das Hochhaus in dem ihm immanenten Spannungsfeld zwischen konstruktiv-strukturellem Bauen und der Schaffung von Symbolen und Ikonen betrachtet und anschließend die Rolle von Architektur als Bild (oder Zeichen) und als Träger von Bildern (oder Zeichen) in der Stadt thematisiert. Im zweiten Teil wird das Erarbeitete zu einem, sehr konkret auf den Kontext des Ortes – seine Struktur, Funktion und Bedeutung – eingehenden Entwurf verdichtet, die architektonische und gesellschaftliche Haltung formalisiert. Raum und Bild, Interaktion und Ikonizität, nah und fern werden als die horizontale und die vertikale Dimension eines Hochhauses im Kontext identifiziert, die ein dialektisches Paar konstituieren. Dem Turm wird sein horizontales Gegenstück hinzugefügt, der neu (und wieder) geschaffene Raum löst das ein, was das dominant aufragende Zeichen des Pirgos Peiraia seit vier Jahrzehnten verspricht: ein Zentrum urbanen Lebens. Die einem hohen Gebäude immanente ikonische Wirkung wird als White Void konkretisiert, als Gegenmodell zur White Noise der urbanen Bilderflut. Eine einfache Form, die die in sich aufgenommene Komplexität nicht gleich wieder gestalterisch darstellen will (Ullrich Schwarz), eine Architektur, die ihre Poesie nicht aus einer autonomen Ästhetik, sondern aus dem Vertrauen in den Ort selbst und dessen Inszenierung gewinnt (Roger Diener). Es wird ein Zeichen gegen die (selbstbezogenen) Zeichen gesetzt, kein architektonisches Spektakel inszeniert, sondern eine Architektur entwickelt, die als städtische Bühne für das gesellschaftliche Spektakel dienen kann.   

Die Diplomarbeit Pirgos Peiraia. Die Reparatur von Stadt und die Wiederherstellung von Urbanität mittels der räumlichen und ikonischen Aktivierung einer vertikalen Brache wurde vom Institut für Städtebau (Jean Marie Corneille Meuwissen) betreut.