Eva Sollgruber (2020): Die Idee der Großform. Eine neue Sicht auf das Werk des Architekten Oswald Mathias Ungers und die Frage nach einem möglichen Entwurfswerkzeug, 1. Gutachter: Hans Gangoly, 2. Gutachterin: Sonja Hnilica; 304 Seiten, Deutsch

Oswald Mathias Ungers war einer der bedeutendsten deutschen Architekturschaffenden der Nachkriegszeit. Neben seinen realisierten Projekten hat er sich insbesondere mit seinen konzeptuellen Entwürfen und theoretischen Überlegungen einen Namen gemacht. Diese Arbeit liefert eine neue Interpretation seines Werks, indem seine Texte und Projekte der 1960er- und 1970er-Jahre hinsichtlich seiner Idee der Großform betrachtet und analysiert werden. Bei dieser Untersuchung wird die historische Forschung mit Methoden der Entwurfsforschung verbunden, sodass die Ergebnisse auch für die Entwurfspraxis und -lehre anwendbar sind.
Die begriffsgeschichtliche Untersuchung der Idee der Großform liefert einen Überblick über die wichtigsten Aspekte des Großen in der Architektur – diese beziehen sich nicht immer auf maßstäbliche Ausdehnung – und belegt nicht nur, dass der Begriff der Großform schillernd und in sich widersprüchlich ist. Sie zeigt auch, wie es die gegenwärtige Praxis ist, den Terminus unnötig verkürzend ausschließlich zur Beschreibung großmaßstäblicher Gebäude zu verwenden. Die Analyse von Schlüsseltexten über die Großform, die Oswald Mathias Ungers in den 1960er-Jahren verfasst hat, sowie deren Verknüpfung mit Texten und Projekten seiner ZeitgenossInnen ermöglichen eine neue Lesart seiner Theorien. Die Idee, die hinter dem Begriff der Großform steckt, wird somit präzisiert und ihre Bedeutung für Ungers als Werkzeug zum Entwerfen offengelegt.
Durch die Zerlegung der Idee der Großform bei Ungers in ihre konzeptuellen Einzelteile kann ihr mögliches Potential für ein heutiges Entwerfen und die Entwurfslehre aufgezeigt werden. Die Analyse ausgewählter Projekte Ungers’ veranschaulicht, wie sich die zuvor geschilderten theoretischen Konzepte konkret in seinen Entwürfen wiederfinden. Im Gegensatz zur bisher veröffentlichten Forschung wird dabei nicht chronologisch vorgegangen. Diese Arbeit betrachtet verschiedene Projekte anhand von Kategorien aus unterschiedlichen Zeitperioden, vergleicht sie und arbeitet Gemeinsamkeiten oder Unterschiede heraus.
Die Forschungsarbeit zeigt auf, welch großes Potential in der historischen Analyse für die gegenwärtige Architekturpraxis liegt. Indem der wage Begriff der Großform präzisiert wird, können Entwurfsinstrumente entwickelt werden, welche die Entscheidungsprozesse für das Entwerfen abseits von Beliebigkeit lenken können.