Zusammenfassung: Aqua Urbanica 2018 / 17. DWA-RegenwasserTage in Landau i. d. Pfalz (D):

Regenwasser in urbanen Räumen

aqua urbanica trifft RegenwasserTage 2018

von Theo G. SCHMITT, TU Kaiserslautern Die extremen Starkregen in diesem Frühjahr haben mit den dadurch verursachten verheerenden Überflutungen erneut deutlich gezeigt, dass die dabei auftretenden Oberflächenabflüsse mit den bestehenden Kanalnetzen nicht  beherrschbar sind. Doch wie können Städte mit dieser Problematik umgehen? Mit welchen Modellen lassen sich solche Sturzfluten in urbanen Räumen künftig vorhersagen? Welche Maßnahmen bieten einen wirksamen Überflutungsschutz? Darüber diskutierten mehr als 200 Teilnehmer aus Kommunen und Verbänden, Ingenieurbüros, Wasserbehörden und Hochschulen bei der Gemeinschaftstagung aqua urbanica trifft RegenwasserTage am 18. und 19.06.2018 in der Jugendstilfesthalle in Landau/Pfalz. Weitere Themen waren Wege zur wassersensiblen Stadtentwicklung, Gewässerbelastungen durch Regenwetterabflüsse und Maßnahmen der Regenwasserbehandlung. Die besondere Aktualität der Themen schlug sich in mehreren Medienberichten über die Tagung nieder. Sie wurde von der DWA und dem Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft der TU Kaiserslautern organisiert. 2018 fanden die DWA-RegenwasserTage zum 17. Mal statt. Die aqua urbanica wird seit 2011 von den siedlungswasserwirtschaftlichen Instituten der Eawag/ETH Zürich, der Hochschule für Technik Rappertswil, der TU Graz, der Universität Innsbruck, der Universität Stuttgart und der TU Kaiserslautern in Kooperation mit den nationalen Fachverbänden VSA, ÖWAV und DWA veranstaltet. Themenschwerpunkt „Kommunales Starkregenrisikomanagement“  Bei der Begrüßung durch die Tagungsleiter Prof. Dr.-Ing. Max Dohmann (RWTH Aachen) und Dr.-Ing. Theo G. Schmitt (TU Kaiserslautern) und in den Grußworten von Dr.-Ing. Stefan Hill (Landesumweltamt Rheinland-Pfalz) für den DWA-Landesverband Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland wurden die Herausforderungen im verantwortungsvollen Umgang mit Regenwasser in urbanen Räumen jeweils mit Blick auf die besondere Aktualität der Starkregenproblematik herausgestellt. Die auch im Blick auf internationale Aktivitäten erkennbare Initiierung und Etablierung eines kommunalen Starkregenrisikomanagements wurde in der Folge in ihren vielfältigen Facetten beleuchtet.  Methodische Ansätze zur Überflutungsberechnung wurden von Dr.-Ing. Stefan Krämer (itwh GmbH Hannover) mit der ereignisbezogenen Überflutungsmodellierung auf der Grundlage von Radarregendaten vorgestellt, mit denen die zeitlich-räumliche Ausprägung von Starkregenereignissen realitätsnah nachgebildet werden kann. Prof. Dr.-Ing. Marc Illgen (Hochschule Kaiserslautern) plädierte in seinen Ausführungen dafür, der fundierten Berechnung von Außengebietsabflüssen durch Starkregen bei entsprechender Topografie größere Aufmerksamkeit zu schenken. Er illustrierte die erheblichen Unsicherheiten in der großen Bandbreite der Ergebniswerte unterschiedlicher methodischer Ansätze und Eingangsparameter. Die Ermittlung und Bewertung von Überflutungsrisiken war Gegenstand der Beiträge von Dr.-Ing. Lothar Fuchs (itwh GmbH Hannover) mit der Echtzeitvorhersage urbaner Sturzfluten und von Prof. Dr.-Ing. Hubertus Milke (HTWK Leipzig), der das Konzept der Überflutungsvorsorge urbane Starkregen für Leipzig skizzierte. Neben der Identifizierung von besonderen örtlichen Überflutungsgefährdungen über rechnerisch ermittelte Wasserstände und Fließgeschwindigkeiten ging es bei Dr. Fuchs auch um gezielte Informationen zur Warnung vor möglichen Wasserkontaminationen durch freigesetzte Schadstoffe als mögliche Folge von Überflutungsschäden. Dipl.-Ing. Klaus Krieger (Hamburg Wasser) stellte einer Bestandsaufnahme vor zu Erfahrungen mit der Umsetzung und Kommunikation von Gefährdungs- und Risikoanalysen nach DWA-M 119 als Kernelemente des kommunalen Risikomanagements. Danach liegen methodisch fundierte Gefährdungsanalysen bereits in größerer Zahl und auf Basis umfassender Datengrundlagen vor, Bewertungen von Schadenspotenzialen – und damit verbundene „echte“ Risikobetrachtungen – werden bislang eher sporadisch vorgenommen.  Der juristische Blick auf Chancen und Hemmnisse für die Überflutungsvorsorge in urbanen Räumen durch Rechtsanwältin Sinah Görisch (RAe Gaßner, Groth, Siederer & Coll. Berlin) offenbarte als Gründe für die noch zögerliche Erstellung von Starkregen-Gefahrenkarten u.a. die uneinheitliche Bewertung der kommunalen Verantwortlichkeiten (innerhalb oder außerhalb der Abwasserbeseitigungspflicht) und rechtliche Unsicherheiten im Umgang mit erstellten Gefahrenkarten.  Zur Reduzierung von Überflutungsrisiken wurden beispielhaft kooperative Lösungsansätze als Maßnahmen der kommunalen Überflutungsvorsorge vorgestellt. Dr.-Ing. Jan Benden (MUST Städtebau Köln) skizzierte anhand verschiedener Praxisbeispiele Lösungswege und Erfolgsfaktoren für die Konzeption multifunktionaler Retentionsräume. Sie wurden im DBU-geförderten Forschungsprojekt MURIEL erarbeitet. Dipl.-Ing. Gerrit Bischoff (Hamburg Wasser) berichtete über Erfahrungen aus Hamburg zur Flächenmitbenutzung als Maßnahme der Überflutungsvorsorge. Er betonte die Herausforderungen bei der Zusammenarbeit unterschiedlicher Fach- und Planungsdisziplinen, aber auch die so erzielbaren Synergieeffekte. Ebenfalls im Kontext der kommunalen Überflutungsvorsorge und weitergehend der wassersensiblen Siedlungsentwicklung standen die Berichte von Tanja Vonach (Universität Innsbruck) zur neuen Raumordnung in Innsbruck mit ihren Herausforderungen und Chancen für die Siedlungsentwässerung und von Johannes Leimgruber (TU Graz) zur Bewertung von Maßnahmen der Niederschlagswasserbewirtschaftung mit dem Ziel der Annäherung an die natürliche Wasserbilanz.  Themenschwerpunkt „Regenwasser und Gewässerschutz“ Neben der Überflutungsvorsorge stellt die Begrenzung der Gewässerbelastungen durch Regenwetterabflüsse ein weiteres zentrales Anliegen der Siedlungsentwässerung für einen zukunftsgerechten Umgang mit Regenwasser dar. In einer übergeordneten Betrachtung erläuterte Dr.-Ing. Andreas Matzinger (Kompetenzzentrum Wasser Berlin) methodische Überlegungen für eine quantitative Beschreibung der Resilienz urbaner Wassersysteme am Beispiel des temporären Überschreitens von Grenzwerten der Gewässergüte. Dipl.-Ing. Thomas Nichler (Dahlem Beratende Ingenieure Darmstadt) skizzierte immissionsbezogene Bewertungsansätze für Regen- und Mischwassereinleitungen in einem ganzheitlichen Gewässerkonzept im Kontext von Wasserrahmenrichtlinie und Hochwasserrisikomanagementrichtlinie. M.Sc. Liliane Manny (eawag Dübendorf) erörterte mit der Policy-Analyse für einen besseren Gewässerschutz bei Regenwetter aktuelle Bewertungskonzepte in der Schweiz für den Umgang mit Regenwasser. Die Bewertung und Quantifizierung der stofflichen Belastung von Regenwasserabflüssen ist Grundlage und notwendige Voraussetzung für die fallbezogene Beurteilung resultierender Belastungen bei Einleitung in Oberflächengewässer und Grundwasser. Im Entwurf des Arbeitsblattes DWA-A 102 wird der Stoffparameter AFS63 mit Erfassung der feinpartikulären Stoffe < 63 µm als Referenzparameter für die Bewertung der Stoffausträge durch Regenwetterabflüsse vorgeschlagen. M.Eng. Jan Philip Nickel (KIT Karlsruhe) berichtete aus aktuellen Arbeiten der Hochschulgruppe „Simulation“ (HSGSim) zum Harmonisierungsbedarf bei der labortechnischen Bestimmung des Stoffparameters AFS63. Die HSGSim hat eine Erhebung zum aktuellen Stand derzeitiger Analysemethoden durchgeführt und erarbeitet Empfehlungen zur Standardisierung der Bestimmungsmethode. M.Sc. Stephan Rommel (TU München) präsentierte Untersuchungsergebnisse zur Belastung von Verkehrsflächenabflüssen mit feinpartikulären Stoffen, gemessen als AFS63. Er illustrierte die Bandbreite auftretender Abflusskonzentrationen und Frachten hinsichtlich der Anordnung dezentraler Behandlungsanlagen zum Rückhalt von Feststoffen in Niederschlagsabflüssen. Prof. Dr. Michael Burkhardt (Hochschule für Technik Rappertswil) beleuchtete die stoffliche Belastung von Gleisabwasser und erörterte Lösungsansätze zur Behandlung der Abflüsse von Gleisanlagen unter besonderer Berücksichtigung von Glyphosat, verursacht durch die Ausbringung von Herbiziden auf die Gleiskörper während der Vegetationsperiode. Die Bewertung der Wirksamkeit dezentraler und zentraler Anlagen zur Niederschlagswasser- und Mischwasserbehandlung, ihre bemessungstechnische Auslegung und betriebliche „Begleitung“ wurde in mehreren Beiträgen beleuchtet. Dr.-Ing. Dominik Leutnant (FH Münster) stellte ein in-situ-Monitoringprogramm zur Reinigungsleistung großer dezentraler Niederschlagswasserbehandlungsanlagen vor. Die Bilanzierung der Zu- und Ablauffrachten erfolgte dabei über die Korrelation der Feststoffkonzentrationen mit der Trübung. Dr.-Ing. Ulrich Dittmer (Universität Stuttgart) präsentierte Ergebnisse aus der Analyse umfangreicher Messdaten und ergänzender Simulationen zur Einstau- und Überlauftätigkeit von Regenüberlaufbecken. Neben Hinweisen auf bestehende Reserven der untersuchten Mischwasserbehandlungsanlagen und den Einfluss örtlicher Randbedingungen auf die Entlastungskennwerte wurde gefordert, Bewertungen des Entlastungsverhaltens stets im Kontext des Gesamtsystems vorzunehmen. Dr.-Ing. Ulrich Kasting (Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, Hannover) führte zum Stand der Regenwasserbehandlung im Bereich von Bundesfernstraßen aus, dass bei der Mehrzahl der Regenbecken der Stoffrückhalt mittels Sedimentation erfolgt. Die Weiterentwicklung des technischen Regelwerks lässt eine deutliche Zunahme von Filtrationsanlagen erwarten. Über technische Anlagen der Regenwasserfiltration an zentralen Standorten berichtete Prof. Dr.-Ing. Helmut Grüning (FH Münster). Die in einem Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zum Betriebsverhalten einer zentral angeordneten Filteranlage im Trennsystem von Wuppertal gewonnenen Ergebnisse unterstrichen die Abhängigkeit der Wartungsintensität vom Feststoffaufkommen in den behandelten Niederschlagsabflüssen.  Poster- und Ausstellerforum Als zwischenzeitlich fester Bestandteil der aqua urbanica wurde in zwei Posterflash-Blöcken eine breite Palette an Problemstellungen und Lösungsansätzen zum Tagungsmotto „Regenwasser in urbanen Räumen“ von den Autoren als Appetizer für den Besuch der begleitenden Posterausstellung präsentiert. Die dort präsentierten Themen entstammten sowohl wissenschaftlich fundierten Forschungsprojekten als auch anwendungsorientierten Entwicklungsvorhaben und Praxisberichten. Praxis- und anwendungsbezogen waren auch die von 20 Ausstellern an ihren Ständen präsentierten Exponate. Wie geht es weiter? Prof. Dohmann gab einen Ausblick auf die 18. RegenwasserTage der DWA, die in 2019 wieder als eigenständige Veranstaltung, voraussichtlich in Nordrhein-Westfalen stattfinden werden. Professor Schmitt übergab das Wurf-Mikrofon mit aqua urbanica Signatur als symbolischen Staffelstab an Prof. Burkhardt, der die Anwesenden zur aqua urbanica 2019 - Bemessung trifft Gestaltung (08. bis 10.09.2019) einlud, mit motivierenden Bildern vom Tagungsort Rigi-Kaltbad hoch über dem Vierwaldstädter See. Federführend ist dann turnusgemäß die Hochschule Rappertswil in Kooperation mit dem Schweizer VSA.
Zusammenfassung
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Zusammenfassung der Konferenz Aqua Urbanica 2018 / 17. DWA-RegenwasserTage